Hamburg. Seit zwei Jahren sorgen die Arbeiten in Winterhude für Lärm und Dreck. Dabei sollte alles nur sechs Monate dauern.

Aufgehäufte Ma­tratzen als Schutz vor herabfallenden Mauerbrocken, rostige Container, um Lärm und Staub abzuhalten – die Vorrichtungen, die während eines Bunkerabrisses am Poßmoorweg in Winterhude getroffen wurden, wirken befremdlich. „Seit fast zwei Jahren gucken wir auf eine Art Schrottplatz“, sagt ein Anwohner. 15 Meter vor seinem Balkon erhebt sich die bis zu zehn Meter hohe Containerwand.

Doch die Nachbarn leiden nicht nur unter dem Anblick. Immer wieder wurden auf der Baustelle, die mitten in einem Wohngebiet liegt, die zulässigen Lärm- und Staubgrenzwerte überschritten. Insgesamt verhängte die Stadtentwicklungsbehörde deswegen neun Baustopps. So kommt es, dass der Abriss des eher kleinen Bunkers, der sechs Monate dauern sollte, nach 20 Monaten noch immer nicht abgeschlossen ist.

Neue Nutzung für Hochbunker

Ein schnelles Ende ist weiterhin nicht in Sicht. Die Günther Franke Gruber Bauherren GmbH, die hier einen Neubau mit 23 Wohnungen errichten will, rechnet mit vier weiteren Monaten. Denn nach den Decken und Wänden des Bunkers muss jetzt die Zerschellplatte entfernt werden, die das seitliche Eindringen von Bomben unter den Bunker verhindern sollte. Das könnte länger dauern. Denn noch stehen auf ihrem Rand die Container. Außerdem befinden sich unter dem Bunker mehr Tiefgründungspfähle, als vermutet worden war.

„Diese müssen nun mühsam freigelegt und gekappt werden“, so das Unternehmen. Ein Bunkerabriss sei immer schwierig und selten bis ins Detail planbar – bei diesem Objekt käme dazu, dass kaum Archiv-Unterlagen existierten. So wären viele grundlegende Fragen bis zum Beginn des Abbruchs, teilweise sogar bis zum Erreichen der Zerschellplatte unbeantwortet. Auch die nun vorgefundene Pfahlgründung ginge aus keinen Unterlagen exakt hervor.

Kosten- und Risikofaktoren

Die Bauherren hätten sich vorher besser informieren müssen, finden die Anwohner, die nicht namentlich genannt werden wollen. „Bei einem Bunkerabriss gibt es Kosten- und Risikofaktoren, die man genau kennen sollte.“ Sie hätten häufig Wartezeiten beobachtet, wenn das Abbruchunternehmen wegen unvorhergesehener Probleme auf effizientere Geräte habe warten müssen.

Die Informationspolitik der Bunkereigentümer wird ebenfalls kritisiert. Nachdem die Nachbarn sich darum bemüht hätten, seien ihnen im April 2015 „mal die Pläne gezeigt worden“. Darüber hinaus gebe es nur eine Internet­seite, die sporadisch aktualisiert werde. Noch im Mai war dort ein Ende der Abrissarbeiten bis Juni versprochen worden. Der letzte Eintrag stammt vom 28. Juni. Wegen des G20-Gipfels könne die neue Baustellenzufahrt erst nach dem 12. Juli hergestellt werden, was zu weiteren Verzögerungen führen werde, heißt es. Tatsächlich konnte das Abbruchunternehmen bisher die Baustellenzufahrt der Goldbek-Schule nutzen, die zeitgleich zu dem Neubauvorhaben entstehen sollte. Doch der Schulneubau ist nach zwei Jahren Bauzeit so gut wie fertig. Nur noch das Außengelände muss gestaltet werden, denn nach den Sommerferien nimmt die Schule ihren Betrieb auf.

Lärmschutz erst nach Intervention

Dass zu diesem Zeitpunkt hier noch Fahrzeuge für den Bunkerabriss durchmüssen, war nicht vorgesehen. „Bei besserer Planung hätte man beide Neubauten gleichzeitig fertigstellen können“, sagt Karin Haas von den Linken in Hamburg-Nord. Ein Bunkerabriss an sich sei schon eine unerträgliche Belastung für die umliegende Bevölkerung. „Wenn aber noch Fehlplanungen hinzukommen, ist das für die Nachbarschaft eine zusätzliche Härte.“ Man habe den Bunkerabriss mit falschen Versprechungen – nämlich einer sechsmonatigen Abbruchzeit mit akzeptablen Lärm- und Staubemissionen – beworben. „Doch das Gegenteil ist eingetreten“, so Haas.

Wände aus Containern sollen während
des Abrisses Lärm und Staub abhalten
Wände aus Containern sollen während des Abrisses Lärm und Staub abhalten © HA | Marcelo Hernandez

Für die Stadtentwicklungsbehörde liegt die Schuld für die Verzögerung beim Abrissunternehmen. Dieses habe kein Lärmschutzkonzept vorweisen können. „Erst durch unsere Interventionen wurde Lärmschutz angebracht, der zudem nicht unmittelbar fachmännisch umgesetzt wurde“, so Sprecher Magnus Kutz. Üblicherweise würden derartige Abbrüche mit Lockerungssprengungen vorbereitet, im Falle des Poßmoor-Bunkers habe das Abrissunternehmen jedoch eine zeitintensivere Vorgehensweise praktiziert und mit Stemmbaggern gearbeitet.

Keine Unternehmen mit großen Erfahrungen

Tatsächlich liegt hier wohl der Hund begraben. Denn für das Sprengverfahren gibt es nach Auskunft der Bauherren in Hamburg und Umgebung keine Unternehmen mit großen Erfahrungen. „Es wurde von uns deshalb ein Abbruchunternehmen ausgewählt, das sich im Vorfeld der Vergabe viel gezieltes Know-how von Sprengunternehmen aus Bayern und Thüringen eingeholt hat.“ Wegen der Gefahr von Blindgängern auf Bunker- und Schulgrundstück habe es diese aber nicht umsetzen können.

Auch die Verlagerung eines Trafohäuschens, das während der Abrissarbeiten mit Matratzen vor herabfallenden Mauerteilen geschützt worden war, steht noch an. „Die Umverteilungsanlage versorgt den halben Stadtteil mit Strom und wird wohl noch näher an unser Haus gelegt“, sagt ein Anwohner. „Wir dürfen uns also zu allem Ärger auch noch auf Elektrosmog freuen.“