Hamburg. In Hamburg müssen Käufer für eine 100-Quadratmeter-Wohnung aber schon 16 Jahresgehälter aufbringen. Experten warnen.

Über solche Immobiliengeschäfte kann Karl-Werner Hansmann nur den Kopf schütteln: In seinem Wohnumfeld, in Lokstedt, fand kürzlich ein Stadthaus mit einer Fläche von 160 Quadratmetern für 1,6 Millionen Euro einen Käufer. „Es werden Preise bezahlt, die unmöglich sind“, sagt der Wirtschaftsprofessor. Schon Anfang Februar hatte Hansmann im Abendblatt vor einer Immobilienblase gewarnt. Jetzt erneuerte er diese Warnung: „Das Preisniveau in Hamburg ist bereits ungesund hoch. Wir sehen den Beginn einer Preisblase.“

Dabei erwarten Experten des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) in einer Studie, die im Auftrag der Postbank erarbeitet wurde, langfristig weitere Verteuerungen. Real gerechnet steigen die Wohnungspreise in Hamburg demnach bis 2030 um durchschnittlich 0,9 Prozent pro Jahr. Nimmt man eine mittlere Inflationsrate von 1,5 Prozent an, entspräche dies somit einem nominellen jährlichen Preisanstieg von 2,4 Prozent. Käme es so, würde der Preisauftrieb der zurückliegenden Jahre allerdings zumindest deutlich gebremst. Denn zweistellige Zuwachsraten waren in der Hansestadt zuletzt nicht ungewöhnlich.

Günstige demografische Entwicklung

Außer der voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung haben die HWWI-Experten für Hamburg und die umliegenden Kreise verschiedene Faktoren wie die Anbindung an den Fernverkehr sowie die Ärzte- und Schuldichte unter die Lupe genommen. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass angesichts der im bundesweiten Vergleich günstigen demografischen Entwicklung insbesondere in Hamburg sowie im Landkreis Lüneburg und im Kreis Herzogtum Lauenburg mit realen Immobilienpreissteigerungen von annähernd einem Prozent pro Jahr oder mehr zu rechnen ist.

Vor allem in Hamburg seien Investitionen in Wohnraum aber „vorsichtig zu prüfen“, sagt Alkis Henri Otto, Wirtschaftsprofessor am HWWI und einer der Autoren der Studie. Denn der sogenannte „Vervielfältiger“ – eine Kennzahl, die angibt, wie hoch ein Kaufpreis im Vergleich zur jeweiligen Jahresmiete liegt – ist in der Hansestadt auf inzwischen 30,4 geklettert. Im Umland hingegen muss ein Wohnungskäufer nur ungefähr das 20-fache der jährlichen Kaltmiete bezahlen. „Im Grundsatz halten wir einen Faktor von etwa 20 für gerade noch angemessen“, sagt dazu Alexander Krolzig, Experte für Baufinanzierung bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Das Problem ist nur, dass man dafür hier in der Stadt keine vernünftige Immobilie mehr bekommt.“

Nicht nur die in der Postbank-Studie enthaltene Prognose deutet allerdings auf einen im Vergleich zu den Vorjahren künftig abgeschwächten Preisauftrieb hin. Marktdaten, die der Immobilienverband IVD am Montag veröffentlicht hat, weisen in die gleiche Richtung. Demnach hat die Dynamik der Verteuerung in den deutschen Me­tropolen etwas nachgelassen: Während im bisherigen Jahresverlauf die Preise für Bestandsimmobilien in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern um durchschnittlich 7,75 Prozent zulegten, lag die entsprechende Teuerungsrate vor einem Jahr noch bei 9,71 Prozent. „Es ist allmählich zu spüren, dass sich dort die Preise im Bestand nicht grenzenlos nach oben bewegen können“, heißt es in dem IVD-Bericht.

Manche Experten fragen sich jedoch, ob das Preisniveau nicht schon viel zu hoch ist. Das glaubt nicht nur Karl-Werner Hansmann. So schätzt die Bundes­bank, dass die Haus- und Wohnungs­preise in den Städten bereits 2016 um 15 bis 30 Prozent über­höht waren. Harald Simons, Vorstand des Forschungs­instituts Empirica und Mitglied im Rat der Immobilien­weisen, wird noch deutlicher: „Die Preise in den Top-A-Städten haben nunmehr ein Niveau erreicht, das fundamen­tal in keiner Weise mehr zu recht­fertigen ist“, sagte er der „Stiftung Warentest“.

Auch das Niedrigzinsumfeld spielt eine Rolle

Zwar sei die Nachfrage in Hamburg noch immer hoch genug, um die Immobilienpreise vielleicht bis zum Jahr 2020 weiter nach oben zu treiben, sagt Hansmann. „Aber schon heute steht vor allem der ,Herdentrieb‘ dahinter, wobei auch das Niedrigzinsumfeld eine Rolle spielt.“ Und bis die Zinsen wieder spürbar klettern, werde es vor­aussichtlich noch zwei oder drei Jahre dauern, erwartet Hansmann. Dann aber könne es mit den Preisen für Häuser und Wohnungen in Hamburg durchaus auch wieder abwärts gehen.

Bereits seit 2010 legten die Häuserpreise klar schneller zu als die Mieten, die verfügbaren Einkommen der Haushalte und die Verbraucherpreise, erklärt Commerzbank-Analyst Marco Wagner. Nach seiner Einschätzung sind daher Wohnimmobilien in Deutschland aktuell schon um zehn Prozent überbewertet. Je länger der Boom dauere, um so größer werde das Rückschlagpotenzial. „Noch sehen wir am Immobilienmarkt keine gefährliche Blase“, so Wagner. „Aber das Risiko ist real, dass sich dies in ein paar Jahren ändert.“