Hamburg. Abgeordnete lehnen zum Auftakt der Aufklärung einen AfD-Antrag auf Ortstermin in dem linken Zentrum ab

Es war 17.30 Uhr am Donnerstag, als die Aufklärung der einschneidenden Ereignisse rund um den G20-Gipfel offiziell begann. Zu diesem Zeitpunkt beschloss der eigens dafür eingesetzte Sonderausschuss der Bürgerschaft seine Konstituierung. „Es wird Zeit, dass wir anfangen“, sagte FDP-Innenpolitiker Carl Jarchow und gab damit eine weit verbreitete Stimmung in der Stadt wieder.

Die erste Sitzung im Kaisersaal des Rathauses brachte zwar noch keine inhaltlichen Erkenntnisse. Beschlossen wurde aber ein „Fahrplan“, in welcher Reihenfolge welche Themen aufgearbeitet werden sollen und welche „Zeugen“ dafür infrage kommen. So sollen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Innensenator Andy Grote (SPD) sowie die Führung der Hamburger Polizei gleich mehrmals befragt werden. Auch Experten wie Verfassungsschützer, Extremismusforscher und Soziologen sollen um ihre Einschätzung gebeten werden.

Beschlossen wurde auch bereits, dass der Ausschuss alle Akten bei den Behörden anfordert, die mit dem G20-Gipfel zu tun haben. Bernd Krösser, Staatsrat der Innenbehörde, sagte die Zulieferung zu, betonte aber bereits, dass es einige Wochen dauern könne, bis diese Unterlagen vollständig vorliegen werden.

Streit gab es über die Rote Flora: Die AfD hatte beantragt, dass der Ausschuss das seit 20 Jahren von Autonomen besetzte Zentrum der linken Szene am Schulterblatt besichtigen solle. „Wir wissen, dass die Rote Flora während des G20-Gipfels eine führende Kommunikations- und Rückzugsrolle gespielt hat“, sagte AfD-Innenexperte Dirk Nockemann und forderte: „Wir müssen zeigen, dass sich der Rechtsstaat nicht vorführen lässt. Ich möchte an die Quelle der Gewalt gehen.“

Alle anderen Fraktionen lehnten den Vorstoß jedoch ab. Dennis Gladiator (CDU) räumte zwar ein, dass die Flora eine „ganz entscheidende Rolle“ spiele, über die auch gesprochen werden müsse. Aber erst an „geeigneter Stelle“. Carl Jarchow (FDP) sagte, man brauche „Aufklärung statt PR-Maßnahmen“. Auch die Rote Flora werde irgendwann behandelt, aber sie stehe nicht im Zentrum der Aufklärung.

Martina Friederichs (SPD) sagte, erst solle eine öffentliche Anhörung im Schanzenviertel stattfinden, um „Vertrauen aufzubauen“, bevor über Konsequenzen gesprochen werde. Antje Möller (Grüne) betonte, es sei Sache der Polizei, Anhaltspunkte zu verfolgen, ob auch Personen aus dem Flora-Umfeld zu belangen seien. Die Besichtigung sei „eine der hübschen Ideen der AfD, aber kein inhaltlicher Beitrag“.

Rund um den G20-Gipfel im Juli war es an mehreren Tagen in Folge zu schweren Krawallen gekommen. Bereits am Anreisetag der Staats- und Regierungschef stießen etwa Mitglieder des Schwarzen Blocks und Polizisten bei der Demonstration „Welcome to Hell“ an der St. Pauli Hafenstraße zusammen. Am Freitagabend verbarrikadierten sich etwa 1500 größtenteils Vermummte auf dem Schulterblatt im Schanzenviertel, entzündeten Feuer, warfen mit Pflastersteinen auf Polizisten und plünderten mehrere Geschäfte, bis ein Spezialeinsatzkommando die Situation unter Kontrolle bekam.

Die Polizei spricht von mehr als 700 Beamten, die bei den Ausschreitungen verletzt wurden. Von linken Bündnissen heißt es, es seien auch „mehrere Hundert“ Demonstranten von Polizisten verletzt worden. Insgesamt wurden nach Polizeiangaben 186 Menschen festgenommen, gegen 55 dieser Personen zwischenzeitlich Haftbefehl erlassen. In ersten Gerichtsurteilen wurde ein G20-Gegner aus den Niederlanden wegen Flaschenwürfen auf Polizisten zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft, ein weiterer Demonstrant wegen des Mitführens von gefährlichen Gegenständen zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.

Auf der anderen Seite wurden beim Dezernat Interne Ermittlungen bereits rund 50 förmliche Ermittlungsverfahren gegen einzelne Polizisten wegen mutmaßlicher Übergriffe auf Demonstranten eingeleitet und mehr als 70 weitere Fälle geprüft. Auch gegen die Einsatzleitung um Polizeidirektor Hartmut Dudde wird wegen der Gesamtverantwortung für mögliche Polizeigewalt beim Gipfel ermittelt.

Auch fast zwei Monate nach dem G20-Gipfel sind noch wesentliche Aspekte nicht abschließend geklärt. Dazu gehört die Frage, warum es der Polizei nicht gelungen ist, die teils aus dem Ausland angereisten Mitglieder des Schwarzen Blocks schon früher und in höherer Anzahl festzunehmen.

Anwohner aus dem Schanzenviertel warfen Politik und Polizei zudem vor, ihr Quartier an jenem Freitagabend „geopfert“ zu haben und nicht frühzeitig eingeschritten zu sein. Die Polizei sprach dagegen von taktischen Erwägungen und verwies auf „Hinterhalte“ auf den Dächern des Schulterblatts, die ein schnelleres Eingreifen dann unmöglich gemacht hätten.

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