Hamburg. Im Prozess gegen drei mutmaßliche Mitglieder des IS hat ein Gericht in Hamburg einen 30-jährigen Algerier als Zeugen angehört.

Der Beamer wirft ein grobkörniges Bild an die Wand des Saals im Strafjustizgebäude, da sitzt Ismael H., mutmaßlicher Terrorist und Häftling in einem französischen Gefängnis. Er schaut scheu von unten in die Kamera, trägt kurze Haarstoppeln, Brille. „Ich werde beantworten, was ich beantworten kann“, sagt er schließlich. Der 30-jährige Algerier ist am Dienstag per Video-Livestream zugeschaltet – im Hamburger Prozess gegen drei mutmaßliche „Schläfer“ der Terrorgruppe IS, die vor fast genau einem Jahr im Hamburger Umland festgenommen worden waren. Technische Probleme und Bedenken des Zeugen erschwerten die Vernehmung jedoch.

Zunächst ist das Livebild aus Frankreich im Saal 288 des Strafjustizgebäudes am Dienstagvormittag gar nicht zu sehen – dann bittet der Vorsitzende Richter den Zeugen, von seiner Reise nach Europa zu erzählen. Die drei Angeklagten sollen laut Bundesanwaltschaft auf denselben Routen wie Ismael H. nach Europa gekommen sein, um hier möglicherweise Anschläge zu verüben. Seine Aussage könnte ihre Mitgliedschaft in der Terrormiliz belegen. Der Vorwurf der Anklage, dass die drei jungen Angeklagten wirklich gefährliche Islamisten sind, fußt vor allem auf Indizien.

Der Zeuge sagt, er habe einen Auftrag des IS gehabt

Er sei nach einer Waffenausbildung in Syrien im Herbst 2015 explizit nach Frankreich geschickt worden, sagt Ismael H. „Ich hatte einen Auftrag. Wenn der IS etwas befiehlt, dann macht man das auch“. Er habe in der IS-Hochburg Rakka 3000 Dollar in Bar und ein Handy erhalten, auf denen nur zwei Telefonnummern und der Messenger-Dienst „Telegram“ gespeichert waren. Mit drei weiteren Männern sollten sie sich als Flüchtlinge ausgeben und nach Frankreich begeben. Über seinen genauen Auftrag und seine Befehlsgeber will Ismael H. am Dienstag nicht sprechen. „Da sind sehr viele Leute bei Ihnen im Saal und ich habe Angst um mich“, sagt er in die Kamera.

Zunächst sei seine Gruppe mit einem Transporter in das türkische Izmir gefahren, wo er einen gefälschten Pass erhielt. Die Terrorgruppe IS habe ihm und den anderen Männern zudem den Kontakt zu einem Schleuser vermittelt, der sie für 1100 Dollar zunächst nach Griechenland brachte – denselben Weg sollen auch die Angeklagten genommen haben. Über Mazedonien, Serbien, Slowenien und Kroatien sei er zunächst nach Österreich gelangte Ismael H. nach eigener Aussage dann nach Österreich, wo er „Angst“ bekommen habe und sich Polizisten offenbarte.

Die drei Angeklagten will der Zeuge nicht erkannt haben

Zwei Islamisten aus der Gruppe von Ismael H. hätten sich später in Frankreich „bombardiert“, sagt Ismael H. laut Dolmetscherin. Im November 2015 hatte eine verheerende Anschlagserie Paris erschüttert, 130 Menschen starben. An dieser Stelle reißt im Saal am Dienstagvormittag zunächst das Videobild ab, die Ursache des Problems ist nicht schnell zu ermitteln. Am Nachmittag sollte die Vernehmung fortgesetzt werden.

Ismael H. wurde offenbar an Frankreich ausgeliefert, nachdem er sich in Österreich als IS-Mitglied zu erkennen gegeben hatte. Er wartet derzeit auf seinen Prozess. Zu Beginn seiner Befragung gab Ismael H. an, keinen der Angeklagten im Hamburger Prozess zu kennen.

In Stormarn Festgenommene sind laut Bundeswanwaltschaft Schläfer

Die drei Männer Ibrahim M. (19), Mohamed A. (26) und Mahir Al.-H. (18) folgten den Worten des Zeugen am Dienstag aufmerksam. Sie waren in Flüchtlingsunterkünften in Reinfeld, Ahrensburg und Großhansdorf festgenommen worden. Laut Bundesanwaltschaft sollten die jungen Männer, getarnt als Flüchtlinge, für den IS entweder "einen bereits erhaltenen Auftrag ausführen oder weitere Weisungen abwarten", so der Generalbundesanwalt.

In ihren Unterkünften waren die drei Männer jedoch sehr unauffällig, galten als lernwillig und aufgeschlossen. Die dünne Beweisbasis der Ankläger trotz langer Ermittlungen habe die Qualität von aneinander¬gereihten Behauptungen, kritisierte eine der Verteidiger. Möglicherwiese hätten die Ermittler unter politischem Druck gestanden.