Mit Kruse und Kahrs brachten ein Christ- und ein Sozialdemokrat der Stadt einen Geldsegen. Özoguz sitzt als Staatsministerin mit am Kabinettstisch von Merkel

Die Hamburger Abgeordneten sind im Deutschen Bundestag im Grunde ein versprengter Haufen. Die Hansestadt konnte nach der Wahl am 22. September 2013 gerade einmal 13 der 630 Parlamentarier in das Hohe Haus entsenden. Neben der Fraktionszugehörigkeit spielt durchaus die Herkunft der Abgeordneten eine Rolle, schließlich geht es nicht zuletzt auch darum, möglichst viel für den eigenen Wahlkreis und die eigene Region oder Stadt „herauszuholen“.

Traditionell geben die Nordrhein-Westfalen vor allem bei den Sozialdemokraten den Ton an, die Bayern in der Union sowieso, aber auch die Baden-Württemberger. Um sich Gehör und Einfluss zu verschaffen, müssen die Abgeordneten zum Beispiel aus den vergleichsweise kleinen Stadtstaaten Bündnisse schmieden. Wie das gehen kann, haben in der 18. Wahlperiode, die am Mittwoch mit der letzten Sitzung des Bundestages zu Ende gegangen ist, die beiden Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) geradezu exemplarisch bewiesen. Ein wahrer Geldregen ging auf die Stadt nieder, weil „KuK“, wie Kahrs und Kruse auch genannt werden, ein ums andere Mal an einem Strang zogen – Parteizugehörigkeit hin oder her.

Der größte Coup gelang dem schwarz-roten Duo wohl Ende 2015, als der Bundestag 120 Millionen Euro für ein neues Hafenmuseum in Hamburg bewilligte. Spektakulärstes Exponat wird die Viermastbark „Peking“, für deren Rücktransport aus New York im Juli und grundlegende Sanierung (läuft derzeit in der Wewelsflether Peters-Werft) allein 26 Millionen Euro bereitgestellt wurden. Aber Kahrs und Kruse machten auch 18,5 Millionen Euro für die Wiedereröffnung des Fernsehturms (jetzt muss die Eigentümerin Deutsche Funkturm GmbH nur noch einen Betreiber finden) „locker“ – oder 13 Millionen Euro für die Sanierung der Gewächshäuser in Planten un Blomen und zehn Millionen Euro für die Sanierung der Laeiszhalle.

Kahrs und Kruse sitzen gewissermaßen an der Quelle: Beide gehören dem mächtigen Haushaltsausschuss des Bundestages an. Dort ist mit der Grünen-Abgeordneten Anja Hajduk übrigens noch eine weitere Hamburgerin vertreten, die wie Kahrs über exzellente Kontakte in den rot-grünen Senat verfügt, der ja im Zweifel für das eine oder andere vom Bund finanzierte Hamburger Projekt Geld in gleicher Höhe zuschießen muss (wie zum Beispiel beim Fernsehturm).

Nun ist die geschickte und erfolgreiche Akquirierung von Geld aus dem Bundesetat zum Wohle der Stadt die eine Sache, der konkrete politische Einfluss an den Schaltstellen der Macht die andere. Und da kann einem Hamburger beim Blick in die Vergangenheit schon etwas wehmütig werden. In der alten Bonner Republik saßen Hamburger Politiker über Jahrzehnte buchstäblich in der ersten Reihe.

Zwei Hamburger Politiker sind außenpolitische Sprecher

Allen voran natürlich Helmut Schmidt oder „Schmidt-Bergedorf“, wie der frühere Bundeskanzler (1974 – 1982) nach seinem Wahlkreis im Bundestag offiziell genannt wurde. Direkter „Nachbar“ von Schmidt war im Wahlkreis Hamburg-Harburg Herbert Wehner, langjähriger und legendärer „Zuchtmeister“ der SPD-Bundestagsfraktion. Wehner wurde von 1949 bis 1980 stets direkt im Wahlkreis gewählt. Sein Nachfolger war bis 2013 Ex-Bürgermeister Hans-Ulrich Klose, auch er zeitweise SPD-Fraktionsvorsitzender und damit einer der einflussreichsten Politiker im Bundestag. Die Liste ließe sich fortsetzen etwa mit dem früheren Verteidigungsminister Hans Apel (SPD, Wahlkreis Hamburg-Nord) oder Volker Rühe (CDU), auch er früherer Verteidigungsminister und Ex-Generalsekretär seiner Partei.

In der abgelaufenen Legislaturperiode saß immerhin eine Hamburgerin am Kabinettstisch der großen Koalition, sieht man einmal von der gebürtigen Hamburgerin Angela Merkel ab: Aydan Özoguz (SPD), direkt gewählt im Wahlkreis Hamburg-Wandsbek, ist Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration im Range einer „Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin“, so ihr offizieller Titel. Doch das Amt hat mehr Symbolcharakter, der konkrete Einfluss auf Merkel ist begrenzt, obwohl die Bereiche Flüchtlinge und Integration zwei der prägendsten politischen Themen der vergangenen vier Jahre waren.

Konkreten Einfluss nehmen Hamburger Abgeordnete als Fachsprecher ihrer Fraktionen: Marcus Weinberg aus Altona ist familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Der im Wahlkreis Eimsbüttel direkt gewählte Niels Annen hat das wichtige Amt des außenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion inne. Die gleiche Funktion hat Jan van Aken, der nicht erneut kandidiert, für die Linken-Fraktion ausgeübt.

Der erfahrene Dirk Fischer (CDU) verlässt das Parlament

Johannes Kahrs, im Wahlkreis Hamburg-Mitte direkt gewählt, verfügt über den größten Einfluss aller Hamburger Abgeordneten: Er ist nicht nur haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sondern auch einer der Sprecher des Seeheimer Kreises, des Zusammenschlusses des rechten Parteiflügels in der Fraktion. Mit dem Christdemokraten Dirk Fischer, der von 1989 bis 2014 verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion war, verlässt einer der erfahrensten Abgeordneten das Parlament. Fischer, der seit 1980 dem Bundestag angehört, ist nach Finanzminister Wolfgang Schäuble und Ex-Forschungsminister Heinz Riesenhuber (beide CDU) der „dienstälteste“ Bundestagsabgeordnete.

Ein öffentlich nicht sehr sichtbares, aber gleichwohl einflussreiches Amt bekleidet seit Kurzem Matthias Bartke (SPD), direkt gewählt im Wahlkreis Altona. Bartke ist seit Anfang 2016 Justiziar der SPD-Fraktion und trat damit die Nachfolge von Katarina Barley an, die damals SPD-Generalsekretärin wurde und inzwischen zur Familienministerin aufgestiegen ist. Bartke gehört als Justiziar dem geschäftsführenden Fraktionsvorstand der Sozialdemokraten an, gehört also zum engeren Führungszirkel um Fraktionschef Thomas Oppermann.

Auch wenn sich die regionalen Gewichte im Bundestag seit der Einheit verschoben haben und die Zeiten Helmut Schmidts und Herbert Wehners lange der Vergangenheit angehören – ganz ohne Einfluss ist die kleine Schar Hamburger Abgeordneter auch heute nicht.