Hamburg. Vor 20 Jahren wurde die Neubebauung auf den Weg gebracht. Oberbaudirektor Kossak sah ein Juwel entstehen.

Wer sich heute am Fischmarkt auf St. Pauli zu Fuß auf den Weg in Richtung Westen bis zum Augustinum macht, der hat einen wunderschönen Spaziergang vor sich. Vor allem hinter dem Kreuzfahrtterminal Altona, dann, wenn die Strecke direkt an der Kaikante zur Elbe entlangführt, erinnert fast nichts mehr an die jüngere Vergangenheit: an die gedrungenen Lagerhallen oder die vertäuten Flüchtlingsschiffe, die Anfang der 90er-Jahre für Tausende Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge zum ersten Wohnsitz in Hamburg wurden.

Stattdessen wechseln sich neue und restaurierte Gebäude ab. Weiter unten stehen seit wenigen Jahren in der „zweiten Reihe“ moderne Wohnhäuser. Lediglich die schmucklos-graue Tiefkühllagerhalle für Fisch stört das harmonische Bild und erinnert daran, dass hier im Fischereihafen ein wichtiger Standort der Fisch- und Hafenwirtschaft ist.

Für die Gebäude entlang des Elbufers hatte Hamburgs damaliger Oberbaudirektor Egbert Kossak (1936–2016) den Begriff „Perlenkette“ erfunden. Der Stadtplaner war es auch, der frühzeitig das Potenzial der Elblage Hamburgs erkannte. Neben der HafenCity gehörte die Wiederbelebung des Elbufers bis Neumühlen zu den wichtigsten Teilen seines Schaffens.

Viel Aufwand für den Lärmschutz

20 Jahre ist es nun her, dass die Senatskommission für Stadtentwicklung grünes Licht für Neubauten westlich und östlich des früheren Holzhafens am Elbufer und damit der Entwicklung der gesamten künftigen Perlenkette einen mächtigen Schub gab. Wenig später verabschiedete der Senat „Leitlinien zur Entwicklung des nördlichen Elbufers“, bei denen sich Hamburg unter anderem an New York orientierte.

Die Wiederentdeckung des nördlichen Elbufers hatte gut zwei Jahrzehnte zuvor begonnen. Seit Anfang der 80er-Jahre befreiten Stadtplaner den nördlichen Hafenrand Schritt für Schritt aus seiner bis dahin rein gewerblichen Abgeschlossenheit. So bezog man mehrere Gebäude aus der Gründungszeit des Fischereihafens in die Planungen ein. Kossak leitete kurz nach seinem Amtsantritt als Oberbaudirektor 1981 die Revitalisierung „des in vielen Teilen brachgefallenen nördlichen Elbufers“ ein. 1985 ­organisierte Hamburg ein international beachtetes Bauforum. „Rund 100 Architekten aus aller Welt entwickelten damals Ideen und Utopien für den Hamburger Hafenrand und hinterließen bei Hamburgs Bürgern, Politikern und Bauherren eine Vielzahl von Denkanstößen und Anregungen“, schrieb Kossaks Nachfolger Jörn Walter einmal.

Die Probleme, die bei der Errichtung der Neubauten auftauchten, waren vielfältig. Sie fingen beim Hochwasserschutz an und reichten über den Lärmschutz bis hin zu der Wahrung der Interessen der Fischereibetriebe.

Ein Problem, das später bei der HafenCity auftauchte und womöglich bei der künftigen Bebauung des Kleinen Grasbrooks auftauchen wird, gab es schon vor 20 Jahren: die Frage, wie mit dem vom Hafen verursachten Lärm umgegangen werden kann. Damals wie heute sind es Hafenunternehmer und die Wirtschaftsbehörde, die sich gegen Wohnungsbau in Hafennähe positionieren, weil künftige Bewohner sie mit Klagen gegen zu viel Lärm überziehen und den Betrieb der Hafenanlagen behindern könnten.

Gutachten sollte Konflikt entschärfen

Der Senat hatte in den 90er-Jahren ein Gutachten eingeholt, das helfen sollte, den Konflikt zu entschärfen. Am Ende lief es auf eine sogenannte Kerngebietsausweisung mit Wohnungsbau hinaus. „Für den Bauherrn aber bedeutet das höhere Kosten. Vorgehängte Glasfassaden sollen ermöglichen, dass die Fenster der Wohnungen trotz des Hafenlärms geöffnet werden können“, so das Abendblatt.

Alteingesessene Bewohner fürchteten wiederum – nicht zu Unrecht – die Gentrifizierung des Hafenrands und nutzten von Anfang an die Möglichkeiten, bei der Planung mitzureden. Inzwischen weist der Hafenrand zwischen Augustinum und Fischmarkt eine Vielfältigkeit und Gegensätzlichkeit auf – allerdings auch, was die Vermögensverhältnisse der Bewohner angeht.

In die Denkmalliste der Stadt eingetragen

Die sogenannte Halle D wurde im Juli 1992 in die Denkmalliste der Stadt eingetragen. Das Industriegebäude war zwischen 1990 und 1992 als erster alter Speicher auf dem Gelände umgebaut und einer neuen Nutzung übergeben worden. 1996 wurde die ehemalige Mälzerei zum Stilwerk umgebaut und aufgestockt. Ebenfalls 1996 erfolgte die Renovierung des nebenan gelegenen Elbspeichers. Am anderen Ende der Perlenkette hatte man bereits Anfang der 90er-Jahre das frühere Union-Kühlhaus in das Wohnstift Augustinum umgebaut.

Die in den 60er-Jahren erbaute Fischkühlhalle III wurde von 1998 bis 1999 zum Elbkaihaus umgebaut und wird seit seiner Fertigstellung als Bürogebäude genutzt. Es schließt sich in westlicher Richtung direkt an das berühmte Fischereihafen Restaurant an. Das sogenannte Maschinenhaus, das im Westen an die ehemalige Halle III anschließt, wurde im Sommer 2003 saniert und weitgehend umgebaut.

Streit mit Anwohnern um die Vollendung des Projekts

Das sicherlich markanteste Gebäude ist das Dockland – sechs Geschosse hoch ragt es, einem Schiffsbug ähnlich, in die Elbe hinein. Es besitzt die Form eines Parallelogramms. Für seine einzigartige Lage „in der Elbe“ wurde das Grundstück Ende 2002 extra aufgeschüttet. Die Einweihung des von den Architekten Bothe Richter Teherani entworfenen Gebäudes fand am 31. Januar 2006 statt. Besonders attraktiv sind die 500 Qua­dratmeter große Dachterrasse und die beiden dorthin führenden Freitreppen.

Nach der Jahrtausendwende entstand auch das 645 Meter lange und 37 Meter breite Bauwerk der sogenannten Poldergemeinschaft. Auf einem erhöhten Terrain wurden vier U-förmige Büro- und Wohngebäude errichtet, zwischen denen Treppen angelegt wurden.

Mit Abriss der Kühlhallen IV und V und der Neubebauung der Fläche soll die „Perlenkette“ nach mehr als 20 Jahren vollendet werden. Allerdings zieht sich das Projekt hin. Streit gibt es vor allem um die Höhe. So fürchten Anwohner, dass Spaziergängern, die vom Altonaer Rathaus kommen, der wunderschöne Blick auf die Elbe verbaut wird.