Hamburg . Geheimpapier aus Bundesinnenministerium sieht „Prognosen“ bestätigt. Gewalttäter sehen demnach G20-Randale als Erfolg.

Die Aussage ist eindeutig. Die bereits vor dem G20-Gipfel vorliegenden Prognosen zum Verlauf der Proteste und Krawalle in Hamburg hätten sich als zutreffend erwiesen, heißt es in einem Geheimpapier aus dem Bundesinnenministerium (BMI). Mithin: Was in Hamburg vor und nach dem Gipfel passierte, kam nicht unerwartet.

In dem sechsseitigen Dokument, das dem Abendblatt vorliegt, zieht die Behörde von CDU-Innenminister Thomas de Maizière eine ernüchternde erste Bilanz des Gipfels. Wie erwartet seien gewalttätige Aktivisten aus ganz Europa angereist, und es sei zu massiven Konfrontationen mit der Polizei gekommen.

„Spektrenübergreifende Mobilisierung“

Die umfassende Aktionsplanung für die Proteste habe bei dem NoG20-Bündnis gelegen, heißt es in dem Papier weiter. Militante Kleingruppen hätten sich dabei nicht an den „Aktionskonsens“ gehalten und seien marodierend durch Hamburg gezogen. Die bereits im Vorfeld „prognostizierten Ausschreitungen“ seien „eingetreten“. Zwar hätten auch linke kurdische und türkisch-ex­tremistische Menschen an Demonstrationen teilgenommen – allerdings nicht in besonders großem Maße.

Interessant ist auch, wie das BMI den Blick der „Szene“ auf ihre eigenen Aktionen einschätzt. Demnach sehen die Organisatoren die Mobilisierung durch NoG20 als Erfolg an. Daher müsse man prognostizieren, dass das Prinzip der „spektrenübergreifenden Mobilisierung“, also der Einbeziehung auch radikalster Gruppen, auch künftig verfolgt werde.

Unter der Führung der „Interventionistischen Linken“ seien bewusst alle linksextremistischen Strömungen bei der Vorbereitung integriert worden, heißt es in dem Papier. Dabei habe es von dem Bündnis niemals eine klare Distanzierung von Gewalt gegeben. Damit habe man auch den „militanten Strukturen“, die für die Gewaltauswüchse verantwortlich gewesen seien, „wissentlich eine Aktionsplattform geboten“.

Zwar sei die Vorgehensweise, etwa die „Kleingruppentaktik“, nicht per se neu. Sie sei bereits 2015 bei der Eröffnung der neuen Europäischen Zentralbank in Frankfurt und im Dezember 2013 im Rahmen der Kampagne „Flora bleibt unverträglich“ zur Anwendung gekommen, so der „Abschlussbericht“. Allerdings hätten das „Aggressionspotenzial“ und die Bereitschaft, Leib und Leben von Polizisten vorsätzlich zu gefährden, bei den G20-Protesten eine „neue Dimension“ erreicht.

Substanzlose Sicherheitsgarantie?

Für die Hamburger CDU zeigt die Analyse aus dem BMI, dass der rot-grüne Senat und SPD-Bürgermeister Olaf Scholz hätten gewarnt sein müssen. „Wenn Olaf Scholz jetzt behauptet, die Taktik und gewalttätigen Ausschreitungen der Linksextremisten seien überraschend und nicht vorhersehbar gewesen, ist das abenteuerlich“, sagte CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator dem Abendblatt. „Entweder er hat sich vorab nicht über die Sicherheitslage informiert und eine völlig substanzlose Sicherheitsgarantie gegeben, oder er hat die Hamburger vorsätzlich getäuscht. Beides ist mit dem Amtseid, den er geleistet hat, nicht vereinbar.“

Genau das, was Hamburg an Gewaltexzessen erlebt habe, sei von den Sicherheitsbehörden vorhergesagt worden, so Gladiator. „Als wir im April vor diesen Szenarien gewarnt haben, wurde das als Verschwörungstheorien, erfundene Horrorszenarien und übertriebener Alarmismus abgetan. Dass Olaf Scholz jetzt immer noch behauptet, das sei überraschend gewesen, ist eine üble Täuschung der Bürger. Damit hat er das Vertrauen der Hamburger und seine Glaubwürdigkeit als Bürgermeister unwiederbringlich verloren.“

Die Krawallnacht in Hamburg:

"Welcome to Hell" – die Krawallnacht in Hamburg

Die Polizei bringt die Sternschanze unter Kontrolle – im Hintergrund die Rote Flora
Die Polizei bringt die Sternschanze unter Kontrolle – im Hintergrund die Rote Flora © Reuters | Fabian Bimmer
Polizisten stürmen die Sternschanze, während es vor der Roten Flora brennt
Polizisten stürmen die Sternschanze, während es vor der Roten Flora brennt © Reuters
Ein Wasserwerfer unter der Sternbrücke
Ein Wasserwerfer unter der Sternbrücke © HA | Alexander Josefowicz
Demonstranten zünden Barrikaden vor der Roten Flora auf dem Schulterblatt an
Demonstranten zünden Barrikaden vor der Roten Flora auf dem Schulterblatt an © Michael Arning
Polizisten und Wasserwerfer sichern die Davidwache auf der Reeperbahn
Polizisten und Wasserwerfer sichern die Davidwache auf der Reeperbahn © dpa
Man könnte es beinahe für ein gemütliches Lagerfeuer halten
Man könnte es beinahe für ein gemütliches Lagerfeuer halten © Michael Arning
Randale am Schlump: Ordnungskräfte sperren den Eingang des U-Bahnhofs
Randale am Schlump: Ordnungskräfte sperren den Eingang des U-Bahnhofs © dpa | Axel Heimken
Bei Einbruch der Dunkelheit ist noch kein Ende der Krawalle in Sicht
Bei Einbruch der Dunkelheit ist noch kein Ende der Krawalle in Sicht © dpa | Daniel Bockwoldt
Nachdem die Demo
Nachdem die Demo "Welcome to Hell" schon lange beendet wurde, formierten sich wiederholt Protestzüge im Bereich der Reeperbahn. Hier wird der Neue Pferdemarkt in der Sternschanze geräumt © HA/Alexander Josefowicz
Demonstranten ziehen durch St. Pauli. Die Proteste dauern nun schon mehr als sechs Stunden an
Demonstranten ziehen durch St. Pauli. Die Proteste dauern nun schon mehr als sechs Stunden an © Reuters | Pawel Kopczynski
Demonstranten marschieren über die Reeperbahn
Demonstranten marschieren über die Reeperbahn © Reuters
Eine Demonstrantin hilft einem Mann, nachdem dieser Prügel eingesteckt hatte
Eine Demonstrantin hilft einem Mann, nachdem dieser Prügel eingesteckt hatte © Getty Images
Demonstranten vor einem Wasserwerfer
Demonstranten vor einem Wasserwerfer © Leon Neal/Getty Images
Brennende Barrikaden bei der Demo
Brennende Barrikaden bei der Demo © HA | Michael Arning
Farbbeutelattacke auf Polizisten
Farbbeutelattacke auf Polizisten © dpa
Ein Auto brennt am Rande der Demo
Ein Auto brennt am Rande der Demo © dpa
Einige Demonstranten plädieren für Liebe
Einige Demonstranten plädieren für Liebe © dpa
Klare Geste im Vordergrund, klare Botschaft im Hintergrund
Klare Geste im Vordergrund, klare Botschaft im Hintergrund © Getty Images
Rettungskräfte eskortieren Verletzte
Rettungskräfte eskortieren Verletzte © Reuters
Demonstranten haben in der Louise-Schröder-Straße einen Müllcontainer angezündet
Demonstranten haben in der Louise-Schröder-Straße einen Müllcontainer angezündet © HA | Alexander Josefowicz
Polizisten bei der Demonstration
Polizisten bei der Demonstration © Reuters
Ein Demonstrant spielt Flöte
Ein Demonstrant spielt Flöte © dpa
Polizisten sichern die Sternschanze
Polizisten sichern die Sternschanze © Getty Images
Andere nutzen das Tohuwabohu ganz anders: Einige Leute spielen Frisbee auf der gesperrten Holstenstraße
Andere nutzen das Tohuwabohu ganz anders: Einige Leute spielen Frisbee auf der gesperrten Holstenstraße © HA | Alexander Josefowicz
Die Lage eskaliert
Die Lage eskaliert © Reuters
Die Polizei will den schwarzen Block auseinander treiben
Die Polizei will den schwarzen Block auseinander treiben © dpa
Feuer im Schwarzen Block
Feuer im Schwarzen Block © dpa
Ein Demonstrant protestiert mit Seifenblasen
Ein Demonstrant protestiert mit Seifenblasen © HA | Alexander Josefowicz
Wasserwerfer machen sich auf St. Pauli bereit
Wasserwerfer machen sich auf St. Pauli bereit © HA | Roland Magunia
Einsatzleiter der Polizei diskutieren mit Organisatoren bei der Demo
Einsatzleiter der Polizei diskutieren mit Organisatoren bei der Demo "Welcome to Hell" © HA | Christian Unger
Ein Wasserwerfer positioniert sich an den Landungsbrücken während der Demo
Ein Wasserwerfer positioniert sich an den Landungsbrücken während der Demo "Welcome to Hell" © HA | Christoph Heinemann
Die Goldenen Zitronen spielen bei der Auftaktkundgebung der
Die Goldenen Zitronen spielen bei der Auftaktkundgebung der "Welcome to hell"-Demo © HA | Alexander Josefowicz
Die ersten Demonstranten sammeln sich vor der Auftaktkundgebung am Fischmarkt
Die ersten Demonstranten sammeln sich vor der Auftaktkundgebung am Fischmarkt © HA | Alexander Josefowicz
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