Hamburg. Leichenteile in Rissen, Billbrook, Winterhude und Hammerbrook entdeckt. Kriminologe vermutet dahinter „strukturiert vorgehenden Psychopathen“

Der Mörder der vermissten Prostituierten aus St. Georg hat ihre Leiche offenbar nicht nur zerstückelt, sondern die menschlichen Überreste über die Stadt verteilt. Auch an den vergangenen beiden Tagen wurden in Hamburg weitere Leichenteile entdeckt, die der Afrikanerin zugerechnet werden.

Die Leichenteile, die zuletzt gefunden wurden, lagen erneut im beziehungsweise am Wasser. Diesmal im Goldbekkanal und an der Brandshofer Schleuse. Damit dürfte klar sein, dass jemand die Leichenteile gezielt über halb Hamburg verteilt. Vorher waren schon Teile der Toten am Elbufer in Rissen und am Billekanal in Billbrook entdeckt worden. Paddler hatten bereits am Dienstagnachmittag die Überreste eines Beins im Goldbekkanal in Höhe Poßmoorweg entdeckt. Gestern Nachmittag war es ein Spaziergänger, der ein weiteres Leichenteil an der Brandshofer Schleuse in Hammerbrook entdeckte. Dorthin fließt die Bille. Dabei soll es sich um einen Unterschenkel gehandelt haben. Die Leichenteile kamen in das Institut für Rechtsmedizin.

Durch einen Schnelltest soll geklärt werden, ob die menschlichen Überreste zu der vermissten 48 Jahre alten Frau gehören. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch. Schon vor einer Woche waren zwei Leichenteile – ein Oberschenkel und der Unterleib – in Rissen und am Montag der Torso der Frau im Tiefstackkanal entdeckt worden.

Der Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper von der Leuphana-Universität in Lüneburg glaubt an einen eiskalten, sehr strukturiert vorgehenden Täter. „Dieser Fall lässt noch sehr viel Raum für Spekulationen“, sagt Kemper. Dass die Frau das Opfer einer Bestrafungs­aktion im Milieu wurde, glaubt er nicht. „So ein Fall, vor allem die Vorgehensweise bei der Entsorgung der Leichenteile, verursacht zu viel Unruhe in der Szene.“ Auch dass ein Freier die Frau „aus Versehen“, beispielsweise bei bizarren Praktiken tötete, glaubt er nicht. „In so einem Fall gerät der Täter eher in Panik, weil er nicht damit gerechnet hat, dass so etwas passiert, und ist anschließend nicht zu einem strukturierten Vorgehen fähig.“ Kemper glaubt, dass hier ein Täter am Werk ist, der sein Vorgehen geplant hat. „Der Umgang mit der Toten ist sehr respektlos und zeugt von Verachtung“, sagt Kemper. Für die Entsorgung der Leichenteile muss sich der Täter Verpackungsmaterial bereitgelegt haben.

Mit mehr als einem Dutzend Leichenteilen, die insgesamt gefunden werden, wird gerechnet. Zudem ist die Zerteilung eines Toten aufwendig. „Ich gehe davon aus, dass die Tat selbst in einem geschlossenen Raum, vermutlich einer Wohnung, passiert ist und dort auch der Leichnam zerteilt wurde“, sagt Kemper.

Das passiere meistens in einer Badewanne. „Dafür bräuchte man mehr als ein Messer. Eine Leiche zu zerteilen erfordert einen enormen Kraftaufwand“, sagt der Kriminologe. Dazu kommen Gerüche, die für einen normalen Menschen schwer zu ertragen seien. Warum die Leiche wie ein „Puzzle“ über die Stadt verteilt wurde, ist auch dem Experten ein Rätsel. „Möglicherweise hoffte der Täter so, dass er die Tat verbergen kann und die Leichenteile einfach auf den Grund eines Gewässers absacken und dort vermodern“. Das wiederum würde für eine gewisse Naivität sprechen. Kemper: „Ich glaube aber auch in dem Fall, dass wir es mit einer hoch gefährlichen, hoch psychotischen und klar strukturierten Person zu tun haben.“

Bei der Polizei hält man sich bislang sehr bedeckt. Noch laufen Ermittlungen im Umfeld des Opfers. Bei der Frau handelt es sich um eine Prostituierte, die seit Jahren nach St. Georg kam, um hier ihrem Gewerbe nachzugehen. Sie selbst hat afrikanische Wurzeln, soll aber in Spanien gelebt haben, wo sie eine Familie mit Kindern hat. Die Identifizierung der Frau war schnell möglich gewesen, weil man am ersten Fundort in Rissen auch die HVV-Abokarte der Toten entdeckt hatte. So gab es einen Hinweis auf die Identität des Opfers, der durch einen DNA-Test bestätigt wurde.

Ermittler der Mordkommission versuchen Kontaktpersonen der Frau ausfindig zu machen. Dort ist auch nicht ausgeschlossen, dass es doch eine Beziehungstat ist. Der Kriminologe Kemper zieht auch eine andere Variante in Betracht: „Bei diesem Vorgehen sollte man prüfen, ob es vergleichbare Fälle gibt und wir es hier mit einem Täter zu tun haben, der schon einmal gemordet hat“, sagt Kemper. Dabei müsse man nicht national, sondern international nach vergleichbaren Fällen suchen.