Hamburg. Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel sieht die Hansestadt insgesamt auf einem guten Stand. Lange Dauer gefährde Integration.

Vor zwei Jahren erreichte die Flüchtlingskrise in Hamburg ihren Höhepunkt – obwohl die Bilanz bei der Integration in Bildung, Arbeitsmarkt und Gesundheitswesen gemischt ausfällt, sieht Flüchtlingskoordinator Anselm Sprandel die Hansestadt insgesamt auf einem guten Stand. „Wir konnten im Gegensatz zu anderen Großstädten fast alle prekären Unterkünfte wie Baumarkthallen bereits schließen. Gleichwohl liegen große Aufgaben vor uns“, sagte Anselm Sprandel dem Abendblatt.

So bereiten etwa die sogenannten „Überresidenten“, die teils länger als ein Jahr in den Erstaufnahmen ausharren müssen, auch dem Flüchtlingskoordinator Sorge. Derzeit beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmen mehr als elf Monate – maximal drei Monate waren ursprünglich vorgesehen. In der Wissenschaft wird von sogenannten „Log-in-Effekten“ gesprochen, nachdem die Integrationsfähigkeit unter den langen Wartezeiten leide.

Große Anspannung und Frust

Bis Mitte 2018 will Sprandel nun alle diese Flüchtlinge in Folgeunterkünfte bringen, dazu sind weitere Kapazitäten nötig. „Wir sind viel in den Erstaufnahmen unterwegs und erleben dort auch Situationen von großer Anspannung und Frust. Das zeigt, dass die Zeit bei diesem Problem drängt“, sagt Sprandel. Er glaube aber nicht, dass die Schäden für die Integration irreparabel seien.

Als weitere Baustelle sieht der Flüchtlingskoordinator die vielen Flüchtlinge ohne sichere Bleibeperspektive, die sich de facto länger in Hamburg aufhalten werden. Wie das Abendblatt am Wochenende exklusiv berichtet hatte, sollen auch abgelehnte Asylbewerber nach der Bundestagswahl deutlich stärker gefördert werden – Bundeskanzlerin Merkel (CDU) hat auf Vorstoß von Bürgermeister Olaf Scholz eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet. „Ich unterstütze ausdrücklich, diesen Menschen bessere Integrationsmöglichkeiten zu bieten“, sagt Anselm Sprandel.

Neue Gruppen von Ehrenamtlichen

Der Flüchtlingskoordinator betont, dass die „soziokulturelle Integration“ der Flüchtlinge nicht politisch verordnet werden könne: „Sie entsteht im täglichen Kontakt der Geflüchteten und Einheimischen miteinander, den wir aber systematisch fördern wollen.“

Positiv sei etwa, dass sich im Umfeld der neuen Unterkünfte der „Perspektive Wohnen“ bereits neue Gruppen von Ehrenamtlichen formiert haben. Auch wenn sich das Niveau des Jahres 2015 nicht habe halten lassen, sei die Hilfsbereitschaft in Hamburg weiterhin sehr groß: „Das ist ein starkes Rückgrat für die Integration“, sagte Sprandel.