Hamburg. Mit der Zeitumstellung beginnen offiziell die dunklen Tage – und die schlagen vielen Hamburgern aufs Gemüt. Diese Tipps helfen.
Willkommen im tristen Herbst: Mit der Zeitumstellung in der Nacht zum Sonntag beginnt die wirklich dunkle Jahreszeit. Helles, natürliches Licht wird in den nächsten Monaten zu einem sehr knappen Gut. In der längsten Nacht des Jahres, am 21. Dezember, geht die Sonne in Hamburg bereits um 16.02 Uhr unter. Zum Vergleich: Am 21. Juni schien sie bis 21.53 Uhr.
Was für zahlreiche Menschen kein Problem ist, löst bei anderen den Winter-Blues oder sogar Depressionen aus. Trübe Stimmung, träge Tage. Nach Angaben des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf (UKE) gibt es tatsächlich das Phänomen einer saisonalen Depression. Sie tritt meist im Herbst und Winter auf und wird durch den geringen Lichteinfall in diesen beiden Jahreszeiten ausgelöst. „Die saisonale Form der Depression betrifft in unseren geografischen Breiten wahrscheinlich zwei bis drei Prozent der Bevölkerung, in sehr leichter Form um die zehn Prozent“, sagte Facharzt und Privatdozent Sönke Arlt, Oberarzt in der UKE-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, dem Abendblatt.
Nach diesen statistischen Daten sind mehr als 50.000 Hamburger jedes Jahr von einer saisonalen Depression betroffen. Kleines Trostpflaster: In nördlichen Breiten wie Kanada, Skandinavien und Grönland sind solche Depressionen noch viel stärker verbreitet. Schließlich lässt sich dort die Sonne im Winter kaum oder gar nicht blicken.
Appetit auf Süßes nimmt erheblich zu
Je nach Schweregrad klagen die Betroffenen über Antriebslosigkeit und fehlende Energie. Etliche fühlen sich übermäßig traurig und müde, wollen am liebsten nur noch schlafen. Der Appetit auf etwas Süßes nimmt zu – man braucht schließlich Nahrung für die Seele. Häufig führt der Winter-Blues deshalb mit mangelnder Bewegung zur Gewichtszunahme.
So ein trüber Hamburger Herbst- oder Wintertag bringt es zwar meist immer noch auf 2000 Lux. Aber ein strahlender Sommertag verwöhnt Körper, Seele und Geist mit immerhin 100.000 Lux. Damit sich die Menschen wohl fühlen, müssten Tageswerte von mindestens 3000, am besten 10.000 Lux erzielt werden.
Denn Licht steuert das Zusammenspiel der körpereigenen Hormone Melatonin und Serotonin. Durch Sonnenlicht steigt der Spiegel des „Glückshormons“ Serotonin. Das „Schlafhormon“ Melatonin wird ausgeschüttet, wenn es dunkel wird. „Darum kann Sonnenlicht – und dem Sonnenlicht ähnliches, sehr helles Kunstlicht – die Stimmung aufhellen, während Lichtmangel im Herbst und Winter auf das Gemüt schlagen kann“, heißt es in der „Apotheken-Umschau“.
Wie UKE-Psychiater und Psychotherapeut Sönke Arlt sagt, gilt die Wirksamkeit der Lichttherapie morgens als medizinisch gesichert. Der Einsatz von Licht mit stärkerer Intensität sei eine bewährte unterstützende Therapiemethode. „Man kann diesen Effekt möglicherweise aber auch durch ausreichenden Aufenthalt und Bewegung bei Tageslicht erreichen“, fügt Arlt hinzu. „Obwohl die Tage kürzer werden, sollte man daher unbedingt versuchen, bei Tageslicht im Freien aktiv zu sein.“
Lichttherapie wirksam gegen Depression
Während die einen also ausgedehnte Spaziergänge an der Elbe und Fahrradtouren auf beliebten Velo-Routen unternehmen, schwören andere auf Lux-starke Speziallampen mit rund 10.000 Lux. Professor Martin Keck, Chefarzt und Direktor der Klinik am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, sagt: „Lichttherapie ist ein sehr wirksames antidepressives Therapieverfahren. Sie ist fast nebenwirkungsfrei und kann auch zu Hause erfolgen.“ Mit einer Beleuchtungsstärke von mindestens 10.000 Lux, 30 Minuten lang nach dem morgendlichen Aufstehen, helfe sie nicht nur Patienten mit einer Winter-Depression, sondern auch Patienten mit nichtsaisonalen Depressionen.
In einer kanadischen Studie aus dem Jahr 2015 schnitt die Kombination aus Lichttherapie und Antidepressivum, einem sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), im Vergleich zur alleinigen medikamentösen Therapie am besten ab. „Die Lichttherapie sollte jedoch unbedingt mit einer Psychotherapie kombiniert werden, um die Heilungschancen von vornherein zu optimieren“, betont der Mediziner.
Johanniskraut ist frei verkäuflich
Frei in Apotheken verkäuflich sind derweil Johanniskraut-Präparate, die nach Ansicht von Privatdozent Arlt bei leichten Depressionen eingesetzt werden können. „Allerdings sind sie nicht ohne Nebenwirkungen. So kann es zu Hautreaktionen durch zu viel Sonneneinstrahlung kommen.“ Sollte das Stimmungstief länger als zwei Wochen andauern, Schlafstörungen zunehmen und sogar Suizidgedanken auftreten, müsse auf jeden Fall professionelle Hilfe aufgesucht werden.
Für die weniger schlimmen Fälle von Herbst- und Winterblues genügt oft schon ein entspannender Wellness-Besuch. Hotels und Spa-Abteilungen haben ihre Uhren längst auf die triste Jahreszeit umgestellt. Mit Moor- und Kreidepackungen, Farblicht-Therapien, fernöstlichen Massagen und speziellen kosmetischen Angeboten wollen sie ihren Gästen den Übergang vom Oktober ins Novembergrau erleichtern.