Hamburg. Jorina Suckow wurde als Vertreterin der Jugend in die nationale Kommission gewählt. Experten: Warum das Gremium reine Maskerade ist.

Zuerst hat Jorina Suckow überhaupt nicht begriffen, wer da genau was von ihr wollte. Gerade war die Jurastudentin im vergangenen September auf dem Weg zu ihrer Wohnung in Farmsen aus der U-Bahn gestiegen, da meldete sich auf ihrem Handy jemand, der sich als Mitarbeiter der Uni Bamberg vorstellte und mit ihr über Atommüllreden wollte.

Über was, bitte?

Der Anruf war ihr ein wenig unheimlich

„Erst war mir das ein wenig unheimlich, ich wusste ja auch gar nicht, woher sie meine Handynummer hatten“, erzählt die heute 24-Jährige. Dann aber stellte sich bald heraus, worum es ging. In einem komplizierten System hatte eine Agentur 70.000 zufällig ausgewählte Deutsche angerufen und war dabei auch bei der jungen Hamburgerin gelandet.

Ziel der vom Umweltbundesamt koordinierten Aktion: die Besetzung einer neunköpfigen Kommission, die die Suche nach einem Endlager für Atommüll begleiten soll. In das von Bundestag und Bundesrat eingesetzte „Nationale Begleitgremium“ wurden „sechs anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ berufen. Zusätzlich benannte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) drei Bürgervertreter. Jorina Suckow soll in dem Gremium die „junge Generation“ repräsentieren.

Mit dem ersten Anruf allerdings hatte die zurückhaltende Frau den Posten in der Kommission noch längst nicht gewonnen. Es gab bundesweit mehrere Bürgerforen, bei denen sich alle Bewerber austauschten, um schließlich aus ihrer Mitte Kandidaten für die nächste Runde auszuwählen. Am Ende des längeren Verfahrens setzte sich Suckow als Vertreterin der Jugend durch. Sie wurde wie die beiden anderen Bürgervertreter für drei Jahre ernannt. Zwei Verlängerungen sind möglich, sodass sie theoretisch bis Ende 2025 dabeibleiben könnte.

Reine Maskerade ohne echte Beteiligung?

Im Herbst traf sich das Gremium zum ersten Mal, zunächst ging es für die neun Mitglieder darum, die Reform des Standortsuchgesetzes zu begleiten, das im Frühjahr beschlossen wurde. Das Gesetz verteilt auch die Aufgaben neu. Eine Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ist nun verantwortlich für die Suche und schließlich den Betrieb des Endlagers. Das Nationale Begleitgremium dagegen ist zuständig für „die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens, insbesondere auch der Umsetzung des Beteiligungsverfahrens am Standortauswahlverfahren“. Die Mitglieder können sich beraten lassen und bekommen Einsicht in „alle Akten und Unterlagen“ des Suchverfahrens.

Experten haben das Konstrukt „Begleitgremium“ derweil bereits kritisiert. Das Ganze sei „reine Maskerade“ und hätte mit echter Beteiligung nichts zu tun, sagte etwa der Politologe Hans J. Leitzmann von der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung der Universität Wuppertal kürzlich dem „Spiegel“. Die Bürgervertreter seien gegen die Lobbyisten chancenlos.

Ob das so ist, wird sich wohl erst nach dem Sommer zeigen, wenn die wirklich intensive Arbeit der Neunergruppe beginnt. Derzeit müsse noch die Berliner Geschäftsstelle personell aufgestockt werden, so Suckow. Aber auch schon jetzt, bevor es so richtig losgeht, verschlingt das Gremium viel Zeit in ihrem Leben. Da gibt es jede Menge Mailverkehr, man muss sich in komplexe wissenschaftliche Themen einlesen, es werden Coachings für die Berufenen angeboten, und regelmäßig konferieren die drei Bürgervertreter auch über Skype miteinander.

Ganzes Land wird nach Standort gescannt

Diese große Verantwortung kommt für die angehende Juristin, die sich im Studium intensiv mit Umwelt- und Planungsrecht befasst hat, in Wahrheit zur Unzeit. Im September steht ihr erstes Staatsexamen an. Derzeit verbringt sie ihre Tage fast durchweg in der Bibliothek des Rechtshauses. Ihr Freund kümmert sich derweil um den Haushalt und den achtjährigen Kater Charlie. Auch zum Sport kommt Suckow derzeit kaum, obwohl sie nicht nur seit Jahren Tennis spielt, sondern sich auch gerne beim „Hot Iron“-Training mit Langhanteln fit hält. Auch bei „House of Cards“ ist sie nun in einer der späteren Staffeln hängen geblieben.

Bei all dem weiß die junge blonde Frau natürlich, wie drängend die Suche nach dem Endlager letztlich für alle Deutschen ist. „Die Laufzeiten der Zwischenlager enden in absehbarer Zeit. Nicht nur deswegen ist bis 2031 vorgesehen, ein Endlager zu finden“, sagt Suckow. Dabei beginnt die Suche mit einer „weißen Karte“, mithin: Prinzipiell kommt erst einmal jeder Ort in Betracht. Nun werde die ganze Re­publik nach geeigneten Standorten gescannt. „Das ist eine große und schwierige Aufgabe, an deren Begleitung ich mich gerne beteilige.“

Anregungen sind willkommen

Seit einer Weile schon macht sie sich Gedanken, wie sie sich genug Anregungen und Ideen bei der eigenen Generation abholen kann, um ihrer Rolle als Vertreterin der Jugend gerecht zu werden. „Das ist wirklich der Knackpunkt: Wie erreiche ich die Leute?“, sagt sie. „Gerade unter den Jüngeren ist das Thema Atommüll nicht besonders präsent.“ Deswegen bittet Jorina Suckow nun auch die (jüngeren) Abendblatt-Leser: „Wer Anregungen für meine Arbeit hat, soll gerne Kontakt aufnehmen!“ Am einfachsten geht das über die Seite www.nationales- begleitgremium­.de.