Hamburg. Janna Schmidt-Holtz hat die Gastronomie-Kette an Lennart und Marian Müller abgegeben. Und die denken nun über eine Expansion nach.
Nachmittags gegen 15 Uhr ist der größte Ansturm vorbei. Dutzende Salate, Suppen, Stullen, Aufläufe und Kuchenstücke sind über die Theke von Kaiserwetter an der Bleichenbrücke in der Hamburger City gegangen. Der Laden läuft, die Büroangestellten sind satt. Fine Food Fast, was auf Deutsch so viel heißt wie gutes schnelles Essen, lautet das Konzept der Deli-Kette mit Catering-Angebot.
„Das hat sich bewährt und bleibt auch so“, sagen Lennart und Marian Müller. Seit einigen Wochen sind die Brüder die neuen Chefs bei Kaiserwetter. Was kaum jemand weiß: Inhaberin Janna Schmidt-Holtz, die das Unternehmen 2009 gegründet hatte, hat ihren Anteil von 95 Prozent an die Gastronomen aus Bremen verkauft. Judith Vogel bleibt in der Geschäftsführung.
Feste Größe
Kaiserwetter ist längst eine feste Größe in der Hamburger Gastro-Szene. Es gibt drei Filialen, die jüngste hat vor einigen Wochen in der Friedensallee in Ottensen eröffnet. Knapp 100 Mitarbeiter sind bei dem Unternehmen beschäftigt, davon allein 15 Köche im Produktionsbereich auf dem Gelände des Fleischgroßmarkts. Über den Kaufpreis haben die Parteien Stillschweigen vereinbart.
Der Jahresumsatz liegt bei vier Millionen Euro. Klar ist, dass die neuen Besitzer das Geschäft weiter ausbauen wollen. „Das betrifft das Catering“, sagt Marian Müller. Aber auch die Eröffnung weiterer Filialen in Hamburg und sogar eine Expansion in andere Städte sei denkbar.
Liebe zum Detail
Die Müller-Brüder, 26 und 24 Jahre alt, hatten Anfang des Jahres über private Kontakte von den Verkaufsabsichten der Gründerin Schmidt-Holtz gehört. „Ich kannte Kaiserwetter durch mein Studium in Hamburg, war sofort interessiert“, sagt Lennart Müller, der wie sein Bruder „die Liebe zum Detail“ in dem Konzept schätzt. Er hat erste Gastronomie-Erfahrungen bei Vapiano gesammelt, zuletzt war er im Unternehmen seines Vater, der mehrere Burger-King-Filialen in Bremerhaven betreibt.
Marian Müller hat in den vergangenen Jahren bei Holger Stromberg, Spitzengastronom und bis Februar Koch der deutschen Fußballnationalmannschaft, gearbeitet. Im Mai wurde der Kaufvertrag geschlossen. Auch wenn auf der Internetseite unter Geschäftsführung noch der Name von Janna Schmidt-Holtz auftaucht, hat sich die 33-Jährige inzwischen komplett verabschiedet.
Mit ganzem Herzen dabei
„Ich möchte meinen Fokus jetzt ganz auf meine Firma Event Inc. legen“, sagte die umtriebige Unternehmerin im Gespräch mit dem Abendblatt. Die Online-Buchungsplattform für besondere Veranstaltungsräume in ganz Deutschland ist bereits das dritte Unternehmen, das sie seit 2009 auf den Weg gebracht hat. 2011 hatte sie gemeinsam mit den Samwer-Brüdern und Zalando-Gründern den Abo-Kosmetikversand Glossybox entwickelt. Inzwischen ist sie aus dem operativen Geschäft ausgestiegen, hält nur noch einen kleinen Anteil.
Ganz anders bei Event Inc. Das Unternehmen, das nach ihren Angaben etwa 40 Mitarbeiter hat und einen Jahresumsatz im siebenstelligen Bereich erwirtschaftet, will sie gemeinsam mit Geschäftsführer Björn Wind zum „Airbnb für Eventlocations machen“. Bereits jetzt umfasst das Portfolio von www.eventinc.de mehr als 2000 Veranstaltungsräume und zählt zu den führenden Anbietern in Deutschland.
„Gute Gastronomie lebt davon, dass der Inhaber mit ganzem Herzen und auch die volle Zeit dabei ist“, sagt die Mutter einer zweieinhalb Jahre alten Tochter. Das habe sie so nicht mehr leisten können. Die Entscheidung, ihre Erstgründung zu verkaufen, sei ihr nicht leichtgefallen. „Ich habe bei Kaiserwetter Unternehmertum gelernt.“ Mit einem Kredit ihres Vaters, des früheren „Stern“-Chefredakteurs und Bertelsmann-Managers Rolf Schmidt-Holtz, und sieben Mitarbeitern hatte sie angefangen.
Vom Einkauf auf dem Großmarkt morgens um 4 Uhr über Brötchenschmieren bis zur Buchhaltung und Personalführung – alles hat sie selbst gemacht. „Da habe ich den Respekt vor harter Stundenlohn-Arbeit gelernt“, sagt die Einser-Abiturientin und Absolventin von Wirtschaftsstudiengängen in Oxford und London. „Das hat mich geerdet und gerundet.“
Speisekarte erweitern
Einer ihrer letzten interessanten Deals für Kaiserwetter ist die neue Filiale in den gerade bezogenen Zeise-Studios an der Friedensallee. In dem Bürogebäude sitzt der britische Kommunikationskonzern WPP, zu dem unter anderem auch die Hamburger Werbeagentur Scholz & Friends gehört. Der Kaiserwetter-Standort auf 200 Quadratmetern im Erdgeschoss des Neubaus fungiert einerseits als Kantine für die 850 Mitarbeiter, zugleich ist er offen für alle Kunden. „Die Kooperation ist ein sehr interessantes Konzept“, sagt Neu-Co-Eigentümer Lennart Müller – und eine weitere Option für die Expansion.
Die Müllers haben auch erste Ideen, wie sie die Speisekarte erweitern wollen. So laufen die hausgemachten Sommerlimonaden in der Friedensallee sehr gut und sollen demnächst auch in den anderen Filialen serviert werden. Das Kaffee-Angebot soll erweitert werden, ebenso wie das der warmen Mittagssnacks. Natürlich haben die beiden auch ihre persönlichen Favoriten: Bei Marian Müller sind es die Edelweiß: Brötchen belegt mit Pute und süßer Senfremoulade. Lennart Müller mag den Erdbeerquark besonders. Die Klassiker, lautet das Versprechen, bleiben auf jeden Fall.