Hamburg. ...dann ist Urlaubszeit – und im Senat hören die Sozialdemokraten ausnahmsweise einmal auf das Kommando einer Grünen.
Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) einige Gemeinsamkeiten in ihrem Politikverständnis aufweisen, ist kaum zu übersehen. Beide sind keine Schaufensterredner, schielen nicht auf kurzfristigen Geländegewinn in der öffentlichen Debatte und zeichnen sich insgesamt durch eine charakteristische Art von Ruhe aus, die manche mit einem alkokolhaltigen Getränk in Verbindung bringen. Ach ja, und dann ist da noch das extrem sparsame Mienenspiel, das beide gern zeigen.
Eine bislang unterschätzte Parallele zwischen Merkel und Scholz dürfte beider Vorliebe sein, mit ihren Partnern sommers in Südtirol zu wandern. Nun bietet sich die Bergwelt südlich des Alpenhauptkamms schon aus klimatischen Gründen für Gipfeltouren oder minder anspruchsvolle Etappen an. Grundsätzlich ist das Wetter mediterran freundlich, nur in der zurückliegenden Woche suchten starke Gewitter und Hagelschauer die Region heim. Während die brandenburgische Sozialministerin Diana Golze (Linke) während ihres Campingurlaubs in Norditalien von einem umstürzenden Baum schwer verletzt wurde, sind Scholz und Merkel dem Vernehmen nach wohlauf.
Südtirol ein Hotspot für Politikerferien
Nun könnte es für Scholz nach den dramatischen Ereignissen der zurückliegenden Wochen in Hamburg einen weiteren Grund geben, die Nähe der Kanzlerin zu suchen. Merkel hatte dem Bürgermeister nach den schweren Ausschreitungen vor und während des G20-Gipfels mit einer unmissverständlichen Solidaritätsbekundung kräftig Rückendeckung gegeben und allen Rücktrittsforderungen gerade auch aus den Reihen ihrer eigenen Partei zumindest vorerst den Schwung genommen.
Andererseits wäre eine Begegnung der beiden – selbst weit außerhalb der Kampfzone Berlin – angesichts des heraufziehenden Bundestagswahlkampfs denn wohl doch zu viel der Nähe und könnte zu Missinterpretationen führen. Scholz scheint im Urlaub ohnehin nicht viel Wert auf Aufeinandertreffen mit anderen Politikern zu legen. Eine zufällige Begegnung mit Justizsenator Till Steffen (Grüne) in einem früheren Jahr am Rande eines Südtiroler Schützenfestes führte jedenfalls nur zu einem kurzen Smalltalk der beiden Kabinettskollegen und ihrer Begleiterinnen.
Betrieb ferienbedingt auf Sparflamme
Dabei ist gerade Südtirol in diesem Jahr gewissermaßen ein Hotspot für Politikerferien. Nicht nur Steffen ist mit seiner Familie seit einer Woche wieder dort. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) erholte sich im deutschsprachigen Teil Italiens. Auch den Grünen-Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl, Cem Özdemir, hat es mit seiner Familie dorthin gezogen.
Scholz wird mit seiner Frau Britta Ernst noch rund zwei Wochen in Italien wandern und dem Rathaus fernbleiben. Doch auch wenn der Erste Bürgermeister außer Haus ist, läuft der politische Betrieb weiter, wenn auch ferienbedingt auf Sparflamme. Immerhin fünf der zwölf Senatsmitglieder trafen sich am Dienstag zur wöchentlichen Sitzung in der Ratsstube: Peter Tschentscher (Finanzen), Cornelia Prüfer-Storcks (Gesundheit), Melanie Leonhard (Soziales), Andy Grote (Innen, alle SPD) sowie als einzige Grüne die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank.
Bescheidene Tagesordnung
„Der Erste Bürgermeister eröffnet und schließt die Sitzung des Senats mit einem Hammerschlag“, so steht es in der Geschäftsordnung des Senats. Und wenn der Erste Bürgermeister nicht da ist, dann muss eben die Zweite Bürgermeisterin ran. Es kommt in Hamburg allerdings nicht häufig vor, dass vier Sozialdemokraten auf das Kommando einer Grünen hören. Nur die Ferien machen es möglich. Mit einem gekonnten Schlag auf die kleine grüne Lederunterlage leitete Fegebank die Abarbeitung der bescheidenen Tagesordnung ein.
Neben einer Änderung des Hamburgischen Geodateninfrastrukturgesetzes beschlossen die Senatoren unter anderem einen Gesetzentwurf, der es Hamburger Beamten unter bestimmten Bedingungen ermöglichen soll, auch Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zu werden. Nach nur zehn Minuten haute Fegebank wieder mit dem Senatshämmerchen auf die Unterlage, und die Sitzung war beendet. Auf die übliche gemeinsame Senatsvorbesprechung von SPD und Grünen, in der die aktuellen Themen häufig lebhaft und bisweilen auch kontrovers diskutiert werden, hatte das Quintett ohnehin verzichtet.
Rabe schwingt erstmals das Senatshämmerchen
Während Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) noch bis zum 21. August mit seinem Segelboot rund um Fehmarn kreuzt, macht Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) vor den Toren der Stadt in Schleswig-Holstein Urlaub. Tschentscher hat eine Woche Urlaub „in den Bergen“ schon hinter sich, und auch Grotes wegen des Barmbeker Anschlags ohnehin verkürzte Ferien an der Nordsee sind schon Geschichte.
Ansonsten steht in der Mitte der Sommerferien eine Art Staffelübergabe an: Senatorin Prüfer-Storcks reist an den Comer See und damit wenigstens in die Richtung von Scholz. Melanie Leonhard stellt räumlich mit die größte Distanz her und reist mit ihrer Familie nach Spanien. Bereits am heutigen Sonnabend fliegt auch Fegebank weit weg – für eine Woche auf die griechische Ägäis-Insel Kos – und tourt anschließend eine Woche durch Deutschland.
Legendärer Bausenator Eugen Wagner
Weil am kommenden Dienstag sowohl Scholz als auch Fegebank „ortsabwesend“ sein werden, wie es im Behördendeutsch feinsinnig heißt, kommt es zu einer Premiere: Schulsenator Ties Rabe (SPD) – gerade nach einer Woche Wandern im Harz (Überschwemmungen!) und einer Woche an der Ostsee (Sonne!) zurückgekehrt – wird als ältestes anwesendes Senatsmitglied die Sitzung leiten und das Senatshämmerchen schwingen. Vielleicht nimmt sich Rabe den legendären Bausenator Eugen Wagner zum Vorbild. Das SPD-Urgestein war ein Meister der politischen Schnörkellosigkeit („Über Selbstverständlichkeiten muss man nicht lange reden!“) und zog eine Senatssitzung einst in zweieinhalb Minuten durch.
Der Rekord steht – seit 18 Jahren.