Othmarschen. Dichterdenkmal nach Raub zurück an der Elbchaussee. Alles ein dummer Streich?

Es gibt in Hamburg wohl kein Denkmal, das so oft eingeweiht wurde wie dieses. Denn bereits zum dritten Mal lud die Hamburger Al­fred Toepfer Stiftung an die Elbchaussee ein, um die Einweihung des Denkmals zu Ehren des Dichters Joachim Ringelnatz dort zu zelebrieren. Dabei ist die erste Feier gar nicht lange her.

2014 schenkte die Stiftung der Stadt die Bronzeplastik, die an der Elbchaussee/Ecke Liebermannstraße ihren Platz fand. Dabei handelt es sich um zwei goldig aussehende Ameisen – eine Nachbildung der berühmten Hamburger Hauptfiguren aus Ringelnatz’ Gedicht „Die Ameisen“:
„In Hamburg lebten zwei Ameisen, die wollten nach Australien reisen. Bei Altona auf der Chaussee, da taten ihnen die Beine weh, und da verzichteten sie weise dann auf den letzten Teil der Reise. So will man oft und kann doch nicht und leistet dann recht gern Verzicht.“

Das Problem ist, dass im Unterschied zu ihren Vorbildern, die Bronze-Ameisen die Angewohnheit haben, zu verschwinden. Von ihrer jüngsten Reise sind sie nun gerade wieder zurückgekehrt. Im April dieses Jahres nahm die Tour ihren Anfang, die die Ameisen auf wundersame Weise über Kiel und Holstein zurück in ihre Heimatstadt führte. Aber von Anfang: Am 16. April waren die Tiere plötzlich von ihrem Stammplatz verschwunden. Die Stiftung erstattete Anzeige wegen Diebstahls. Im Juni nahm der Kunstraubfall eine überraschende Wende.

„Kurz vor dem G20-Gipfel erhielten wir einen Anruf, dass die zwei Ameisen in einer Plastiktüte gewickelt auf der Fußmatte vor einer Kieler Kanzlei gefunden worden“, berichtet Ansgar Wimmer, Vorstandschef der Alfred Toepfer Stiftung. Hauke Oppermann von der Kieler Kanzlei BQ-Rechtsanwälte sagt: „Wir haben sie ausgepackt und fanden einen Zettel mit der Bitte um Rückführung an die Toepfer Stiftung in Hamburg.“

So ganz glauben mag Wimmer die Geschichte nicht. Er vermutet, dass es sich bei dem Kunstraub um einen dummen Streich von Jugendlichen handelte und deren Eltern auf diese Weise das Problem ausbügeln wollten. Tatsächlich kann sich der 38 Jahre alte Jurist zu den Hintergründen nicht weiter äußern. „Mehr Details darf ich als Rechtsanwalt leider nicht preisgeben. Es besteht ein Mandatsverhältnis“, sagt Oppermann.

Klar ist dagegen: Von Kiel aus wurden die Krabbeltiere zur Hamburger Stiftung geschickt und von dort aus weiter an das hiesige Landeskriminalamt geleitet. „Sie wurden erkennungsdienstlich behandelt“, so Wimmer. Aber die Spurensuche brachte kein Ergebnis. „Nun bleibt uns nur zu hoffen, dass jemand, der den Mumm hatte, die Ameisen zurückzugeben, auch so aufrichtig ist, sich zu entschuldigen“, sagt Wimmer. Ansonsten bliebe der Fall ungeklärt. Von Hamburg aus ging es für die lädierten Ameisen auf jeden Fall nach Holstein, wo sie in der Werkstatt von Peter Schröder „aufgepäppelt“ wurden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die kleinen Krabbler verschwinden oder beschädigt wurden. Bereits zum fünften Mal musste der Holsteiner Künstler und Ameisenvater tätig werden. „Das ist jedes Mal ein trauriger Moment“, sagt Schröder, der es sich nicht nehmen ließ, auch bei der dritten Einweihung persönlich dabei zu sein. Vandalismus komme vor bei Werken im öffentlichen Raum, aber so extrem habe er das bei keinem seiner Kunstwerke erlebt. Gleichzeitig sei die Resonanz auf das Denkmal sehr positiv. Auch beim Aufstellen der Plastik am Mittwoch sei er von vielen Anwohnern und Spaziergängern angesprochen worden. Deshalb ist für Schröder klar: „Wir müssen gegenhalten gegen all diejenigen, die meinen, sie müssten kaputt machen, was anderen eine Freude macht.“

Genauso sieht das auch Wimmer. Obwohl die Plastik nur einen Materialwert von einigen Hundert Euro hat und die Stiftung nun schon rund 7000 Euro in das Denkmal inklusive der zahlreichen Reparaturen steckte, will man sich der Zerstörungswut nicht beugen. Hier versammelten sich Schulklassen, um Ringelnatz’ berühmte Verse aufzusagen, Anwohner hätten den Ameisen sogar Fußball-Fanschals für den Winter gestrickt, berichtet Wimmer und fügt hinzu: „Da müssen wir einfach Durchhaltevermögen haben.“ Nun wird überlegt, ob eine Beleuchtung die Ameisen dauerhaft und heil in Hamburg hält.