Hamburg. Die Arbeitgeber reagieren auf die Forderungen mit Unverständnis. Die nun bevorstehenden Verhandlungen dürften kompliziert werden.

Wenn die Gewerkschaft IG Metall zum Pressegespräch bittet, um öffentlichkeitswirksam wichtige Botschaften an die Arbeitgeber und die eigenen Mitglieder zu senden, sitzt für gewöhnlich ein Abgesandter des Unternehmensverbands mit am Tisch. Andersherum wird es genauso gehalten. Es ist eine vertrauensbildende Maßnahme. Der Partner, mit dem man regelmäßig über Löhne und Arbeitsbedingungen verhandelt, soll keine bösen Überraschungen erleben, mindestens aber aus erster Hand erfahren, was der Tarifpartner denkt und will.

Am Donnerstagmittag erfuhr der Vertreter des Arbeitgeberverbands Nordmetall im Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof, was der IG Metall-Bezirk Küste in der im November beginnenden Tarifrunde gerne heraushandeln würde. Zum Thema Lohn sagte Bezirksleiter Meinhard Geiken: „Ich halte eine Forderung um die 6 Prozent für realistisch und angemessen.“

Erste Empfehlung

Es ist noch nicht die endgültige Forderung der Gewerkschaft für die Metall- und Elektroindustrie im Norden. Die wird erst in gut einem Monat von der Tarifkommission beschlossen. Es ist eine Empfehlung des obersten IG-Metallers im Bezirk für die interne Debatte, die jetzt folgt. Vor allem aber sind die 6 Prozent keine große Überraschung. Andere Gewerkschaftsbezirke hatten bereits in der vergangenen Woche Lohnzuschläge in dieser Größenordnung zur Diskussion gestellt.

Der Arbeitgeberverband Nordmetall reagierte auf Geikens erste Wortmeldung so, wie es seine Mitglieder erwarten: Er wies sie zurück. „Um die 6 Prozent mehr Lohn zu fordern – das ist unpassend und kein Beitrag um die künftigen Herausforderungen unserer Branche zu bewältigen“, erklärte Nordmetall-Präsident Thomas Lambusch. In die Tarifrunde vor zwei Jahren war die Gewerkschaft mit der Forderung nach 5 Prozent mehr Gehalt gezogen. Nach einigen Warnstreiks einigte man sich auf 2,8 Prozent mehr für 2016 und nochmal 2 Prozent in diesem Jahr.

Komplizierte Verhandlungen

Die nun bevorstehenden Verhandlungen dürften komplizierter werden. Davon geht auch Geiken aus. „Wir stellen uns auf eine stärkere Auseinandersetzung ein, weil es nicht nur ums Geld, sondern auch um Arbeitszeit geht“, sagte er. Zum Hintergrund: Die IG Metall verlangt auch Änderungen der Arbeitszeitregelungen, die darauf hinauslaufen, dass ein Arbeitnehmer für bis zu zwei Jahre seine Arbeitszeit auf 28 Stunden pro Woche reduzieren und danach in Vollzeit (35 Stunden) zurückkehren kann. „Die Lebenszeit darf nicht allein an der Arbeit ausgerichtet sein, und sie darf sich nicht nur nach den Wünschen von Kunden richten“, sagte Geiken.

Für Beschäftigte, die Arbeitszeit reduzieren, um ihre Kinder zu betreuen, Angehörige zu pflegen, oder weil sie häufig nachts arbeiten, gehen die Forderungen der Gewerkschaft noch weiter. Der Arbeitgeber soll ihnen einen sogenannten Entgeltzuschuss oder Teillohnausgleich zahlen. Das bedeutet: Wer von 35 auf 28 Stunden reduziert soll trotzdem nicht auf 20 Prozent des Gehalts verzichten. Wie hoch dieser Teilausgleich sein soll, wollte Geiken nicht beziffern. „Das wird Teil der Verhandlungen sein. Wir denken an einen Festbetrag, damit die unteren Lohngruppen stärker profitieren“, sagte er. Der Gewerkschafter erwartet: „Die Arbeitszeit wird der größere Konflikt mit den Arbeitgebern sein.“

Wochenarbeitszeit von bis zu 48 Stunden

Nordmetall-Präsident Lambusch jedenfalls wies die Forderung nach Teillohnausgleich gleich unmissverständlich zurück: „Auch noch Nichtarbeit zu bezahlen, können wir uns nicht leisten“, erklärte er. Über Arbeitszeitflexibilität reden wollen aber auch die Arbeitgeber – wenn auch mit einem anderen Ziel. Seit Monaten fordern die Unternehmensverbände ein neues Arbeitszeitgesetz: Die Höchstarbeitszeit von zehn Stunden am Tag soll fallen, ebenso die Elf-Stunden-Pause zwischen Arbeitsende und -beginn. Sie sei nicht mehr zeitgemäß, heißt es. Zudem soll die Wochenarbeitszeit zeitweise bis auf 48 Stunden ausgedehnt und die Mehrarbeit später abgebummelt werden können.

Lambusch ließ denn auch grundsätzliche Bereitschaft erkennen, über Arbeitszeit zu verhandeln, allerdings dürfe es Flexibilität nicht nur in eine Richtung geben, sagte er. „Wer sich hier in eine Einbahnstraße begibt, fährt einen Betrieb schnell an die Wand.“ Zuvor hatte der IG-Metall-Bezirksleiter deutlich gemacht, worüber mit ihm nicht zu reden ist. „Eine feste Regelung über mehr als zehn Stunden Arbeit pro Tag ist ein No Go“, sagte Geiken.

Mitte November werden sich die Tarifpartner erstmals gegenübersitzen, in der zweiten Runde Anfang Dezember soll es konkret werden. Ab 1. Januar könnte es dann erste Streiks geben.