Hamburg. Im Alstertal und den Walddörfern wuchs die Zahl der Autos zwischen 2011 und 2016 um 17,43 Prozent. Schlechte ÖPNV-Anbindung.

Die grüne Idylle ist auf dem Rückzug im Hamburger Nordosten. Zwar wachsen die Pflanzen im Alstertal und den Walddörfern noch genauso schnell wie früher, aber die Bevölkerungs- und Kraftfahrzeugzahlen wachsen schneller. Wer heute draußen am grünen Stadtrand wohnt, findet nur noch bedingt ländliche Strukturen vor. Die Blechlawine ist fast schon die gleiche wie im innerstädtischen Barmbek, in Winterhude oder Rotherbaum. In den immer noch „Dorf“ genannten Ortskernen von Volksdorf, Bergstedt, Sasel, oder Duvenstedt bleibt, automobil gesehen, kein Auge mehr trocken und keine Parkbucht unbesetzt. Und auf den Ausfallstraßen in Richtung Innenstadt steht der Verkehr zuverlässig jeden Tag still.

„Immer mehr Einwohner fahren mit immer mehr Autos auf Straßen, die seit 20 Jahren in ihrer Leistungsfähigkeit praktisch nicht verbessert wurden“, sagt der CDU-Verkehrsexperte in der Bürgerschaft, Dennis Thering. „Im Gegenteil: Die Verlegung von Radwegen auf die Straße, wie jetzt in der Rolfinckstraße geplant, verschärft die Situation der Autofahrer, und parallel versäumt es der Senat, die Attraktivität des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu erhöhen.“

Zahl der Kraftfahrzeuge steigt

Der CDU-Mann wies darauf hin, dass die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge im Hamburger Nordosten deutlich stärker steigt als die Einwohnerzahl. „Nachverdichtet wird nicht nur baulich auf der grünen Wiese, sondern leider auch auf den Straßen“, sagt Thering und mahnt ein Gesamtkonzept für den Verkehr in der Stadt an. „Hamburg muss handeln.“

Die Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage Therings ergab einen moderaten Einwohnerzuwachs von 119.794 im Jahr 2011 auf 123.630 im Jahr 2016. Das entspricht einem Plus von 3,11 Prozent. Demgegenüber wuchs aber der Kfz-Bestand im gleichen Zeitraum von 3793 auf 4454, also um 17,43 Prozent. „Das ist ein klares Missverhältnis, und der Senat versäumt es seit Jahren, hier gegenzusteuern,“ sagt Thering.

Schlechte ÖPNV-Anbindung

Er bemängelt die auch bei SPD und Grünen anerkannt schlechte ÖPNV-Anbindung vor allem von Lemsahl, Duvenstedt und Bergstedt. „Hier müssten die Busse zu den Bahnhöfen Poppenbüttel und Ohlstedt dichter getaktet werden und nachts durchfahren“, sagt Thering. Gleiches fordert er für die U-Bahn-Linie 1 und die S-Bahnen 1 bzw. 11, die nur am Wochenende auch nachts unterwegs sind. „Der ÖPNV ist zu unattraktiv, um dem Auto Konkurrenz machen zu können“ sagt Thering. Die Zahlen scheinen ihm recht zu geben.

Denn laut Senatsantwort auf Therings Kleine Anfrage kann trotz wachsender Bevölkerungszahlen nur die S-Bahn annähernd mit dem Auto Schritt halten: Ihr Fahrgastaufkommen wuchs in Addition der beiden Linien S 1 und S 11 zwischen den Jahren 2005 und 2014 von 21.671 auf 25.053 Fahrgäste und damit um 15,61 Prozent (neuere Zahlen liegen nicht vor). Das liegt nur knapp hinter der Zuwachsrate für die Kfz-Zulassungen. Die Zahl der U-Bahn-Fahrgäste aber ging im gleichen Zeitraum um rund 200 auf 25.281 Fahrgäste sogar zurück. „Womit sich die Zuwachsrate für das Fahrgastaufkommen des ÖPNV insgesamt halbiert“, sagt Thering. „Ein mageres Ergebnis.“

Einbau von Schlau-Ampeln gefordert

Er fordert die Rücknahme der P&R-Gebühren für die Parkhäuser entlang der Linie U 1 an den Bahnhöfen Poppenbüttel, Volksdorf, Berne und Meiendorfer Weg. Die seit 2014 schrittweise eingeführten Gebühren erschwerten das Umsteigen auf die Bahn und machten den ÖPNV unattraktiv. Mit der Einführung der Gebühren sank die Auslastung der Parkhäuser rapide und hat sich seither nur langsam erholt. Das derzeit noch kostenlose Parken am Bahnhof Ohlstedt soll mit dem Bau des Parkhauses auch ein Ende finden.

Thering fordert den flächendeckenden Einbau von sogenannten Schlau-Ampeln. Sie können mit ihren Kameras das Verkehrsaufkommen fortlaufend erfassen und situationsbezogen für die Fahrtrichtung Grün schalten, die es braucht. Das erhöht die Leistungsfähigkeit der Kreuzungen und lässt damit den Verkehr besser fließen. Laut Verkehrsbehörde hat Hamburg derzeit erst 16 solcher Ampeln, die alle im Bezirk Wandsbek stehen.

Dissens bei Beurteilung des Radverkehrs

Mit vielen seiner Positionen rennt Thering offene Türen auch bei den Grünen ein. Auch sie plädieren für Schlau-Ampeln und haben immer wieder die Verbesserung des ÖPNV-Angebots in den Walddörfern und im Alstertal angemahnt. Dazu gehöre auch die Forderung, dass S- und U-Bahnen auch unter der Woche rund um die Uhr fahren, sagte der Wandsbeker Grünen-Fraktionschef Dennis-Paustian-Döscher. Dem HVV ist das wegen der geringen Auslastung zu teuer.

Dissens herrscht in der Beurteilung des Radverkehrs. „Die Unfallstatistiken belegen, dass Radwege auf der Fahrbahn sicherer sind“, sagt Paustian-Döscher. Der wesentliche Streit aber liegt in der Verteilungsfrage: „Wir wollen den Verkehrsraum gerechter aufteilen“, sagt Paustian-Döscher. In den letzten Jahrzehnten sei „sehr viel Platz für Autos gelassen“ worden, sodass sich für Fußgänger und Radler „ein gewisser Nachholbedarf ergebe“. „Wir sind für Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer und gegen einen Vorrang für Autoverkehr.“