Neustadt. Der 28 Jahre alte Harry S. soll an einem Blutbad im syrischen Palmyra beteiligt gewesen sein
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Noch vor einem Jahr stand Harry S. wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts. Als „schwersten Fehler seines Lebens“ bezeichnete er damals seine Zeit bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Zudem verdingte sich der 28-Jährige als eine Art Kronzeuge gegen den IS, indem er dem Gericht und den Behörden Namen und Funktionen von Hintermännern nannte. Den Auftritt als geläuterten, reuigen Ex-Terroristen kaufte ihm das Gericht ab. Am Ende wurde er zu lediglich drei Jahren Haft verurteilt.
Die Ermittlungen gegen Harry S. fußten auf einem Propaganda-Video des IS mit dem Titel „Der Tourismus – dieser Ummah“. Harry S. tauchte darin nur als Fahnenträger auf. Offenbar war er aber stärker in die Gräueltaten des IS verstrickt, als es den Anschein hatte. Denn wenige Monate nach der ersten Verhandlung in Hamburg wurden der „Washington Post“, vermutlich aus IS-Kreisen, jene Sequenzen zugespielt, die in dem Propagandavideo nicht zu sehen waren – Szenen, die eine direkte Beteiligung von Harry S. an einem Blutbad in der syrischen Stadt Palmyra im Juni 2015 nahelegen. Jetzt hat der Generalbundesanwalt erneut Anklage gegen ihn erhoben – wegen sechsfachen Mordes. Harry S. droht lebenslängliche Haft.
Im Mittelpunkt des Clips steht die volksfestartig inszenierte Hinrichtung von fünf Soldaten der syrischen Armee und eines sunnitischen Predigers. Auch Harry S. ist zu sehen: Wie er die Gefangenen bewacht und so ihre Flucht verhindert. Wie er einen von ihnen fixiert und zum Hinrichtungsplatz führt. Wie er dann, als sich die Schützen mit ihren Sturmgewehren aufstellen, die Straßenseite wechselt, um „nicht von den Kugeln getroffen“ zu werden, wie es in der Anklage heißt. Schließlich zieht er eine Pistole und zielt auf ein Opfer – allerdings ist eine Schussabgabe nicht zu sehen, da in diesem Moment ein weiterer IS-Scherge durchs Bild läuft. Im ersten Prozess hatte Harry S. noch gesagt, er sei lediglich Augenzeuge der Hinrichtung gewesen, kein Täter. Die Brutalität dort habe ihn so schockiert, dass er dem IS den Rücken gekehrt habe und nach Deutschland zurückgekehrt sei.