Hamburg. Das Vergleichsportal baut in Hamburg sein Zentrum für Gesundheitsversicherungen auf – und schafft etwa 80 neue Stellen.
Der Ort hat eine gewisse symbolische Bedeutung: Wo einst die traditionsreiche Hamburger Versicherung Volksfürsorge an der Außenalster residierte, sitzt jetzt in einem Neubau die Hamburg-Niederlassung von Deutschlands größtem Internet-Vergleichsportal Check24.
Es ist mit dem Vergleich von Kfz-Versicherungen groß geworden, analysiert und bewertet inzwischen aber auch Sparzinsen, Energietarife oder Pauschalreisen. Ein paar Klicks und der Verbraucher kann sich die günstigsten Tarife auflisten lassen, sortiert nach Preis oder einer von Check24 vorgenommenen Bewertung. Die Transparenz bei Prämien und den Konditionen der Anbieter verstärkt den Wettbewerb in der Assekuranzbranche. Die Volksfürsorge hat das als eine der Ersten zu spüren bekommen. Das Unternehmen gibt es nicht mehr.
Hamburg wird zum neuen Zentrum
Am Standort Hamburg beschäftigt sich Check24 ausschließlich mit Versicherungsvergleichen – und will das Geschäft jetzt deutlich ausbauen. „Hamburg wird das Zentrum für Versicherungsvergleiche aus dem Gesund-heitsbereich“, sagt Christine Prauschke, Geschäftsführerin bei Check24 und seit dem Frühjahr Standortleiterin in Hamburg. „Hier wollen wir in den nächsten Jahren weiter wachsen.“ Drei Büroetagen mit insgesamt knapp 2000 Quadratmetern bieten dafür im neu gebauten Alstercampus noch ausreichend Platz. Künftig sollen hier 150 Beschäftigte arbeiten, derzeit sind es erst etwa 70, die während der Arbeit auch mal den Blick über die Außenalster schweifen lassen können.
„Die Gesundheitsversicherungen sehen wir als großen Wachstumsbereich“, sagt die Managerin. Knapp jeder zweite Verbraucher ist inzwischen offen dafür, eine Versicherung online abzuschließen, ergab eine Umfrage des Versicherungsverbandes GDV. Gesucht werden für Hamburg Versicherungskaufleute, Spezialisten aus dem Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Spezialisten für IT sowie Programmierer. Schon jetzt ist Hamburg im Bereich Versicherungen der drittgrößte Standort des in München beheimateten Unternehmens mit bundesweit 1000 Mitarbeitern.
Kritik von Verbraucherschützern
Bislang haben etwa 15 Millionen Kunden etwa 20 Millionen Verträge über Check24 geschlossen. Denn vom Vergleich aus können Nutzer das Produkt auch gleich bestellen oder den Vertrag abschließen. Check24 erhält dann eine Provision vom Anbieter. Das ist das Geschäftsmodell der Vergleichsportale.
Ob Zinsen für Ratenkredite oder Spargelder, Strom- und Gastarife, Mietwagenpreise, Telefontarife oder Billigflüge – immer mehr Vergleiche fließen in das Portal ein. Selbst elektrische Haushaltswaren wie Staubsauger oder Waschmaschinen werden verglichen. Wo gibt es das Gerät am günstigsten? Wie wird es technisch beurteilt? Für letztere Bewertung stützt sich Check24 auf die Urteile von Fach- und Verbrauchermagazinen. „Wir wollen nicht von einer bestimmten Sparte abhängig sein und uns möglichst breit aufstellen“, sagt Unternehmenssprecher Daniel Friedheim. Im Geschäftsjahr 2015/16 betrug der Umsatz mit den Provisionen 500 Millionen Euro, eine Steigerung um rund 50 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Das Versicherungsgeschäft ist aber hoch umstritten. Versicherungskaufleute haben Check24 wegen fehlender individueller Beratung verklagt, Verbraucherschützer kritisieren die mangelnde Transparenz. Für beide ist das Vergleichsportal eine starke Konkurrenz. Die Versicherungsmakler verlieren Abschlüsse und damit Provisionen, bei der Verbraucherzentrale Hamburg kostet eine Kurzberatung zu Versicherungen 30 Euro.
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute konnte sich vor Gericht mit seiner Klage zum Teil durchsetzen. Check24 muss seine Kunden nun besser darüber informieren, dass es als Versicherungsmakler agiert und Provisionen erhält. „Wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, werden wir das umsetzen“, sagt Unternehmenssprecher Friedheim. Grundsätzlich beeinträchtige das Urteil das Geschäftsmodell von Check24 aber nicht. „Rund 80 Prozent unserer Kunden wissen, das wird uns durch Provisionen finanzieren“, sagt Friedheim.
Leistungen vergleichbar machen
Die größte Schwäche von Vergleichsportalen wie Check24 ist, dass sie keinen kompletten Marktüberblick bieten. Längst nicht alle Versicherer sind bereit, Provisionen an sie für die Vertragsvermittlung zu zahlen. So ist bei der privaten Haftpflichtversicherung die Zahl der Unternehmen, die nicht mitmachen, größer als die, die sich einem Vergleich stellen. Es sind 38.
HUK-Coburg, ein sehr preisgünstiger Versicherer, ist im Vergleich bei Check24 nicht enthalten. Es gibt zwar einen Hinweis auf Unvollständigkeit, doch der ist sehr leicht zu übersehen. „Wir versuchen immer mehr Versicherer zu gewinnen“, sagt Hamburg-Chefin Christine Prauschke. Ihre Mitarbeiter bewerten private Krankenversicherungen, Krankenhauszusatzversicherungen für gesetzlich Versicherte, private Pflegezusatzversicherungen und gesetzliche Krankenkassen.
„Wir machen die Versicherungsbedingungen transparent“, sagt Prauschke. Sie sind entscheidend dafür, welche Leistungen der Versicherte letztlich bekommt, sind für Laien aber oft nicht leicht zu verstehen. Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox haben den Anspruch, die Leistungen auf einen Blick vergleichbar zu machen.
Gilt die Krankenhauspolice auch bei ambulanten Operationen? Bis zu welchem Höchstsatz werden die Arzthonorare übernommen? Sichert der Tarif auch stabile Beiträge im Alter zu? Auf diese und viele andere Fragen gibt es Antworten, wenn der Portalnutzer nicht nur auf das Gesamturteil und den Preis achtet, sondern in den Detailvergleich einsteigt, der jeweils drei Tarife umfasst. Das beste Produkt erreicht 58 von maximal 65 Punkten – hat aber auch die höchste Versicherungsprämie. „Es gibt viele Kunden, die nur ein bestimmtes Budget für ihre Absicherung haben“, sagt Prauschke. „Die Kunden können die Versicherungen nach verschiedenen Kriterien ranken, wir geben auch Empfehlungen zum Preis-Leistungs-Verhältnis.“
Der Markt für Zusatzversicherungen wächst
Um das zu leisten, arbeiten Versicherungs- und IT-Experten zusammen, jeweils eine Gruppe für ein Versicherungsprodukt. Darin ist auch die telefonische Beratung der Kunden eingebettet. „Gerade bei Produkten wie bei Krankenversicherungen wollen wir jeden Kunden schon persönlich erreichen“, sagt Prauschke.
Zwar gibt es schon lange Ratingagenturen wie Franke & Bornberg oder Morgen & Morgen, die Versicherungsprodukte mit einer Note bewerten. Aber selbst wer sich diese Listen aufruft, weiß noch nicht, was ihn der Tarif kosten würde. Auch die Vergleiche der Stiftung Warentest stellen nur auf ein oder zwei Beispielfälle ab. „Im Unterschied zu den Ratingagenturen beziehen wir in die Bewertung auch ein, wie schnell die Versicherer Policenanträge bearbeiten“, sagt Prauschke. „Auch die Erfahrungen, die Kunden uns zurückspielen, fließen in die Bewertung ein.“
Wachsender Markt in der Gesundheitsvorsorge
Von Hamburg aus will Check24 nun einen neuen, wachsenden Markt im Bereich der Gesundheitsvorsorge erschließen. In Deutschland haben erst 3,4 Millionen Menschen eine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen. Sie deckt Lücken ab, die die staatliche Pflichtversicherung angesichts steigender Pflegekosten hinterlässt. Und knapp sechs Millionen Deutsche haben eine Krankenhauszusatzversicherung, die eine Behandlung durch den Chefarzt garantiert. „Da gibt es noch viele, die unsere Vergleiche nutzen werden“, sagt Prauschke. Wenn die Zusatzbeiträge der Krankenkassen wieder steigen, wird auch in diesem Bereich die Wechselbereitschaft zunehmen, ist sie sicher.