Hamburg . In einem neuen Buch von Lichtkünstler Michael Batz sind 350 beeindruckende Bilder aus der Geschichte des Weltkulturerbes zu sehen.

Die Kinder vor der Essighandlung Schwarz am Brook gucken neugierig in die Kamera. Es ist das Jahr 1883. Vor der Kolonialwarenhandlung Harms am Altstädter Neuen Weg stehen Kaufleute auf dem Bürgersteig. Am Santorquai, wie er damals geschrieben wurde, arbeiten Quartiersleute und Schuppenvize mit Sackkarren. Und in Hansens Speicher sitzen die „Kaffee-Miedjes“ in Reih und Glied beim Verlesen der seinerzeit kostbaren Bohnen.

In einzigartiger Weise dokumentieren historische Motive das Leben in einem der markantesten Viertel Hamburgs. Heutzutage ist es schick, dort zu arbeiten oder zu wohnen. Damals ging es nur um Geschäfte und Maloche.

Im neu erschienenen Buch „Speicherstadt Story“ beschreibt Autor Michael Batz, der Theatermacher und Lichtkünstler, Geschichten von Menschen und Handel im Bannkreis jetzt denkmalgeschützter Kontorhäuser und Speicher.

Ohrfeigen im Börsensaal

„Es ist das erste Buch über Menschen, Firmen und Ereignisse in diesem größten historischen Lagerhauskomplex der Welt“, sagt Michael Batz. Im Laufe von 20 Jahren führte er 55 Interviews, forschte in Archiven, Antiquariaten und Nachlässen. In dem großformatigen, 288 Seiten umfassenden Werk sind viele erstmals veröffentlichte Motive abgedruckt. Insgesamt sind 350 Bilder zu sehen. In 30 Kapiteln widmet sich der Autor der faszinierenden Geschichte dieses Weltkulturerbes.

Beispiele sind Beschreibungen eines Kastellans, die „Kaffee-Miedjes“, der Basar von Abbasabad oder die Hintergründe des Muckefucks. Es geht um Ohrfeigen im Börsensaal, um eine Tasse Tee mit Konsul Ellerbrock, aber auch um den Tod eines Waffenhändlers. Wer kennt schon das wundersame Leben des hanseatischen Kaufmanns Bruno Spiro?

Verkaufte Waffen

Der schwerreiche Unternehmer verkaufte Waffen aller Art nach Abessinien und China, nach Japan und auf den Balkan. Nicht nur die Amerikaner meinen, dass bei den Exporten nicht immer alles mit rechten Dingen zuging. In die Fänge der Nationalsozialisten geriet Spiro wegen seiner Lieferungen an Juden im heutigen Israel. Nach drei Monaten Haft im Konzentrationslager Fuhlsbüttel wurde Bruno Spiro am 29. September 1936 tot in seiner Zelle aufgefunden. Auf Spiros Spur stieß Michael Batz in einem hundert Jahre alten Hamburger Adressbuch.

Der Dovenfleth
Der Dovenfleth © Maximilian Verlag

Ebenfalls nur Eingeweihten war das Wirken der Firma Dieckmann & Hansen vertraut. In einem Lager am Alten Wandrahm 5 wurde nach dem Ersten Weltkrieg Kaviar aus riesigen Holzfässern in Dosen gefüllt. Um in tropische Länder ausgeführt zu werden, wurden die Fischeier konserviert.

Solche Delikatessen waren mehr wert als der Monatslohn eines Arbeiters. Das Freihafenamt registrierte penibel Zoll-, Steuer- und Eigentumsdelikte. Scheuerfrau Karaschewitz wollte 95 Kilo Kaffeebohnen mitgehen lassen, Kutscher Schwenck 71 Sack Bienenwachs – ohne Papiere natürlich.

Freizeit am Wasser
Freizeit am Wasser © Maximilian Verlag

Schon früher herrschte in der Speicherstadt reichlich Betrieb. Die beiden Paternoster der Lagerhaus-Gesellschaft nutzten Tag für Tag mehr als 4000 Personen. Die Maurer Giner und Griem kamen Ende des 19. Jahrhunderts auf die Idee, bei Arbeiten im ehemaligen Zollamt am Alten Wandrahm eine Flaschenpost einzumauern. Die handschriftliche Nachricht in der Glasflasche datiert vom 30. Oktober 1899. Bei Renovierungsarbeiten wurde das gute Stück zutage gefördert. Heute ziert es die Sammlung des Zollmuseums.

Autor Batz kam 1991 erstmals in die Speicherstadt

Autor Batz kam 1991 erstmals in die Speicherstadt. Für das heutige Weltkulturerbe interessierte sich damals kaum jemand. 1994 gründete er das Theater in der Speicherstadt, in dem der „Hamburger Jedermann“ aufgeführt wird. Eines Tages entdeckte Batz bei Proben Pfefferkörner im Holzboden. Es war die Initialzündung, der Geschichte und den Schicksalen auf den Grund zu gehen.


„Speicherstadt Story“, 29,95 Euro, erhalten Sie in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32), online auf abendblatt.de/shop oder per Telefon unter 333 66 999. (Preise ggf. zzgl. Versandkosten) sowie im Buchhandel.