Hamburg. Wetterexperte Frank Böttcher über „Herwart“, den Klimawandel und warum es in Hamburg eher weniger Stürme geben wird.
Frank Böttcher ist Leiter des Hamburger Instituts für Wetter- und Klimakommunikation. Das Abendblatt hat ihm die wichtigsten Fragen zu Sturm „Herwart“ und der Sturmflut gestellt.
Herr Böttcher, war „Herwart“ ein starker Sturm?
Frank Böttcher: Ja. Über Hamburg sind orkanartige Böen gezogen – es wurden Spitzenböen mit bis zu 111 Kilometern pro Stunde gemessen. Die stärkste Böe im Norden mit 144 Kilometern pro Stunde wurde am Leuchtturm Alte Wesen in der Nordsee gemessen. Die stärkste in ganz Deutschland zog mit 176 Stundenkilometern über den Fichtelberg im Erzgebirge. Das ist Windstärke 15.
Wie hat der Sturm sich gebildet?
Frank Böttcher: Er ist aus einem Randtief entstanden, das sich neben einem Sturmgebiet über Skandinavien entwickelt hat. Während es von der Nordsee über die Ostsee Richtung Polen gezogen ist, hat es warme Luft angesogen und angefangen zu rotieren. Uns hat der Sturm in seiner stärksten Entwicklungsstufe getroffen. Stürme sind nämlich in der Phase des Heranwachsens besonders stark – ähnlich wie Jugendliche in der Pubertät besonders stürmisch sind.
„Herwart“ ist nun schon der dritte schwere Herbststurm. Liegt das am Klimawandel?
Frank Böttcher: Nein, der begünstigt Gewitterstürme. Statistisch gesehen gibt es heute weder mehr noch stärkere Herbststürme als früher. Hamburg könnte künftig sogar seltener betroffen sein. Herbststürme entwickeln sich in Gebieten mit großen Temperaturunterschieden. Da sich das arktische Eis zurückzieht, werden auch die Sturmgebiete nordwärts ziehen.
Der Sturm hat zu schweren Überschwemmungen geführt. Warum?
Frank Böttcher: Die Bedingungen für die Sturmflut waren ideal: Der Wind hat elbaufwärts gedrückt, sodass das ablaufende Wasser heute Nacht nicht gut in die Nordsee fließen konnte. Dazu kam der zunehmende Nordwestwind bei auflaufendem Wasser. Sturmfluten wie diese erleben wir alle zwei Jahre. Ein etwas westlicherer Wind hätte bei dieser Wetterlage sogar eine sehr schwere Sturmflut bringen können. Einer solchen ist Hamburg also nur knapp entkommen.