Altstadt. Leiterin des Einwohnerzentralamts spricht über Attentäter von Barmbek. Innenausschuss der Bürgerschaft beschäftigt sich mit Behördenpannen
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) kam gleich zur Sache. „Hat es Fehler gegeben?“, fragte er am Mittwoch in seinem Einführungsvortrag vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft – und gab umgehend die Antwort: „Ja, die hat es gegeben. Wir sind teilweise nicht schnell und nicht gründlich genug mit Hinweisen umgegangen.“ Zudem habe man den psychologischen Sachverstand nicht hinzugezogen, der bei den Sicherheitsbehörden zweifelsohne vorhanden sei.
Die Mitglieder des Innenausschusses hatten extra ihre Sommerpause unterbrochen, um sich mit dem Anschlag von Barmbek-Nord vom 28. Juli zu beschäftigen. Ein palästinensischer Asylbewerber hatte auf der Fuhlsbüttler Straße Menschen mit einem Messer angegriffen und dabei einen Mann getötet sowie fünf Personen zum Teil schwer verletzt. Der Attentäter Ahmad A., der auf seinem Amoklauf von Passanten gestoppt wurde, wollte nach eigenen Worten als Märtyrer sterben.
Der Kaisersaal war zu Beginn der gut vierstündigen Sitzung gut gefüllt. Anders als bei der Sondersitzung zu den Gewalttaten autonomer Linksextremisten am Rande des G20-Gipfels blieb die Stimmung gestern ruhig, und es wurde zielgerichtet gearbeitet. In der Sondersitzung vor zwei Wochen hatten die Oppositionsabgeordneten sich geweigert, Fragen zu stellen, weil sie Ausführungen der Regierung für zu ausführlich hielten.
Gestern dauerte der Startvortrag von Grote lediglich gut eine halbe Stunde, wohl auch, weil er im Wesentlichen Bekanntes wiederholte. So erneuerte der Senator die Ankündigung, man werde rund 400 Hinweise auf ungewöhnliches Verhalten von Personen aus den vergangenen eineinhalb Jahren erneut überprüfen. Zudem würden künftig entsprechende Hinweise umgehend – innerhalb einer Woche – behandelt.
Diese Schlussfolgerung rühre daher, dass es im Falle des Angreifers von Barmbek „Versäumnisse in zeitlicher Sicht“ gegeben habe. So hätte beispielsweise eine Befragung des Hinweisgebers, der sich im April 2016 an die Behörden gewandt und von einer Radikalisierung von Ahmad A. berichtet habe, früher und nicht erst gut ein halbes Jahr später erfolgen müssen. Zudem habe es „handwerkliche Mängel“ beim Zusammentragen und einer ersten Bewertung der Angaben über dem Asylbewerber gegeben. So sei beispielsweise ein ähnlich klingender Name, der zunächst in die Datenbank der Polizei eingetragen worden sei, viel zu spät korrigiert worden.
Anfang dieses Jahres seien die Mängel behoben gewesen, führte Grote fort. Allerdings seien dann die mit dem Fall befassten Behörden und Ämter zu dem Schluss gekommen, der Palästinenser sei nicht wirklich gefährlich. Demnach sollte eine sogenannte Fallkonferenz, an der ein Psychologe teilgenommen hätte, von dem Betreiber der Flüchtlingsunterkunft organisiert werden. Allerdings kam dieses Treffen nie zustande, weil auch die Mitarbeiter des Heims zu dem Schluss gekommen seien, Ahmad. A. sei nicht so gefährlich.
Wie sich nun herausgestellt habe, und das sei das Besondere in diesem Fall, habe sich Ahmad A. in Richtung Islamismus radikalisiert, sei zugleich aber psychisch instabil gewesen. Das habe zu der Situation geführt, dass der Mann vor allem im Jahr 2016 mehrmals auffiel. So beschimpfte er in einem Flüchtlingscafé Menschen und drohte Deutschland mit Krieg. In seiner Flüchtlingsunterkunft trommelte er nächtens an die Türen und rief „Allah ist groß!“
Seine psychische Labilität habe jedoch auch dafür gesorgt, dass Ahmad A. sich über Monate offenbar normal verhielt. So habe es in den sechs Monaten vor der Bluttat keine Auffälligkeiten des 26-Jährigen gegeben, sagte Grote. „Vielmehr, so der Eindruck, schien der Mann sich beruhigt zu haben.“
Arne Nilsson, Geschäftsführer von „Fördern & Wohnen“ (F&W), dem städtischen Betreiber von Flüchtlingsunterkünften, stieß in das gleiche Horn. Es habe mit Ahmad A. mehrere „konstruktive Gespräche“ gegeben. „Die Betreuer hatten den Eindruck, dass die Gespräche zu einer Verbesserung führten.“ Sein Verhalten habe sich verändert. Zudem verwies Nilsson darauf, dass soziale Spannungen in Flüchtlingsheimen Alltag seien. „Zu keinem Zeitpunkt hat es ein gewalttätiges Verhalten des mutmaßlichen Attentäters gegeben.“ Es seien nur Beschimpfungen oder Beleidigungen vermerkt worden.
Annette Hitpaß, die Leiterin des Einwohnerzentralamts, verwies darauf, dass Ahmad A. bei der Beschaffung der Passersatzpapiere konstruktiv gewesen sei. Bei allen Terminen auf dem Amt habe er sich durch ein „ruhiges und gelassenes Verhalten“ ausgezeichnet. Noch am Tattag sei Ahmad A. in der Ausländerbehörde gewesen und habe bei der Sachbearbeiterin nachgefragt, ob es bereits eine Antwort der Palästinensischen Mission aus Berlin gebe. „Er war nicht aufgeregt, er war nicht böse. Er war wie immer ruhig und konstruktiv.“
Die gestrige Sondersitzung gilt nur als Auftakt. Man will jetzt die Auswertung der 400 Hinweise abwarten. Zudem hat sich der für Ahmad A. zuständige Ermittler noch nicht geäußert.