Hamburg. Stadt und Bahn schließen Vereinbarung. S-Bahn nach Bergedorf wird automatisiert – und eine Revolution im Online-Handel.
Die Deutsche Bahn ist ein traditionsreiches Unternehmen – als Innovationstreiber ist sie weniger bekannt. Um das Image zu wandeln, hat der neue Vorstandschef Richard Lutz einen Pakt mit der Hansestadt Hamburg zum Austesten neuer Entwicklungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) geschlossen. So soll schon ab dem kommenden Jahr eine Flotte von 100 kleinen Elektrobussen durch die Stadt rollen, die fahrerlos kleinere Ansammlungen von Pendlern aus den Wohnquartieren zu größeren Knotenpunkten des Nahverkehrs bringen.
Diese Busse können beispielsweise Fahrgemeinschaften ersetzen und sollen auf Anforderung, etwa über das Smartphone, eingesetzt werden. Zudem soll die S-Bahn-Strecke nach Bergedorf bis 2021 schrittweise automatisiert werden.
Zusammen mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) unterzeichnete Bahnchef Lutz am Montag eine Grundsatzvereinbarung, die für die kommenden drei Jahre gilt und diese und weitere Projekte im Rahmen einer „Smart City-Partnerschaft“ umfasst. Die Bahn will mit dem Programm den Anschluss an die Weiterentwicklung und Digitalisierung des Nahverkehrs halten. Hamburg sammelt weitere Vorzeigeprojekte für seine laufende Bewerbung zur Ausrichtung des Weltkongresses für Intelligente Transportsysteme (ITS) im Jahr 2021.
Carsharing mit Daimler, BMW und VW
Der Senat hat ähnliche Projekte für neue Mobilitätskonzepte bereits mit verschiedenen Firmen der Automobilindustrie vereinbart. Mit Daimler und BMW verständigte sich die Regierung auf den Ausbau und die Elektrifizierung ihrer Car-Sharing-Angebote Car2go sowie DriveNow. Mit VW wird ebenfalls der Einsatz von Bussen mit Elektroantrieb in Hamburgs Straßennetz getestet. Zudem will das Wolfsburger Unternehmen im Hamburger Hafen autonom fahrende Lkw testen.
Bürgermeister Olaf Scholz hob nach Vertragsunterzeichnung deshalb die grundsätzliche Haltung der Stadt zu solchen Trends hervor: „Wir wissen noch nicht, welcher Zukunftstrend sich durchsetzen wird. Aber wir wollen die Räume bereitstellen, um sie auszutesten.“ Hamburg sei bereits führender Anbieter in der Stromversorgung von Fahrzeugen. „Das heißt: Wir wissen um die Anforderungen, die ans Stromnetz gestellt werden, und um die Probleme, die sich stellen, sobald das E-Mobil massentauglich wird.“
Hamburg als dynamischer Logistikstandort
Lutz verwies auf die besondere Bedeutung Hamburgs: Die Stadt sei einer der dynamischsten Logistikstandorte Deutschlands und werde bis 2030 auf zwei Millionen Einwohner wachsen. Das bedeutet aber auch mehr Staus, mehr Lärm und höhere Luftbelastung. Mit der nun getroffenen Vereinbarung wolle man die Antwort darauf geben. „Mit vernetzten Angeboten auf der Schiene und der Straße sorgen wir für einfache, komfortable, bezahlbare und umweltfreundliche Mobilitätslösungen, die die Metropolregion Hamburg in der Smart-City-Entwicklung zum Vorreiter machen.“
Der DB-Chef will den Shuttleservice auf Abruf möglichst 2018 mit rund 100 autonomen Elektrobussen ins Rollen bringen. Bereits im Jahr darauf soll die Flotte ausgeweitet werden. Ein am Montag vorgestelltes Testfahrzeug hat jeweils sechs Sitz- und Stehplätze. Es fährt führerlos und ist mit einer Spitzengeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern nicht besonders schnell. Geeignet ist es für kürzere Strecken von bis zu fünf Kilometern. Wo die Fahrzeuge eingesetzt werden, werde noch geprüft, sagte Lutz.
Der Infrastruktur-Vorstand der Bahn, Ronald Pofalla, kann sich die Veränderung von Fernbahnhöfen in Hamburg zu „digitalen Warenhäusern“ vorstellen, die neben WLAN und Wegeleitsystemen für die mobile Gesellschaft auch flexible Büros (Co-Working-Spaces) anbieten.
Schließfächer an Bahnhöfen für bestellte Ware
Zudem plant er an bis zu 50 Bahnhöfen Schließfächer einzurichten, an denen Kunden abends auf dem Weg von der Arbeit nach Hause zuvor online bestellte Waren abholen können.
Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) betonte in diesem Zusammenhang die Rolle des Hamburger Hauptbahnhofs als denjenigen mit den meisten Passagieren täglich in Deutschland. Der ÖPNV sei das Rückgrat des Verkehrssystems, Haltestellen und Bahnhöfe seien immer auch Drehscheiben und Aufenthaltsorte zugleich. Zur stufenweisen Automatisierung der S-Bahn nach Bergedorf wird eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, deren Ergebnisse Ende des Jahres vorliegen sollen. Erst dann wird entschieden, ob die Züge voll- oder nur teilautomatisiert fahren werden. Hamburg will jedenfalls die rechtlichen Genehmigungen besorgen, die für einen Zug ohne Lokführer notwendig sind.