Hamburg. Das Hamburger Unternehmen Dievers Design verarbeitet auch alte Warnwesten, Neoprenanzüge und Blaumänner.

Auf dem Schlauch stehen will niemand. Auf dem Schlauch sitzen sei auch viel besser, behauptet jedenfalls Lis Evers, eine junge Hamburger Designerin, die aus ausgemusterter Feuerwehrausrüstung und ausrangierter Berufsbekleidung neue Produkte entwickelt hat.

Taschen und Rucksäcke aus alten Lkw-Planen gibt es längst, Möbel aus Bauschutt und Tischdecken, die früher mal ein Bettbezug waren auch. Die Idee mit den Feuerwehrschläuchen wurde vor ungefähr zwei Jahren geboren. Damals studierte die gebürtige Berlinerin Evers noch Umweltwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an der Leuphana Universität in Lüneburg. Der Ausgangspunkt war ein Praxisseminar zum Thema „Social Entrepreneurship“. Also über innovative, wirtschaftliche Konzepte, die geeignet sind, soziale und ökologische Probleme zu lösen.

Das Reservoir ist riesig

„Da ist der gesamte Bereich der Ressourcennutzung oder vielmehr -verschwendung natürlich ein spannendes Feld“, sagt die 25 Jahre alte Wahlhamburgerin, die seit dem Ende ihres Studiums in Ottensen lebt und arbeitet. Upcycling liegt im Trend. Das Bestreben, aus ausrangierten Dingen Neues, Werthaltiges entstehen zu lassen, treibt viele Kreative um. Zumal längst nicht alles, was schnell mal auf dem Müll landet, tatsächlich gänzlich unbrauchbar und nicht mehr „zu retten“ ist.

So wie eben Feuerwehrschläuche, Warnwesten, Neoprenanzüge, Blaumänner oder Küchenschürzen. Das Reservoir ist riesig. Denn Sicherheitsbestimmungen und Gebrauchsregeln führen dazu, dass Ausrüstungsgegenstände der Feuerwehr und auch Arbeitsschutzbekleidung regelmäßig ausgetauscht werden müssen.

Strategische Weiterentwicklung

Für Lis Evers sind sie zum „Stoff ihrer Träume“ geworden: Sie entwarf für ihre Marke Dievers Design unter anderem Turnbeutel, Rucksäcke und sogenannte Utensilos, also Behälter etwa für Stifte oder Krimskrams. Jüngst auch Hocker und Liegestühle. „Jedes Produkt ist geprägt von klaren Linien, die Formsprache lebt von der Konzentration auf das Essenzielle“, sagt Evers im geradezu perfekten Marketingsprech der Designerbranche. Das also kann sie auch.

Schon während des Studiums scharte die Initiatorin kompetente Kommilitonen und Freunde um sich. Heute stützt sie sich vor allem auf ein Trio: die Kulturwissenschaftlerinnen Annika Gelpke und Laura Lüers sowie den Wirtschaftspsychologen Jan Felix Bock. Gemeinsam kümmern die vier sich um die strategische Weiterentwicklung des Projekts, organisieren die Teilnahme an Messen und öffentlichen Auftritten wie bei der Altonale und werben in sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram für ihre Idee.

Crowdfunding-Kampagne noch bis Ende August

Social Entrepreneurship bedeutet für das Dievers-Team auch, bei der Herstellung der Produkte soziale Verantwortung zu übernehmen. So stehen als Kooperationspartner für die Produktion der handgefertigten Produkte mit den Elbe-Werkstätten in Harburg, dem Werkforum in Kiel und dem SOS-Hof Bochum in Amelinghausen (Landkreis Lüneburg) drei Einrichtungen bereit, in denen vorrangig behinderte Menschen lernen und arbeiten.

Die Prototypen sind längst gefertigt und getestet. Nun steht Dievers Design vor dem Marktstart. Um die ersten Produkte in Stückzahlen zwischen 15 und 25 Exemplaren produzieren lassen zu können, hat das Label auf der Plattform Startnext Mitte Juli eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, die Ende August ausläuft (www.startnext.com/dieversdesign). 7000 Euro braucht das Team für den „scharfen Start“. Bis Sonntagnachmittag waren mehr als 3700 Euro zugesagt.

Gesamtsumme muss zusammenkommen

Unterstützer können das Start-up mit frei gewählten Beträgen fördern. Zu Summen zwischen 25 und 400 Euro können sie sich aber auch gleich Produkte aus der Kollektion sichern. Für 25 Euro gibt es etwa den Kleinen Universal Helden, ein Utensilo für Stifte, Küchenkräuter oder Krimskrams aller Art. Für 89 Euro bekommt man die Rucksäcke in Orange, Blau oder Schwarz, die zehn orangefarbigen waren allerdings schon ausverkauft. Und auch die Hocker aus geölter Buche und bedruckten Feuerwehrschläuchen (120 Euro) fanden bereits eine Reihe von Käufern. Im Liegestuhl mit einem Holzgestell aus sibirischer Fichte ruht man für 220 Euro.

Die Kampagne wird allerdings nur ein Erfolg, wenn die Gesamtsumme zusammenkommt. Ansonsten geht das Geld an die Unterstützer zurück. Lis Evers weiß, dass es ein steiniger Weg ist, das „Baby“ zum Laufen zu bringen. „Doch wir haben einen langen Atem“, sagt sie.