Hamburg. Ungewöhnliche Blicke auf das Geschehen bei der Galopp-Derbywoche in Horn. In den Katakomben tummeln sich die Kleingeld-Zocker.
Auch zwischen den Starts offenbart die Rennbahn Reize – teilweise hinter den Kulissen, von Energiefutter und Auftragsgrillern bis zum Thermomix. Der vortrefflichste Platz auf dem Hippodrom, meinen zumindest erfahrene Wetter, ist die Getränkebude links vom Waagegebäude. Angeblich verkehren dort Berufszocker und tauschen heiße Infos aus den Ställen aus. Gaul X ist exzellent auf dem Posten, strotzt vor Kraft, wurde speziell für Hamburg-Horn vorbereitet, steht vorm Sieg und so. Bisweilen taucht in einer Rennpause auch mal ein Jockey auf, gönnt sich eine Erfrischung und beteiligt sich am Fachsimpeln. Wer die Ohren spitzt, kann am Totalisator auf der Gewinnerstraße sein – mit viel Glück.
Doch auch wer beim Ankreuzen der Sieger, der Platzierten oder der Dreierwette vorsichtshalber Zurückhaltung übt, kann auf seine Kosten kommen. Übrigens ebenfalls kleinere Vierbeiner, die ihren Durst an „Knöpfchens Hundebar“ stillen. Wobei während der vergangenen vier Tage Derbymeeting, von denen der erste bekanntlich komplett ins Wasser fiel, ohnehin mehr als genug Nass von oben kam. Dass Seejagdrennen, ein besonders feuchtes Spektakel, soll nun am morgigen Mittwoch durch den Teich gehen.
Beach-Club recht leer
Kein Wunder, dass der Beach-Club direkt hinter dem Tunnel bisher kaum genutzt werden konnte. Liegestühle und Strandkörbe mit stürmisch-feuchtem Sylt-Feeling stehen zumeist leer. Sieht trotzdem gut aus. Was eigentlich eine entzückende Idee ist, dient nunmehr dem Nachwuchs als matschige Oase für Schlammschlachten. Alternativ bietet sich das liebevoll betreute Kinderland ein paar Meter weiter an. Damit die Eltern halbwegs in Ruhe Wetten platzieren können.
Als Eldorado für derart Werktätige empfehlen sich die Katakomben der Haupttribüne. In den unwirtlichen, indes lebendigen Hallen, seit Jahrzehnten kaum verändert, ist die Zunft der Zocker zu Hause. Im Gegensatz zum Getränkestand abseits der Waage tummeln sich hier die kleineren Fische. Gemeinsame Hoffnung, bei jedem Start neu: Die Dreierwette kann bereits mit einem Mindesteinsatz von 50 Cent getroffen werden. Theoretisch.
Wie waren die Quoten?
Und so stellt sich die Mutter aller Fragen mit fortschreitendem Verlauf der Rennwoche drängender: Wer hat im Ziel die Nüstern vorne? Das Portemonnaie lechzt nach Auffrischung. Die Fachzeitung „Sport-Welt“, übrigens ausgerechnet am Derbysonntag in viel zu geringer Auflage erhältlich, bietet ein Füllhorn an Informationen. Welcher Vollblüter ist unter welchem Jockey wann auf welcher Bahn wie gelaufen? Wie waren die Bodenverhältnisse, wie der Rennverlauf, wie die Quoten?
Statt wissenschaftlicher Studien bevorzugen andere Kaffeesatzleserei. Wenn im Rennen zuvor die Startnummer sieben gesiegt hat, ist jetzt eine andere Zahl dran. Hundertprozentig. Oder man schlendert zum Führring und hält nach einem Pferd Ausschau, das frisch und entspannt wirkt. Wieder andere favorisieren passende oder originelle Namen, um Fortuna Beine zu machen. Wenn’s danach geht, empfehlen sich am heutigen Dienstag Captain Gerald (1. Rennen), Wangi Wangi (2. Rennen), Lucky Valentine (3. Rennen), Love
Flowers (5. Rennen) oder Matchwinner in Prüfung sechs. Auch Hit The Jackpot oder der zauberhafte Wallach Mr. Copperfield versprechen eine Menge.
Zwei Buchmacherbuden
Wem der Kick im Halbstundentakt nicht reicht, kann dazu auf anderen Bahnen investieren. Zwei Buchmacherbuden, Wettgeschäfte also, auf dem Markplatz in der Mitte der Anlage, nehmen Einsätze für Wettbewerbe in aller Welt an. Der Gewinn könnte nebenan ausgegeben werden. In einigen der 14 Pagodenzelten werden Anzüge, edle Jacken, Handtaschen oder entzückende Schmuckstücke offeriert. Als Kontrast ist Energiefutter für Pferde zu kaufen.
Was wäre sonst mit einem Hut? Die Rede ist nicht von Südwestern, sondern von richtig schicken Kopfkreationen. Auf dem Rennbahn-Marktplatz werden diese feilgeboten von der Firma Willer. Zwar ist das Derby längst gelaufen, doch steht ein extravaganter Hut immer gut. Anna-Lena Ziesmann, nicht minder entzückend, hat etwa 200 Exemplare jedweder Coleur parat. Zwischen 60 und 550 Euro kosten die guten Stücke.
Vis-à-vis stehen Food-Trucks in Reih und Glied. Der Burger mit Ziegenfrischkäse und Feigensenf ist 6,90 Euro wert. Hacksteaks gibt’s ebenfalls am BBC Busbistro. Nebenan locken Sushi-Burritos, Spanferkel, ein „Sauerei-Teller“ oder individuell gemixte Smoothies. Freunde klassischer Kost suchen besser die Bratwurstbude vor der Haupttribüne auf. Auf den Shirts der Bedienungen am Holzkohlegrill steht „Auftragsgriller“.
Am meisten verblüfft ein Thermomix-Stand. Wer mit einem solchen Gerät nach Hause kommt, gehört garantiert zu den Gewinnern.