Hamburg. Mathias Knoppe will Hamburger porträtieren und die Ergebnisse wegsperren – bis zum Jahr 2118. Aktion für Abendblatt-Abonnenten.

Als Oma starb, blieben nur Fotos. Viel mehr hatte Oma „Schwarzer Kater“, die so hieß, weil sie Fruchtlikör mochte, nicht hinterlassen. Eigentlich war sie auch die Oma seiner Ex-Freundin, sagt Mathias Knoppe. Ist aber egal. Denn mit Oma „Schwarzer Kater“ fing alles an. Ihr Tod war das Erweckungserlebnis des Fotografen.

Familie im Jahr 1905 in Brandenburg an der Havel Projekt
Familie im Jahr 1905 in Brandenburg an der Havel Projekt "100 Hamburger für 100 Jahre" © Mathias Knoppe | Mathias Knoppe

Was bleibt, wenn man geht? Wie vergänglich ist das Sein? Und wer erzählt später den anderen davon? Mehr als 15 Jahre hat der freischaffende Fotograf auf einer angemessenen Umsetzung seiner Idee herumgedacht. Ein bisschen Unsterblichkeit. Wie geht das? Jetzt ist er 50. Es ist Herbst. Die Blätter fallen. Vergänglichkeit überall. „Wann, wenn nicht jetzt?“, sagt er.

An diesem Sonnabend startet also sein „Projekt 100“. Er will 100 Hamburger aus dem Hier und Heute fotografieren, die Aufnahmen genau ein Mal im Jahr 2018 ausstellen, die Porträts dann 100 Jahre einlagern und sie im Jahr 2118 mit 100 persönlichen Mitteilungen erneut ausstellen lassen. „Eine Reise in die Zukunft“, sagt er. 75 Plätze sind noch frei. 100 stilvolle Porträts, 100 persönliche Mitteilungen, 100 Jahre Halbwertzeit: „Dit soll schon ‘n Hit werden.“

Er hat auch Zweifel

Bei Knoppe berlinert es, bei Knoppe künstlert es, aber schön unprätentiös. Künstlerbrille, Künstleranspruch, Künstlerzweifel. Der latente Größenwahn seiner Idee ist ihm ja bewusst. Originelle Idee, ja, ja, aber mit seinen Idolen der Fotografie vergleichen? „Nee, ick weeß nich.“ Der famose Modefotograf Richard Avedon etwa sei mal durch den amerikanischen Westen gezogen, um Wanderarbeiter zu porträtieren. „Toll“, aber eine ganz andere Liga, sagt Knoppe.

Sein Jahrhundert-Projekt darf deshalb zunächst als Gegenentwurf zum ultrahocherhitzten Internet gesehen werden. Schwarz-Weiß Porträts, analog fotografiert, gutes Licht, gute Leute, alle Altersklassen, alle sozialen Schichten, sehr persönlich, Hauptsache Hamburg. „Richtig schick“ soll es werden. Als Überlieferungswerkzeug dient nur das parallel entstehende Fotobuch. Mag ja sein, dass das Internet nichts vergisst, aber Knoppes Ideal sieht anders aus: In einem Jahrhundert zieht ein Enkel den Schinken aus dem Regal und erinnert: 2118! Ausstellungsjahr!

"Old School"

Knoppe ist im besten Sinn Old School. Mit elf Jahren schoss der kleine Mathias seine ersten Bilder. „Mit ‘ner ollen Beirette – allet verwackelt, aber Hauptsache, ick war druff.“ Ein Ästhet, der in der DDR der 80er-Jahre einer von 30 Auserwählten war, die auf die Potsdamer Fotografenschule durften. „Die kamen aus der ganzen Republik, auch aus dem Vogtland. Da hab selbst ich nur die Hälfte verstanden.“ Seit 1998 ist der gebürtige Brandenburger in Hamburg, wohnt auf der Uhlenhorst, ist Vater eines Sohnes. „Und seit einem Jahr stolzer Opa. Nee, klingt doof. Nee, doch nicht. Schreib ruhig: stolzer Opa!“

Vor seiner Kamera posierten schon Ex-Deichkind Buddy Buxbaum, Lilo Wanders oder Uschi-Obermaier-Darstellerin Natalia Avelon. Knoppe machte 2001 auch das letzte Bild des berühmten kubanischen Fotografen Alberto Korda. Von Korda stammt etwa die bekannteste, zur Ikone gewordene Aufnahme von Che Guevara. Und auch Knoppes letztes Projekt „Ost Cola“ war ein Knaller. Die DDR der 80er und ihre Jugend, wichtig waren nur zwei Dinge: Haare hoch und Adidas hoch. Das Interesse war global – USA, Japan, Australien. „Ick hab neulich ‘n Bildband bei Amazon jeseh’n, kostet jetzt 500 Euro!“

Jedes Bild mit Botschaft

Jetzt also 100 Hamburger für zwei Ausstellungen – eine in der Gegenwart, eine in 100 Jahren. Die Abzüge im Format 30 mal 40 sollen auf besonders haltbares Barytpapier. Zu jedem gerahmten Porträt gehört – ganz wichtig – eine persönliche Botschaft. Bei der ersten Ausstellung soll diese individuelle „Post“ versiegelt und nummeriert in einer Vi­trine bleiben. Danach wird alles witterungsbeständig verpackt und für 100 Jahre verwahrt.

Das kostet. „Ungefähr 30.000 Euro“, sagt Knoppe. Er hat extra einen Crowdfunding-Workshop gemacht, um die Sache richtig anzugehen, genügend Geld von Leuten einzusammeln, die gleichzeitig Teil des Projekts werden können. „Für 50 Euro gibt’s den Bildband, für 75 Euro wird man als Unterstützer im Band erwähnt, und für 100 Euro nimmt man am Losverfahren für die Porträtaufnahmen teil“, skizziert der Fotograf. Für 1000 Euro kann man sich direkt einkaufen – und sich ein kleines Denkmal als Teil einer Ausstellung setzen. Den Bildband haben alle sicher, beim Scheitern des Crowdfunding gibt’s das Geld zurück.

Botschaften der Gegenwart bleiben 100 Jahre geheim

Vollendet wird das Gesamtwerk erst im Jahr 2118. Erst dann werden die Botschaften geöffnet, den Aufnahmen zugeordnet und ausgestellt. „Is’ so’n Geheimding!“, sagt Knoppe, dem sein Plan sichtlich gefällt. Jeder Porträtierte soll mindestens seinen Namen und sein Alter schreiben. Sonst können die Leute dazutun, was sie wollen, sagt Knoppe. „Außer leicht verderbliche Ware.“ Jeder Teilnehmer bekommt ein schwarzes Beutelchen. „Buch, CD, Testament – egal, kann allet rin. Vinyl hält natürlich am längsten, dann aber nur Singles.“

Zeitkapseln, das weiß auch Mathias Knoppe, gibt es an jeder Ecke. In Kirchturmspitzen, bei Grundsteinlegungen. Aber sein Projekt ist doch einzig und ein bisschen artig. „Wie bei „Zurück in die Zukunft II“. Nur in Hamburg. Was haben die Leute vor 100 Jahren gedacht, gefühlt. Was war ihnen wichtig?“ Das könnte 2118 spannend sein, meint er. Warum Hamburg? „War schon immer meine Traumheimat. Meine Mutter ist hier aufgewachsen.“

Jetzt ist er hier, ein paar Jahre älter und nachdenklicher. Vielleicht auch unruhiger. Mit 70 müsse er das Projekt nicht mehr starten. Es soll sein Nachlass und sein Vermächtnis für Hamburg sein. Schade eigentlich, sagt er zum Schluss, „dass ich die Ausstellung 2118 nicht mehr erleben werde. Aber mein Urenkel vielleicht? Wer weiß?“

In jedem Fall soll von 100 Hamburgern mehr übrig bleiben als nur 100 Fotografien. Auch in Gedenken an Oma „Schwarzer Kater“.

So können Abendblatt-Abonnenten teilnehmen:

Exklusiv für Abonnenten des Hamburger Abendblattes verlost der Fotograf Mathias Knoppe zweimal ein kostenloses Porträt-Shooting.

Senden Sie bitte bis zum 22. Oktober eine Mail mit Namen, Anschrift, Telefonnummer, Kundennummer und dem Kennwort „Projekt 100“ an lokales@abendblatt.de

Die Gewinner werden per Los aus allen Einsendungen entschieden.

* Teilnahme nur aus Deutschland möglich. Mitmachen dürfen nur Teilnehmer ab 18 Jahren. Mitarbeiter der FUNKE Mediengruppe GmbH & Co.KG und der beteiligten Firmen dürfen nicht teilnehmen. Der Rechtsweg und die Barauszahlung sind ausgeschlossen.

Alle Informationen zum Projekt im Internet: http://1-0-0.net/

Das Crowdfunding für die Teilnahme ist im Netz zu finden unter: www.startnext.com/projekt-100.