Sie genossen die Stones, ohne dafür zahlen zu müssen

Es ist Viertel vor elf am Abend, Mick Jagger hat gerade „Satisfaction“ gesungen, als sich viele Zaungäste auf den Weg zur U-Bahn-Station Borgweg machen. „Jetzt kannst du erzählen, du warst 2017 dabei, als die ­Stones das letzte Mal in Hamburg waren“, sagt eine Mutter zu ihrem etwa achtjährigen Sohn. Die beiden bewegen sich mit der Masse die Otto-Wels-Straße entlang. Und darum ging es wohl vielen, die den Rolling Stones im Stadtpark zuhörten: Sie wollten dabei sein, wenn auch nicht mittendrin.

„Das hier ist doch auch viel besser als da drüben“, sagt Kerstin, die mit ihrer Freundin Ellen aus Niendorf gekommen war, und zeigt in Richtung Bühne. Da hinten sind die Stones, da sind 82.000 zahlende Besucher. Hier ist die Wiese vor dem Planetarium, es ist proppenvoll, als das Konzert beginnt. Und hier spielt die Musik, etwas leiser zwar, dafür nicht weniger stimmungsvoll.

Sektflaschen machen die Runde. Baguettes, Salat und Salzstangen liegen bereit. Dass die Kälte mit dem Sonnenuntergang nach oben zu kriechen beginnt, stört nicht. Hier sind sie darauf eingestellt, haben sich wie Ellen in Decken eingekuschelt und es sich in ihren Campingstühlen gemütlich gemacht. „Das sind die Momente des Lebens“, sagt Kerstin. Momente, bei denen die Hamburger dabei sein wollen.

Nach „Satisfaction“ mit dem Rad nach Niendorf

Auf der Wiese tanzt ein alter Mann im Trenchcoat, als von der Bühne „Honky Tonk Woman“ herüberschallt. Komisch? Nein. „Yeah“, rufen ihm zwei ältere Damen zu und beginnen ebenfalls ihre Schritte dem Takt der Musik anzupassen. So muss es doch auch sein an einem Tag wie diesem. Deshalb sind sie ja gekommen. Als „Start Me Up“ erklingt, steht Ellen aus ihrem Campingstuhl auf und wirft die Wolldecke zur Seite. Sie muss tanzen. Noch auf „Satisfaction“ warten, dann kann es mit dem Rad wieder nach Niendorf gehen. Die Tickets ab 105 Euro waren ihnen und vielen anderen zu teuer.

Während Mick und Co. draußen gut zu hören sind, scheint das Konzertpublikum verstummt. Nichts ist von ihr zu hören, von der Stimmung vor der Bühne. Das macht es jenseits der Absperrgitter zu einem eher ruhigen Rockspektakel. Nicht nur im Stadtpark hören sie den Stones zu: In ihrer Winterhuder Wohnung läuft bei Anna und Christian Struck im Fernsehen die Übertragung der Cruise Days samt Feuerwerk, von draußen hören sie gerade „Under My Thumb“. Sie haben Verwandte zum ­Sushiessen da und verfolgen das Konzert durch das geöffnete Wohnzimmerfenster. Ach, Hamburg, hier ist was los!

Die Stones, nur wenige Meter entfernt. Wie toll muss es sein, ihnen drinnen ganz nah zu sein? „Aber die Stimmung draußen ist besser“, sagt Benedikt Schütt im Biergarten Sierichs hinter der Bühne. Trotz seiner 21 Jahre mag er die Musik. So gut die Stimmung im Biergarten ist, von den Stones ist kaum etwas zu hören, und so ziehen viele Besucher enttäuscht ab. Benedikt und seine Freunde gehen in Richtung Planetarium.

Dort hatte sich bereits am frühen Abend Rainer Steenbuck und seine Laufgruppe eingerichtet. Er hat beim Pink-Floyd-Konzert 1989 im Stadtpark als Ordner gearbeitet und weiß noch, wie ramponiert das Gelände danach war.

Ganz so schlimm ist es am Tag danach nicht. Müll liegt noch herum, aber das große Chaos blieb wohl aus.