Altstadt. Johann S. hatte zwei Hamburgerinnen beim Suizid geholfen – Urteil im Oktober
Vor der Großen Strafkammer des Landgerichts hat am Donnerstag der Prozess gegen den Sterbehilfe-Arzt Johann S. (75) aus Datteln (NRW) begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Totschlag vor (Az 3490 Js 76/12). Zwei Hamburger Frauen im Alter von 81 und 85 Jahren hatten im Beisein des Arztes am 10. November 2012 ein tödlich wirkendes Medikament eingenommen. Dieser habe keine Rettungsmaßnahmen veranlasst, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Der Suizid der Frauen sei von S. missbraucht worden, um einen Präzedenzfall für die Sterbehilfe-Debatte zu haben. S. arbeitet für den Verein Sterbehilfe Deutschland des früheren Justizsenators Roger Kusch (CDU). Mit einem Urteil wird im Oktober gerechnet.
Vorgeworfen wird dem Neurologen und Psychiater auch, dass er die beiden Frauen falsch beraten habe. Er habe bei seinen Gesprächen nicht auf Alternativen zum Suizid hingewiesen, so die Staatsanwältin. Beide Frauen hätten sich vor der Unterbringung in einem Pflegeheim und dem Schwund ihrer finanziellen Rücklagen gefürchtet. Sie waren zwei Jahre vor ihrem Tod in den Verein Sterbehilfe eingetreten und hatten den Wunsch nach einem Suizid geäußert. Für 2000 Euro hatte S. ein psychiatrisches Gutachten angefertigt.
Verfahren gegen Ex-Senator Kusch wurde eingestellt
Die Staatsanwaltschaft hatte bereits im Mai 2014 Anklage gegen Kusch und den Mediziner wegen gemeinschaftlichen Totschlags erhoben. Das Schwurgericht hatte einen Prozess gegen beide im Dezember 2015 abgelehnt. Nach den Ermittlungsergebnissen sei ihr Vorgehen zwar „ethisch fragwürdig“, aber nach der damals geltenden Rechtslage nicht strafbar gewesen. Nach einer Beschwerde kam das Oberlandesgericht im Juni 2016 zu dem Schluss, dass eine Verurteilung von Kusch sehr unwahrscheinlich sei. Das Verfahren gegen den Mediziner S. sei jedoch geboten.
Gleich zum Auftakt sprachen sich sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft für einen Abbruch des Verfahrens vor dem Landgericht aus. Laute der Tatvorwurf „Totschlag“, sei das Schwurgericht zuständig, argumentierten beide. Das Landgericht setzte das Verfahren jedoch fort. Tenor des Oberlandesgerichtes sei gewesen, dass der Angeklagte wohl eher wegen versuchter Sterbehilfe durch Unterlassung verurteilt werden könnte, so der Vorsitzende Richter Matthias Steinmann.
Verteidiger Walter Wellinghausen machte zu Beginn der Verhandlung deutlich, dass hier politische und ethische Fragen im Vordergrund stünden. Er war beim Suizid der Seniorinnen offenbar beteiligt. Die Polizistin, die als Erste am Tatort eintraf, berichtete im Prozess, dass sie vor dem Haus von Wellinghausen empfangen worden sei.