Hamburg. Häufig haben Fahrgäste in Hamburg unter Störungen zu leiden. Die Bahn steuert dagegen – und schafft auch neue, klimatisierte Züge an.

„Züge zum Anfassen“: Mit diesem griffigen Titel wirbt die Hamburger S-Bahn für ihren „Tag der offenen Tür“ am heutigen Sonnabend im Instandhaltungswerk in Ohlsdorf. Den Besuchern wird ein Blick in die Zukunft versprochen: die neue Fahrzeuggeneration, die in den kommenden Jahren auf dem rund 147 Kilometer langen Hamburger S-Bahn-Netz rollen soll.

Doch vielen der täglich mehreren Hunderttausend Fahrgästen wäre es wohl lieber, wenn sie Züge sehen würden, die schon jetzt tatsächlich fahren. Gefühlt zeichnet sich Hamburgs S-Bahn durch verspätete Züge und übervolle Waggons aus. Wer Tag für Tag zu Stoßzeiten zwischen der Innenstadt und Harburg die S 3 nutzen muss, kann ein Lied davon singen.

Vor allem in den vergangenen Monaten – zuletzt vor einigen Tagen – machte die Hamburger S-Bahn Schlagzeilen mit Zugausfällen, Pannen und einem Kabelbrand im City-Tunnel, der gleich mehrere Züge zum Stillstand brachte. Mal sind ausgefallene Signalanlagen die Ursache der Störung, mal sind es nicht funktionierende Weichen.

S-Bahn nahm 1906 ihren Betrieb auf

Seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts rollen elektrische Stadtschnellbahnen durch Hamburg. Am 5. Dezember 1906 eröffnete die preußische Eisenbahndirektion Altona unter der Bezeichnung Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn den Personenverkehr zwischen den Städten Blankenese, Altona und Hamburg – allerdings noch mit von Dampfloks gezogenen Zügen.

--Die Geschichte der S-Bahn --

Die ersten mit Strom betriebenen Züge kamen am 1. Oktober 1907 zum Einsatz. Dieses Datum gilt als eigentliche Geburtsstunde der Hamburger S-Bahn. Inzwischen bietet das Unternehmen mit seinen 164 Zügen täglich bis zu 1200 Fahrten an. Im vergangenen Jahr transportierten die Hamburger S-Bahn-Züge 277 Millionen Passagiere. Das sind bis zu 700.000 am Tag. Anlass für den Tag der offenen Tür ist die Gründung der S-Bahn Hamburg GmbH als Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn vor 20 Jahren.

Grund zum Feiern?

Ist das nun aber tatsächlich ein Grund zum Feiern? Oder ist die Leistung der Bahn-Tochter als Nahverkehrsunternehmen eher „eine Katastrophe“, wie Wieland Schinnenburg sagt? Der liberale Bürgerschaftsabgeordnete hat in der jüngeren Vergangenheit S-Bahn und Senat mit einer Reihe von Anfragen zum Thema S-Bahn und Pünktlichkeit traktiert.

Fragt man hingegen politisch unabhängige Experten, kommt Hamburgs S-Bahn gar nicht so schlecht weg. „Im Vergleich ist die Hamburger S-Bahn sehr viel zuverlässiger als andere S-Bahnen in Deutschland“, sagt etwa Karl-Peter Naumann, der beim bundesweit organisierten Fahrgastverband Pro Bahn besonders den Norden im Blick hat.

Die Berliner S-Bahn ist schlechter

Richtig vergleichbar sei die Hamburger S-Bahn allerdings nur mit der Berliner, sagt Naumann. Alle anderen S-Bahnen seien eher Regionalbahnen, die gemeinsam mit Fernbahnzügen die Gleise nutzten und daher schon deshalb störanfälliger seien. „Und Berlin ist in allen Punkten schlechter“, sagt Naumann.

Karl-Peter Naumann
Karl-Peter Naumann © Burkhard Fuchs

Die S-Bahn-Offiziellen verweisen – nicht ohne Stolz – auf die Entwicklung der Pünktlichkeit in den vergangenen Jahren. Nach einem „Einbruch“ auf 93,7 Prozent im Jahr 2015 liegt sie inzwischen bei 95,8 Prozent. Pünktlich gilt ein S-Bahn-Zug, wenn seine Verspätung unter drei Minuten liegt. Gemessen wird im Übrigen an allen Stationen in Hamburg und Schleswig-Holstein sowie in Buxtehude und Stade.

Mit ihrer Pünktlichkeitsquote von fast 96 Prozent und einer Zugausfallquote von rund einem Prozent steht die S-Bahn Hamburg tatsächlich gut da. Zumal viele Gründe für Verspätungen nicht in der Hand der S-Bahn liegen wie beispielsweise behördliche Maßnahmen oder Einsätze von Polizei und Rettungswagen infolge von „Fremdeinwirkungen“. Bei längeren Haltezeiten infolge hohen Verkehrsaufkommens sieht das schon anders aus.

Keine Bestnote

Deshalb will Karl-Peter Naumann von Pro Bahn auch keine Bestnote ausstellen. Er spricht stattdessen vom „Einäugigen unter den Blinden“. In Schulnoten ausgedrückt, würde er sagen: „Hamburg Zwei minus, alle anderen Drei bis Vier.“

Um einen Vergleich mit S-Bahnen in anderen Metropolen geht es Kritikern wie dem FDP-Politiker Schinnenburg allerdings auch nicht. Er stellt die Hamburger S-Bahn lieber der städtischen Hochbahn gegenüber, die in der Hansestadt Busse und U-Bahnen betreibt. Und dieser Vergleich geht nicht gut für die S-Bahn aus: Die Hochbahn schneide deutlich besser ab, sagt Schinnenburg.

Tatsächlich fallen laut Jahresstatistik die S-Bahn-Fahrten in Hamburg fast sechsmal so oft aus wie U-Bahn-Fahrten. Zudem sind die roten S-Bahn-Züge doppelt so häufig verspätet wie die U-Bahn-Züge. Angaben des rot-grünen Senats zufolge sind etwa fünf Prozent der S-Bahnen unpünktlich – bei U-Bahnen sind es nur 2,57 Prozent. Was den Ausfall der Züge angeht, so stehen dem einen Prozent der S-Bahn lediglich 0,16 Prozent der U-Bahn gegenüber.

Störungen leicht rückläufig

Warum und wann genau es bei der S-Bahn zu Störungen kommt, lässt sich aber offenbar nur schwer im Detail ermitteln. „Die S-Bahn Hamburg GmbH teilt mit, dass die Störungen bei der S-Bahn intern dokumentiert werden. Die Erfassung erfolgt allerdings nicht zu statistischen Zwecken“, heißt es beispielsweise in einer Antwort des Senats auf eine Anfrage des FDP-Politikers Schinnenburg.

Auch auf eine Abendblatt-Anfrage hin bleiben die Antworten nach der Entwicklung bei den Störungen eher allgemein. So heißt es auf die Frage nach der Tendenz in den vergangenen zehn Jahren, diese sei uneinheitlich, aber insgesamt leicht rückläufig. Allerdings: „Deutlich mehr als die Hälfte der Störungen entstehen durch externe Einflüsse wie etwa vermehrte Rettungswageneinsätze“, sagt Kay Uwe Arnecke, Geschäftsführer der S-Bahn Hamburg.

Sechs Linien teilen sich zwei Strecken

Eine Verschiedenheit gegenüber der U-Bahn kann die S-Bahn allerdings nicht ändern: Die von der Hochbahn betriebene U-Bahn hat im Großen und Ganzen für jede Linie eigene Gleise und eine eigene Infrastruktur. Bei der S-Bahn hingegen teilten sich sechs Linien zwei Innenstadtstrecken, „die am Hauptbahnhof und teilweise in Altona zusammenkommen“, so die S-Bahn.

Daraus ergibt sich ein ernstes Pro­blem. „Verspätungen einer Linie übertragen sich auf andere Linien.“ Damit aber ist die S-Bahn schon vom Ansatz her störanfälliger. S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke machte vor einigen Tagen denn auch Ausfälle an neuralgischen Punkten wie dem Hauptbahnhof für die massiven Auswirkungen auf den S-Bahn-Verkehr verantwortlich. „Das wird natürlich von den Fahrgästen anders wahrgenommen, als wenn beispielsweise in Poppenbüttel eine Weichenstörung auftritt“, sagt der S-Bahn-Chef.

Kay Uwe Arnecke
Kay Uwe Arnecke © Klaus Bodig

Personen im Gleis

Hinzu kommt, dass die S-Bahn – anders als die U-Bahn – in einem sogenannten offenen System, also über der Erde, unterwegs ist. „Deshalb kommt es öfter dazu, dass wir Personen im Gleis haben“, sagt Arnecke.

Um Störungen zu vermeiden, setzt die Bahn auf eine regelmäßige und vorbeugende Instandhaltung. Am Hauptbahnhof wurden beispielsweise die Weichen erneuert, das Stellwerk wird überholt, neue Signalanlagen werden installiert. Außerdem errichtet die Bahn seit einiger Zeit verstärkt Zäune, um die Bahnanlagen – auch vor unbefugten Personen – zu sichern.

Wer nach konkreten Summen für Sanierung und Neubau des S-Bahn-Netzes in den vergangenen Jahren fragt, bekommt eine ausweichende Antwort. Allerdings hatte die Deutsche Bahn im Frühjahr darüber informiert, dass allein in diesem Jahr in Hamburg und Schleswig-Holstein rund 170 Millionen Euro in die Modernisierung des gesamten Schienennetzes investiert werden sollen.

Millionen für Sanierung

Hinzu kämen rund 48 Millionen Euro für die Verschönerung von zehn S-Bahn-Stationen. Im Rahmen dieses Projekts werden alle unterirdischen Stationen saniert. Die Stationen Stadthausbrücke und Jungfernstieg sind bereits fertig. Mithilfe einer „Milchglas-Optik“ wurde dort ein heller, freundlicher Eindruck geschaffen, um das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu steigern.

Zudem umfassen die Arbeiten die neue Gestaltung von Wänden, Bahnsteigen und Zwischenebenen. So werden die Fliesen, die bisher die Wände der Stationen schmückten, abgeschlagen und durch einen Anstrich ersetzt. Das Ende all dieser Arbeiten ist für das Jahr 2020 geplant.

Allerdings, und darauf verweisen Kritiker seit Jahren, ist die Bahn nach wie vor ein schwerfälliges Unternehmen, das bei allen Anstrengungen (zu) lange für Veränderungen braucht. Die technischen Systeme der S-Bahn beispielsweise sind zu denen anderer Großstädte oft nicht kompatibel, was einen Austausch erschwert. Manchmal dauert es Jahre, bis neue Teile wie etwa zusätzliche Weichen verbaut werden können. Zudem werden die wichtigen Investitionsentscheidungen noch immer in der Bahnzentrale in Berlin getroffen.

Moderne Züge

Die Hoffnungen der Bahn ruhen nun auf modernen S-Bahn-Zügen. Im Gegensatz zu älteren Fahrzeugen seien die neuen, mit Technik vollgestopften Geräte weniger störanfällig, erklärt die S-Bahn auf Nachfrage. Auch von Lieferschwierigkeiten will man nichts wissen. „Wir gehen davon aus, dass die 60 neuen Züge der Baureihe 490 bis Ende nächsten Jahres wie geplant von der Firma Bombardier ausgeliefert werden.“

Das hat vor einigen Monaten noch anders geklungen, als es hieß, der „aktuelle Terminplan werde mit den Fahrzeuglieferanten aktualisiert“. Jetzt ist man zuversichtlich, nach dem Fahrplanwechsel im Dezember 2018 die neuen Züge einsetzen zu können.

Freundlichere Ausstattung

Die besondere Bedeutung der Modernisierung liegt für die Bahn nicht nur im wirtschaftlichen Bereich. Die jeweils 5,5 Millionen Euro teuren Züge, die bei dem Fahrzeugbauer Bombardier in Hennigsdorf bei Berlin produziert werden, wirken freundlicher und haben mehr Fahrkomfort. Zwischen den einzelnen Wagen gibt es Übergänge, der Zug ist also durchgängig begehbar. Erstmals werden die Fahrgasträume klimatisiert und mit Monitoren ausgestattet sein, auf denen Anschlusszüge oder Störungen in Echtzeit angezeigt werden.

Dem FDP-Politiker Wieland Schinnenburg reicht das nicht. Ihn stört, dass „die S-Bahn nicht fähig oder nicht willens ist, die häufigen Störungen auch ordnungsgemäß zu dokumentieren“. Sie und der rot-grüne Senat hätten zudem nichts unternommen, um erneute Störungen zu vermeiden.

Das will der Verkehrsexperte der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Ole Thorben Buschhüter, natürlich nicht so stehen lassen. S- und Hochbahn ließen sich schlecht vergleichen. Als eigentliches Problem hat der Sozialdemokrat deshalb Zustand sowie Belastung von Schienen, Signalanlagen und Weichen ausgemacht. Um diese Infrastruktur angesichts ihrer Störanfälligkeit zu verbessern, strebe der Senat ein Maßnahmenpaket an, das die Bahn umsetzen müsse.

Geplant ist beispielsweise, die Stromversorgung im Hauptbahnhof so zu verbessern, dass bei einem Stromausfall dort zumindest der nächstgelegene Bahnhof noch erreichbar bleibt. Derzeit führt ein Stromausfall am Hauptbahnhof dazu, dass viele Haltepunkte im Netz nicht mehr angefahren werden können – der Verkehr also flächendeckend zum Erliegen kommt.

Probleme bei Signalen und Weichen

Hamburg fordert zudem zusätzliche Weichen und Signale, um die Flexibilität des S-Bahn-Netzes zu erhöhen. Damit wären auch die Folgen einer Störung an einem Ort besser in den Griff zu bekommen, weil sie keine so große Wirkung haben würde. Mehr Weichen und Signale würde sich besonders positiv auf Hamburgs meistbefahrene S-Bahn-Strecke zwischen dem Hauptbahnhof und Harburg (S 3) auswirken. Innerhalb einer Stunde könnten dann einfach mehr Züge fahren.

Bis auf einige neue Zäune ist von diesen Maßnahmen allerdings noch nicht viel umgesetzt. Auch bei der Finanzierung hakt es. Doch der SPD-Politiker Buschhüter gibt sich zuversichtlich. „Die Bahn hat das Problem erkannt – nur etwas schneller könnte es gehen, das stimmt“, sagt er.