Hamburg. Opposition, Mieter, Grundeigentümer und Steuerzahlerbund kämpfen gegen Senatspläne, bei allen Hamburgern zu kassieren
Der Gegenwind für Hamburgs grünen Umweltsenator Jens Kerstan wird schärfer: Im Rathaus hat sich am Montag ein Bündnis gegen die von ihm angekündigte neue Straßenreinigungsgebühr gegründet. Neben CDU und FDP kämpfen darin auch Mieterverein, Grundeigentümerverband, Steuerzahlerbund und der Immobilienverband IVD Nord gegen die Pläne, alle Hamburger von Januar 2018 an für ein neues Sauberkeitskonzept zur Kasse zu bitten (siehe Infokasten). Unter dem Motto „Straßenreinigungsgebühr gehört in die Tonne“ will die Allianz in der Öffentlichkeit gegen die Pläne des rot-grünen Senats mobilmachen, 27 Millionen Euro pro Jahr von den Hamburgern für die neue Gebühr einzunehmen.
„Für saubere Straßen zu sorgen, ist eine absolute Kernaufgabe des Staates“, sagte CDU-Fraktionschef André Trepoll. „Dafür zahlen wir Steuern. Allein bis 2020 nimmt der Senat über drei Milliarden Euro mehr ein als in der aktuellen Haushalts- und Finanzplanung vorgesehen. Jetzt eine zusätzliche Gebühr einzufordern, ist unanständig.“
Trepoll wies darauf hin, dass Hamburg auch durch die Abschaffung des Bezirklichen Ordnungsdienstes (BOD) dreckiger geworden sei. Für dieses „selbst geschaffene Problem“ dürfe man jetzt nicht die Bürger belasten. So werde Hamburg zur „Gebührenweltstadt“. Im von den Grünen regierten Stuttgart gehe man einen anderen Weg: Dort wolle man mithilfe der Steuereinnahmen für mehr Sauberkeit sorgen – durch Umschichtung. Trepoll warf SPD und Grünen vor, die für diese Woche vorgesehenen Beratungen im Bürgerschaftsausschuss auf nach der Bundestagswahl verlegt zu haben, um das Thema aus der öffentlichen Debatte zu halten.
„Die Reinigungsgebühr ist rot-grüne Bürger-Abzocke und muss gestoppt werden“, forderte FDP-Fraktionschefin Katja Suding. „Es ist völlig unverständlich, dass der Senat in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen die Bürger für die Selbstverständlichkeit einer sauberen Stadt noch einmal extra zur Kasse bittet. Außerdem treibt die neue Gebühr die in Hamburg ohnehin schon sehr hohen Mieten weiter nach oben.“ Der Hamburger Chef des Steuerzahlerbundes, Lorenz Palte, fragte: „Wenn die Stadt bei bester Konjunktur und nie da gewesenen Steuereinnahmen nicht mit ihrem Geld auskommt, wann dann?“ Neben Bettensteuer und P+R-Gebühren komme nun noch eine Reinigungsgebühr. „Der Senat scheint den Hals nicht voll zu kriegen. Die Müllgebühr ist eine schmutzige Sache und gehört in die Tonne.“ Zudem gebe es eine Diskussion über eine Reform der Grundsteuer, die zu einer Verzehnfachung der Kosten für Grundeigentümer führen könnte. In dieser Zeit dürften diese schon gar nicht zusätzlich belastet werden.
Torsten Flomm, Chef des Grundeigentümerverbands, wies darauf hin, dass es in vielen Stadtteilen gar kein Verschmutzungsproblem gebe, zumal die Bürger dort auch selbst für Sauberkeit sorgten. „Warum man denen auf die Pelle rücken muss, erschließt sich schon mal gar nicht.“ Zudem sei es „zutiefst unfair, wenn diejenigen Mieter und Eigentümer, deren Straßen ohne eigenes Zutun mehrfach in der Woche gereinigt werden müssen, auch noch doppelt zur Kasse gebeten werden.“
Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, kritisierte, dass der Senat mit der Gebühr bei den rund 700.000 Mieterhaushalten in Hamburg sieben Millionen Euro jährlich kassieren wolle. Das sei ein „Unding“, so Chychla. Ein sauberes Hamburg solle durch die Umschichtung der Haushaltsmittel und durch die Belastung der tatsächlichen Verursacher der fast täglichen Events in der Touristen-Metropole Hamburg werden.
Axel-H. Wittlinger vom Immobilienverband IVD Nord betonte, dass sich das Wohnen durch die Gebühr weiter verteuern werde. „Die Betriebskosten machen aktuell bereits rund 30 Prozent der Warmmiete aus und werden sich durch die Gebühr weiter erhöhen“, so Wittlinger. Grundeigentümerverbandschef Flomm sagte, man werde auch die Möglichkeit von Musterklagen prüfen. Die Linke beteiligt sich nicht am Bündnis – unterstützt aber die Kritik. „Der ach so mieterfreundliche Senat treibt mit dieser Gebühr die Nebenkosten für die Mieter weiter in die Höhe“, sagte Linken-Wohnungsbaupolitikerin Heike Sudmann. „Dabei können sie die Höhe dieser Kosten nicht einmal beeinflussen. Unsozialer geht es nicht.“
SPD und Grüne wiesen die Kritik zurück. „Wir alle wollen, dass unsere Stadt sichtbar sauberer wird, auch Mieter und Vermieter wollen das“, sagte SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal. „Damit die Sauberkeitsoffensive für alle sichtbar auf die Straße kommt, müssen alle einen Beitrag leisten.“ Grünen-Umweltpolitikerin Ulrike Sparr nannte die Belastung „überschaubar“ und warf der Opposition vor, keine eigenen Vorschläge für mehr Sauberkeit zu machen.
Seite 2 Leitartikel