Hamburg. Bier geht in der Kultkneipe schon seit 1949 über den Tresen. Nun will Dominik Großefeld mit einem eigenen Hausbier neue Wege gehen.

Noch hängt sie, die große leuchtende Astra-Reklame, über dem breiten Holztresen. Und auch die rot-weißen Bierdeckel, die das Logo der Brauerei mit dem des Silbersacks vereinen, liegen noch unter den Gläsern der Gäste. Jahrzehntelang schien Astra, das bis vor 15 Jahren nur wenige Meter entfernt an der Hopfenstraße gebraut wurde, so etwas wie das Hausbier der bekannten Kultkneipe zu sein. Doch damit wird es nun bald vorbei sein. Die Zeichen stehen auf "Bierrevolution" im Silbersack.

„Schluss mit Plörre“, so heißt der provokative Slogan, der künftig auf den Bierdeckeln der Kneipe stehen soll. Denn Wirt Dominik Großefeld hat genug von den Konzernbieren hinter seinem Tresen. „Wenn die Gäste bei uns ein Bier bestellen, wissen wir oft nicht mehr, welches Bier wir empfehlen sollen“, sagt Großefeld. Zwar habe man fünf Biere im Angebot, die jedoch alle mehr oder wenig gleich schmecken würden. „So entstand die Idee, dass wir zukünftig ein besonderes Bier anbieten wollen, das wir selbst gemacht haben.“ Das war vor knapp einem halben Jahr.

Fofftein – ist der plattdeutsche Ausdruck für die rund 15 Minuten dauernde Pause von Handwerkern oder Hafenarbeitern. Der Diamant auf der Flasche findet sich auch in der Leuchtfassade der Kneipe wieder.
Fofftein – ist der plattdeutsche Ausdruck für die rund 15 Minuten dauernde Pause von Handwerkern oder Hafenarbeitern. Der Diamant auf der Flasche findet sich auch in der Leuchtfassade der Kneipe wieder. © HA | Daniel Schaefer

Herausgekommen ist nun Fofftein, das neue Hausbier der Kneipe, das an diesem Mittwoch erstmals über den Tresen gehen soll – pünktlich zum fünften Jubiläum von Dominik Großefeld. Dieser hatte das 1949 gegründete Traditionslokal nach dem Tod von Wirtin Erna Thomsen im August 2012 übernommen, mit dem Versprechen, die Kneipe in ihrem Sinne weiterzuführen. Die Auswahl der Biere zu verändern, steht für ihn in keinem Widerspruch dazu: „Wir haben jahrzehntelang nur Pils verkauft und dabei wenig auf Qualität geachtet. Aber der Biermarkt ist im Wandel, die Zahl der Kleinbrauereien, die mit Liebe und guter Qualität überzeugen, steigt. Daher ist es auch für uns an der Zeit, den Gästen zu zeigen, wie gut Bier noch sein kann.“

Neues Hausbier geht mit 4500 Flaschen an den Start

Auch Oliver Wesseloh glaubt, dass die Verbundenheit zu einer bestimmten Biermarke heute längst nicht mehr so ausgeprägt sei, wie zu früheren Zeiten. „Die Leute nehmen heute gerne eine regionale Alternative in Anspruch und sind auch bereit, mehr für ein handwerklich gut gebrautes Bier zu bezahlen“, so Wesseloh, der gemeinsam mit seiner Frau Julia seit 2011 die Kehrwieder Kreativbrauerei in Harburg betreibt, die sich auf die Herstellung von Craft Beer spezialisiert hat. Hier wurde in den vergangenen Wochen in Abstimmung mit der Kneipenbelegschaft das neue Hausbier des Silbersacks entwickelt.

Herausgekommen ist nun ein unfiltriertes Kellerbier, das mit einer leichten Süße, den fruchtigen Noten der Hefe und einer leichten Bitterkeit im Abgang daherkommt. „Wir wollten ein Bier machen, das spannend und besonders ist, aber die Gäste nicht überfordert“, sagt Großefeld. Manch ein Gast wolle schließlich auch mehr als drei davon trinken. Für den Anfang geht man zunächst mit einer Menge von rund 4500 Flaschen an den Start – zum Stückpreis von 3,20 Euro. „Das Bier kostet etwas mehr als das Standardbier, aber ich bin zuversichtlich, dass die Gäste bereit sind, für diesen geschmacklichen Mehrwert, den wir ihnen künftig bieten wollen, auch zu bezahlen.“

Auch Carlsberg setzt vermehrt auf Biervielfalt

Eine Kampfansage an die großen Brauereien sei das neue Hausbier jedoch nicht, betont Großefeld. Bis auf eine Ausnahme werde er sich von keinem seiner alten Biere trennen. Wer jahrzehntelang Astra getrunken hat, soll es demnach auch weiterhin im Silbersack bekommen – auch wenn das Bier für Dominik Großefeld nicht mehr viel mit St. Pauli zu tun hat. Die großen Marken machten Hamburg zwar bekannt, seien aber inzwischen offenbar vielmehr daran interessiert, ihr Bier auch in den hinterletzten Regionen des Landes zu etablieren, während der Kiez dabei zunehmend in Vergessenheit gerate, so der Wirt. Ein Grund für ihn, zumindest seiner Kneipe ein Bier zurückzugeben.

Große Brauereikonzerne wie Carlsberg, zu dem auch die Hamburger Biermarken Astra und Holsten gehören, spüren die Veränderungen im Biermarkt schon seit geraumer Zeit und stellen sich entsprechend neu auf. So hat der Konzern mit der New Yorker Brooklyn Brewery bereits eine eigene Craft-Beer-Marke im Portfolio und setzt mit den Braumeister-Editionen der Marke Duckstein oder den Bieren der hauseigenen Mikrobrauerei Holsten Brauwelt auf eine wachsende Sortenvielfalt. "Craft Bier besetzt eine Nische im Markt und wir begrüßen das anhaltende Interesse, denn es sorgt dafür, dass wieder mehr über Bier gesprochen wird und die Vielfalt auf dem Markt zunimmt", sagt Unternehmenssprecher Christoph Boneberg. Dass Astra nach Jahrzehnten nun seinen Status in einer der bekanntesten Kneipen auf dem Kiez verliert, dürfte den Konzern hingegen gar nicht begeistern.