Hamburg. Die Bundesanwaltschaft hat “wegen der besonderen Bedeutung des Falles“ die Ermittlungen übernommen.

Die Bundesanwaltschaft hat „wegen der besonderen Bedeutung des Falles“ die Ermittlungen gegen den Messer-Attentäter von Hamburg übernommen. Ein radikal-islamischer Hintergrund liege nahe, der 26-jährige Angreifer habe sich aber wohl selbst radikalisiert, teilte die Karlsruher Behörde am Montag mit. Demnach habe er sich nach eigenen Angaben seit geraumer Zeit mit radikal-islamistischen Themen beschäftigt. "Am Tattag selbst habe er sich infolgedessen entschlossen, ein Attentat zu begehen, verbunden mit der Hoffnung, als Märtyrer zu sterben", hieß es am Montag weiter.

Nach Angaben einer Sprecherin der Bundesanwaltschaft hat sich der Täter bei einer Vernehmung durch Beamte des Landeskriminalamts Hamburg am Sonntag näher geäußert. „Er hat sich ihnen gegenüber geöffnet und zur Sache eingelassen.“ Er solle nun im Laufe dieser oder der kommenden Woche dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.

Die Entscheidung der Bundesanwaltschaft deutet nun klar auf eine politisch motivierte Tat hin. Die Behörde verfolgt Straftaten gegen die innere und äußere Sicherheit. Ein wichtiger Bereich ist der Terrorismus. In der Erklärung heißt es, Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft in der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) oder einer anderen Gruppierung gebe es zwar nicht - auch nicht dafür, dass es Kontakte oder eine Einflussnahme gab. Es lägen auch keine Hinweise auf andere Tatbeteiligte oder Hintermänner vor.

Der Palästinenser, dem nach einem abgelehnten Asylantrag die Ausreise drohte, hatte am Freitag in dem Supermarkt im Hamburger Stadtteil Barmbek unvermittelt ein 20 Zentimeter langes Küchenmesser aus der Verpackung gerissen und damit auf umstehende Menschen eingestochen. Damit tötete er einen 50 Jahre alten Mann, sieben Menschen wurden verletzt. Passanten überwältigten den Mann. Er sitzt seit dem Wochenende wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Vor der Tat hatte er nach einem Einkauf den Supermarkt bereits verlassen, war dann aber wieder aus dem Bus ausgestiegen und umgekehrt.

Mutige Männer bekommen Preis für Zivilcourage


Den Männern, die den Messerangreifer nach der Tat verfolgten und schließlich
überwältigten
, soll am Dienstag ein Preis für Zivilcourage verliehen
werden. Das teilte die Innenbehörde am Montag mit.
Mit Jamel Chraiet, der bei der Hamburger Hochbahn arbeitet, waren es mindestens vier weitere Bürger, die sich dem Täter beherzt in den Weg stellten und durch ihr entschlossenes Eingreifen vermutlich ein noch größeres Blutbad verhinderten. Ohne Zögern zeigten außer Chraiet der Friseur Sönke Weber (28), Edeka-Azubi Toufiq Arab (21), Verlagsmitarbeiter Mohammed Wali (49) und Ömer Ünlü (35) unerschrocken Zivilcourage. Die "Bild am Sonntag" hatte zunächst mit den Männern gesprochen. Kanzlerin Angela Merkel dankte nicht nur den Einsatzkräften, sondern auch diesen Männern, „die sich mit Zivilcourage und Mut“ dem Täter entgegenstellten.

Videos im Internet zeigen, wie eine Gruppe von Männern mit Stühlen, Tischen, Steinen und Stangen den 26-jährigen Ahmad A. stoppten. Bis dieser schließlich, von Spezialkräften der Polizei überwältigt, bäuchlings auf dem Boden lag. Die Männer selbst betonen derweil, dass sie nur ihre Bürgerpflicht getan hätten. „Als Helden würde ich uns nicht bezeichnen“, sagte Chraiet, während Edeka-Azubi Toufiq Arab betont: „Ich bin kein Held, Ich habe nur meine Pflicht getan.“

Ermittlungen laufen auf Hochtouren

Unterdessen laufen die Ermittlungen der Polizei und anderer Behörden auf Hochtouren. Es seien sehr viele Zeugen zu befragen, sagte ein Polizeisprecher. Das Tatgeschehen werde komplett durchermittelt. Der Sprecher bestätigte, dass der 26-jährige Palästinenser bei seiner Festnahme gesagt haben soll, er wolle als Terrorist behandelt werden. Das füge sich in das Persönlichkeitsbild, bei dem neben dem Verdacht des Islamismus auch die psychischen Auffälligkeiten des Mannes immer wieder eine Rolle spielten.

Zu den Ermittlungen gehört auch die Frage, warum der spätere Attentäter nicht vom sozialpsychologischen Dienst untersucht wurde, wie es der Verfassungsschutz zu Beginn des Jahres empfohlen hatte. Routinemäßig werde auch überprüft, ob der Mann als Täter für andere Straftaten in Frage kommen könnte. Dazu zählt auch der ungeklärte Mord an einem 16-jährigen Schüler unter der Kennedybrücke, der im Oktober vergangenen Jahres von einem unbekannten Täter erstochen wurde.

Behörden wussten von Radikalisierung des Angreifers

Verfassungsschutz und Polizei räumten am Wochenende ein, dass sie im August vergangenen Jahres von einem Freund des 26 Jahre alten Angreifers auf dessen Radikalisierung hingewiesen worden seien. Nach einem – allerdings erst im November geführten – persönlichen Gespräch sei man zu dem Schluss gekommen, Ahmad A. sei zwar psychisch labil, verfüge jedoch nicht über Verbindungen zur hiesigen Islamistenszene und sei ungefährlich.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sagte nun, es müsse geprüft werden, ob die Behörden allen Hinweisen auf eine mögliche Gefährlichkeit des Täters angemessen nachgegangen seien.