Hamburg. Hamburgs Einzelhändler wollen Ausgleich für Umsatzausfälle während des G20-Gipfels. Gesetzesänderung wäre dafür notwendig

Eingeschlagene Schaufensterscheiben, zerstörte Türen und Schlösser, geplünderte und ausgebrannte Geschäfte – das sind die sichtbaren Schäden der Hamburger Einzelhändler nach den G20-Krawallen. Diese Bilder sind um die Welt gegangen, haben die Menschen schockiert und fassungslos gemacht. Aber über die „unsichtbaren Schäden“, wie Brigitte Nolte sie nennt – darüber redet derzeit kaum jemand. Genau das will die Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord ändern. Gemeinsam mit dem City Management Hamburg, das die Interessen zahlreicher Einzelhändler in der Innenstadt vertritt, fordert der Handelsverband nun zwei zusätzliche verkaufsoffene Sonntage im Advent – um die Umsatzeinbußen während des G20-Gipfels zumindest in Teilen zu kompensieren.

In einem gemeinsamen Brief an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der dem Abendblatt vorliegt, schreiben der Handelsverband und das City Management: „Allein der innerstädtische Einzelhandel hatte in den Tagen des G20-Gipfels Umsatzeinbußen in Höhe von 18 Millionen Euro zu verzeichnen.“ Hinzu kämen noch die „erheblichen Aufwendungen für die Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter sowie der Geschäfte und Immobilien“. Die Läden seien weitgehend leer gewesen oder hätten aus Sicherheitsgründen mehrere Tage lang schließen müssen.

„Wir Verbände halten es für zwingend erforderlich, den materiellen Schaden mindestens teilweise auszugleichen, den der Einzelhandel erlitten hat“, heißt es weiter in dem zweiseitigen Schreiben bevor es zur konkreten Forderung kommt: „Für eine teilweise Kompensation der Umsatzausfälle fordern wir zwei verkaufsoffene Sonntage im Advent, und zwar am 3. und 10. Dezember 2017.“

Bisher lässt das Hamburgische Ladenöffnungsgesetz pro Jahr zwar vier Sonntagsöffnungen aus besonderem Anlass zu, an denen die Einzelhandelsgeschäfte zwischen 13.00 und 18.00 Uhr offen gehalten werden dürfen. Allerdings sind laut Paragraf 8 „Sonntage im Dezember, Adventssonntage, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Volkstrauertag und Totensonntag“ explizit ausgenommen. Folglich müsste die Bürgerschaft eine Gesetzesänderung beschließen, sollte die Stadt der Forderung der Geschäftsinhaber nachkommen wollen.

Handelsverband und City Management weisen in ihrem Brief an den Bürgermeister zwar darauf hin, dass es sich „um eine einmalige Ausnahme von den bisherigen Sonntagsregelungen“ handeln soll. Doch starker Gegenwind von Kirchen und Gewerkschaftern dürfte programmiert sein. Die evangelische und die katholische Kirche in der Stadt reagierten denn auch umgehend skeptisch. „Der Vorschlag kommt überraschend. Ich denke aber nicht, dass wir an unserer grundsätzlichen Haltung zu Öffnungszeiten im Advent etwas ändern werden“, sagte Susanne Gerbsch, Sprecherin von Bischöfin Kirsten Fehrs, dem Abendblatt. Über eine Entschädigung betroffener Einzelhändler könne und solle nachgedacht werden, so der Sprecher des Erzbistums Hamburg, Manfred Nielen. „Größte Bedenken haben wir allerdings gegenüber dem Wunsch, die Gesetzeslage zu ändern und zwei Adventssonntage dafür zu opfern“. Die Gewerkschaft Ver.di verweist zudem auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ökonomische Interessen als alleiniger Grund für Sonntagsöffnungen nicht ausreichten.

Hamburgs Einzelhändler belasten derweil nicht nur die Umsatzeinbußen während des G20-Gipfels, sie befürchten auch, dass sie langfristig unter den weltweit verbreiteten Bildern der Krawalle leiden werden. Deshalb fordern sie die Stadt in ihrem Schreiben auf, „noch im Herbst eine national und international wahrnehmbare Kampagne zur Bewerbung des Einkaufsstandortes Hamburg“ zu starten. Die Ereignisse um den G20-Gipfel würden den Hamburger Einzelhandel in einer Situation treffen, „die seit Jahren wirtschaftlich absolut kritisch ist“, heißt es abschließend. Die geforderten Ausgleichsmaßnahmen seien deshalb zwingend erforderlich, um die Arbeitsplätze zu sichern.