Hamburg. Bis zum 31. Oktober können Gebote für die Nordbank abgegeben werden. Finanzpolitiker in Sorge, dass Verkauf als Ganzes nicht gelingt.

Seit zwei Wochen scheint Hamburg nur ein Thema zu kennen – der G20-Gipfel und die Ausschreitungen. Das langfristig viel bedeutendere Thema für Hamburg und Schleswig-Holstein, der Verkauf der HSH Nordbank und ihrer Milliarden-Risiken, geriet dabei in den Hintergrund. Dabei biegt diese Geschichte, die die finanzielle Handlungsfähigkeit der beiden Nordländer auf Jahrzehnte beeinflussen wird, langsam auf die Zielgerade ein, und es scheint derzeit völlig offen, ob das Ziel auch erreicht wird.

Die offizielle Version liest sich durchaus positiv. Nachdem bis zum 30. Juni einige „indikative“, also unverbindliche Angebote eingegangen waren, teilten die Finanzminister Monika Heinold (Schleswig-Holstein/Grüne) und Peter Tschentscher (Hamburg/SPD) Anfang Juli mit: „Nach erster Sichtung sind diese eine gute Grundlage, um den Verkaufsprozess erfolgreich fortsetzen zu können.“ Namen wurden wie üblich nicht genannt, aber Spekulationen, wonach US-Finanzinvestoren wie Apollo, Cerberus, Lone Star und der HSH-Aktionär Flowers unter den Bietern sein sollen, werden auch nicht dementiert. Zusätzlich gelten chinesische Investoren wie Anbang als HSH-Interessenten.

Alarmglocken bei Fachpolitikern klingeln

Dennoch machte die Mitteilung viele Kritiker hellhörig, und zwar vor allem ein Satz: „Im Herbst sollen nunmehr verbindliche Angebote abgegeben werden, auf deren Grundlage die abschließenden Vertragsverhandlungen geführt werden können.“ Bislang hatten die Bank und ihre Eigentümer den Eindruck erweckt, der Käufer müsse spätestens nach den Sommerferien feststehen, um die komplizierten Vertragsverhandlungen bis Ende Februar abschließen zu können. Bis dahin muss die HSH auf Anordnung der EU privatisiert werden – quasi als „Strafe“ dafür, dass die beiden Länder ihre Bank immer wieder mit Milliardenbeträgen gestützt hatten. Gelingt das nicht, muss sie abgewickelt werden.

Dass diese Verhandlungen nun erst „im Herbst“ beginnen sollen, lässt bei den Fachpolitikern in der Bürgerschaft die Alarmglocken klingeln: „Die Verzögerungen des Verkaufsprozesses sind durchschaubar und dienen einzig dem Zweck, keine unangenehmen Erklärungen vor der Bundestagswahl am 24. September abgeben zu müssen“, glaubt FDP-Wirtschaftsexperte Michael Kruse. Diese Sichtweise wird von vielen Abgeordneten geteilt, zum Beispiel von Norbert Hackbusch (Linkspartei). „Der HSH-Verkauf läuft nicht gut“, sagt der Finanzexperte.

Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) wies das am Dienstagabend im Ausschuss für öffentliche Unternehmen der Bürgerschaft zurück. Man halte sich an den mit der EU abgestimmten Zeitplan und sei „eher früher“ dran. Zudem präzisierte er: „Mit Herbst meinen wir Ende Oktober.“ Nach dem 31. Oktober wollen die Länder also entscheiden, an wen sie die HSH Nordbank verkaufen.

Die Frage ist nur, ob sie überhaupt eine Auswahl haben werden. Denn die Maßgabe der EU, die HSH Nordbank als Ganzes zu verkaufen und dafür einen „positiven Verkaufserlös“ zu erzielen, also mindestens einen Euro, halten viele Beobachter für nicht umsetzbar. „Ein Verkauf der HSH als Ganzes erscheint kaum realistisch“, sagt CDU-Finanz­experte Thilo Kleibauer.

Weitere Milliardenbelastungen?

Selbst im Regierungslager wird diese Sicht geteilt, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand. „So kauft uns die Bank keiner ab“, sagt ein mit dem Vorgang vertrauter Abgeordneter und verweist auf das Kerndilemma: Die HSH Nordbank besteht aus einer profitablen Kernbank und einer Abbaubank, die zu dem „Paket“ dazugehört. Und in ihr schlummern Milliardenrisiken, vor allem aus alten Schiffsfinanzierungen, die den Wert der Gesamtbank deutlich übersteigen dürften. HSH-Vorstandschef Stefan Ermisch bezifferte im Ausschuss diese ausfallgefährdeten Kredite auf zehn Milliarden Euro.

Viele Beobachter gehen daher davon aus, dass bestenfalls ein Teilverkauf gelingen wird. „Ich glaube, für die Kernbank wird man einen Käufer finden, aber die Abbaubank wird an den Ländern hängen bleiben“, sagt Norbert Hackbusch und prophezeit „weitere Milliardenbelastungen für die Länder“.

Finanzsenator lehnt weitere Belastung ab

Finanzsenator Tschentscher wies dieses Szenario zurück: „Eine weitere Risikoübernahme können wir nicht akzeptieren.“ Bislang hätten immer nur die Länder der HSH geholfen, nie die kleinen HSH-Anteilseigner, der US-Investor Flowers und die schleswig-holsteinischen Sparkassen.

Vor allem die Sparkassen werden auf der Suche nach einer Lösung für die HSH immer wieder genannt. Denn sie sind nicht nur direkt beteiligt, sondern sie haben auch bundesweit für mindestens sieben Milliarden Euro HSH-Zertifikate an ihre Kunden verkauft – die im Falle einer Abwicklung wertlos würden. Außerdem sind sie über einen Haftungsverbund mit den Landesbanken verwoben – sie hätten also ein mehrfaches Interesse daran, die HSH zu retten.

„Der Prozess ist höchst vertraulich“

Da sie kein Gebot für die Nordbank abgegeben haben, ist aber fraglich, wie man sie mit heranziehen könnte. Auf die Frage nach einem Plan B reagierte der Finanzsenator unwirsch: „Der Prozess ist höchst vertraulich.“ Indirekt kritisierte er Äußerungen wie die des Kieler FDP-Fraktionschefs Wolfgang Kubicki, die HSH werde sicher abgewickelt, als nicht hilfreich. Allerdings machte Tschentscher auf die Frage, ob man Kern- und Abbaubank überhaupt getrennt verkaufen dürfte, eine interessante Andeutung: „Rechtlich ist vieles möglich“, so der Senator. Es gehe immer darum, die ökonomisch sinnvollste Lösung zu finden. „Dann wird man es auch rechtlich abbilden können.“

Eine andere kursierende Spekulation wies Tschentscher zurück: dass ein chinesischer Investor die HSH übernehmen könnte, wenn China sich im Gegenzug am Hamburger Hafen beteiligen dürfe. Auf die Anmerkung von FDP-Politiker Kruse, dass führende HSH-Vertreter immer wieder das große Interesse aus China hervorheben würden, während jüngst ein chinesischer Investor einen Ideenwettbewerb für die Entwicklung eines neuen Hafenterminals auf Steinwerder gewonnen habe, sagte Tschentscher: „Da gibt es keinen inneren Zusammenhang.“