Hamburg. Polizeitaucher bergen grausigen Fund aus der Bille. Bei Hamburgs Prostituierten geht die Angst um
Am Billufer in Horn hat ein Fußgänger am Dienstagmittag eine schreckliche Entdeckung gemacht: Er fand den Kopf der zerstückelten Frauenleiche, von der in den vergangenen Tagen bereits zehn Körperteile geborgen worden waren – einige viele Kilometer voneinander entfernt. Das Opfer ist wahrscheinlich eine 48 Jahre alte Prostituierte aus Afrika.
Der Fußgänger hatte den Kopf im Kanal treibend gesehen. Er alarmierte die Polizei gegen 13.30 Uhr. Polizeitaucher, die gerade in der Nähe nach weiteren Leichenteilen suchten, bargen den Kopf, wie der Sprecher weiter berichtete. Sicher sei, dass es ein menschlicher und weiblicher Kopf sei. Verpackt in einem Beutel, der in einer schwarzen Wanne lag, wurde das Körperteil abtransportiert und ins Institut für Rechtsmedizin gebracht. Die Vermutung sei da, dass der Kopf zu der Leiche der 48 Jahre alten Prostituierten gehöre – abschließend müsse das aber eine Untersuchung in der Rechtsmedizin ergeben, sagte ein Sprecher der Polizei am späten Nachmittag. Sicherheit soll ein DNA-Schnelltest bringen.
Bereits seit dem Morgen waren zwei Tauchertrupps nahe der Borsig Brücke und der Liebigbrücke im Einsatz, um nach weiteren Leichenteilen zu suchen. Dabei bekam die Polizei auch Unterstützung von Kollegen aus Schleswig-Holstein.
Nach Angaben der Polizei wurden die Taucher um 13.14 Uhr fündig. Bei der Untersuchung des Gegenstandes in der Rechtsmedizin stellte sich jedoch heraus, dass es sich nicht um ein Leichenteil handelt. Weil die Taucher an der Borsig Brücke gerade im Einsatz gewesen waren, wurden sie gerufen, um den Leichenkopf am nahegelegenen Billufer zu bergen.
Mit dem Kopf sind nun elf Körperteile gefunden worden
In den letzten zwei Wochen waren immer wieder Spaziergänger und Bootsfahrer auf Leichenteile gestoßen. Die Polizei geht davon aus, dass der Täter sein Opfer nicht nur zerstückelte, sondern die sterblichen Überreste gezielt über die Gewässer der Stadt verteilte. Das erste Körperteil war am 3. August am Rissener Elbstrand am Leuchtfeuerstieg aufgetaucht, der wegen der schönen Aussicht Camper anzieht.
Mit dem Kopf wurden nun bis Dienstag insgesamt elf als Leichenteile identifizierte Gegenstände geborgen. Sie lagen teils mehr als 20 Kilometer voneinander entfernt. Aus taktischen Gründen hat die Polizei bei vielen der Funde zunächst keine Angaben darüber gemacht, um welche Körperteile es sich handelt – das ist schließlich Täterwissen. Doch: „Es fehlen noch Körperteile“, sagt Polizeisprecherin Heide Uhde. Die Suche geht weiter.
Die Polizei gibt zu dem Fall nur wenige Details preis und sucht weiter nach Zeugen. Ein weißes Fahrzeug spiele eine Rolle, heißt es. Die Frau aus Äquatorialguinea habe Kinder und eine Zeit lang in Spanien gewohnt. Dort leben noch Angehörige, die inzwischen in der Hansestadt vernommen wurden. Die Frau soll zuletzt im Stadtteil St. Georg in der Nähe des Hauptbahnhofs als Prostituierte gearbeitet haben. Am 1. August wurde sie zum letzten Mal gesehen – zwei Tage vor dem ersten Fund.
Bei den Prostituierten in der Hansestadt geht unterdessen die Angst um. So spürt die Fachberatungsstelle Prostitution des Diakonie-Hilfswerks, Standort „Sperrgebiet St. Georg“ eine große Verunsicherung. „Diese Tat geht den Sexarbeiterinnen auch deshalb unheimlich nahe, weil sie unter ähnlichen Bedingungen in der gleichen Gegend wie das Opfer arbeiten und es auch sie treffen könnte“, sagt Projektleiterin Julia Buntenbach-Henke.
So geht es auch Christina (Name von der Redaktion geändert): „Ich habe zurzeit kein gutes Gefühl. Mittlerweile überlege ich zweimal, ob ich bei jemandem ins Auto steige“, sagt die Prostituierte. Trotz aller Angst gehe sie ihrer Arbeit beinahe täglich nach: „Wir raten den Frauen, nicht in Autos einzusteigen. Aber leider sind viele auf jeden Euro angewiesen. Deswegen verwerfen sie häufig ihre Bedenken und liefern sich selbst riskanten Situationen aus“, sagt Buntenbach-Henke.
Beratungsstelle warnt Prostituierte in Gesprächen
Es habe Kontakt zwischen der Beratungsstelle und der Polizei gegeben. „Wir haben die Frauen in Gesprächen gewarnt.“ Dabei hätten sie auch den weißen Wagen erwähnt. „Es ist so, dass einige Frauen auch in den Autos anschaffen, da kann man ja nachvollziehen, dass dieser Fall Angst macht.“ Jedoch fühlen sich nicht alle Frauen in St. Georg unsicher: „Ich habe keine Angst, weil ich nie länger als 17 Uhr arbeite“, sagt eine Prostituierte, die anonym bleiben will.
Die Polizei prüft derweil, ob es Parallelen zu anderen Verbrechen gibt. „Sogenannte Profiler schauen jetzt deutschlandweit und auch über die Grenzen hinweg, ob es ähnliche oder vergleichbare Fälle gibt“, erklärt Polizeisprecherin Heide Uhde. Sie versuchten zu ergründen, was für ein Typ der Täter sei. Und sie versichert: „Wir arbeiten mit Hochdruck.“ (hpjw/dpa )