Altstadt. Beim G20-Gipfel ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Gastgeberin in Hamburg – Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nur eine Randfigur.
Niemand hat sich für den G20-Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg so ins Zeug gelegt wie Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihm 2015 unter vier Augen das Angebot machte, das er nicht ablehnen konnte, trommelte Scholz für das Treffen der 20 Staats- und Regierungschefs in der Hansestadt – allen Widrigkeiten und der vielfältigen Kritik zum Trotz.
So auch zuletzt am Mittwoch dieser Woche in der Bürgerschaft: „Wir haben keine Weltregierung, und wir werden auch so schnell keine bekommen. Das ändert aber nichts daran, dass etwas zu besprechen und zu regeln ist“, sagte Scholz in der Aktuellen Stunde. Er sei daher froh, dass es die G20 als Forum für solche Gespräche gebe, die Hamburger sollten „stolz“ sein, dass sich die Staatschefs hier treffen.
Der Gipfel beginnt für Olaf Scholz am Mittwoch – in Berlin
Schön und gut, die Welt kommt nach Hamburg, und wer nicht kommt, blickt vielleicht zumindest auf die Stadt, aus der es hoffentlich nur schöne Bilder gibt. Die Sache hat aus Scholz’ Sicht allerdings einen entscheidenden Schönheitsfehler: Dem Ersten Bürgermeister fällt bei dem Treffen protokollarisch und politisch gesehen nur eine Statistenrolle zu. G20-Gastgeberin ist Kanzlerin Merkel. Wer Scholz kennt, weiß, dass ihm diese Rollenverteilung zu eigenen Lasten nicht besonders liegt.
Allerdings versteht er es auch, mit einer solchen Situation kreativ umzugehen. Und so hat sich Scholz mit der tatkräftigen Unterstützung seines „Außen“-Staatsrats Wolfgang Schmidt vor und während des Gipfels ein Programm mit zahlreichen Terminen geschneidert, das ihm erlaubt, Bedeutung und Interessen Hamburgs auf dem internationalen Parkett zu vertreten und wichtige Kontakte zu vertiefen sowie neue aufzubauen.
Gelegeneheit für Scholz, mächtigsten Mann Chinas kennenzulernen
Der Gipfel beginnt für Scholz eigentlich schon am Mittwoch – ausgerechnet in Berlin. Im Schloss Bellevue nimmt der Bürgermeister an dem Abendessen teil, das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) für den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping gibt. Xi, der später nach Hamburg weiterreisen wird, nutzt den G20-Gipfel zu einem Staatsbesuch in Deutschland. Das Bankett bietet die erste Gelegenheit für Scholz, den mächtigsten Mann Chinas näher kennenzulernen. Vor allem die Wirtschaftsbeziehungen zu dem bevölkerungsreichsten Staat der Erde sind für Hamburg außerordentlich wichtig.
Der Donnerstag ist der erste Anreisetag für die Staatsgäste und ihre zum Teil sehr großen Delegationen. Das Protokoll des Kanzleramts hat dem Bürgermeister und seinem Senat die Aufgabe zugewiesen, die Regierungschefs am Flughafen zu begrüßen. Scholz hat sich einige Stunden im Kalender frei gehalten, und alle Senatoren sind gewissermaßen Stand-by, um gegebenenfalls nach Fuhlsbüttel zu eilen. Denn: Bislang steht noch nicht fest, wann die Politiker eintreffen werden. Und bei Donald Trump (USA), Wladimir Putin (Russland), Recep Tayyip Erdogan (Türkei) oder Manuel Macron (Frankreich), um nur einige zu nennen, kann es kurzfristig Änderungen im Reiseplan geben.
Scholz geht mit Kanadas Premier Trudeau ins Konzert
Am Abend wird Scholz, das steht fest, mit jemandem zusammentreffen, den er bereits kennt: Der kanadische Premier Justin Trudeau – in diesem Jahr Ehrengast beim Matthiae-Mahl – wird wie Scholz auch das Konzert des Global-Citizen-Festivals in der Barclaycard Arena besuchen. Die Musik von Coldplay, Shakira oder Herbert Grönemeyer bietet ein wenig Entspannung und wohl auch die Möglichkeit, sich zum Gespräch zurückzuziehen. Der jugendlich wirkende und liberale Kanadier genießt als Gegenentwurf zu Trump auch in Hamburg große Sympathien.
Am Freitag wird sich Scholz mittags im Bürgermeisteramtszimmer des Rathauses mit dem vietnamesischen Premierminister Nguyen Xuan Phuc treffen. Die aufstrebende Region in Südostasien ist für die Handelsdrehscheibe Hamburg von zunehmender Bedeutung.
Auch in demokratischen Staaten erreicht das Protokoll bisweilen die Qualität des höfischen Zeremoniells. Vermutlich wird erst kurz vor Beginn des Konzerts in der Elbphilharmonie für die G20-Teilnehmer am Freitagabend entschieden sein, wer die Staats- und Regierungschefs vor dem Haus begrüßt: Werden Kanzlerin und Bürgermeister Seite an Seite stehen und gewissermaßen auf Augenhöhe ihre Honneurs machen? Vielleicht ergibt sich eine eher informelle Plauderei mit den Gästen, bei der Scholz die Vorzüge der Stadt hervorheben kann. Vor dem Konzerthaus soll auch das berühmte Familienfoto mit allen Regierungschefs entstehen, wenn das Wetter es erlaubt – selbstverständlich ohne den Bürgermeister.
Scholz trifft die Staatschefs von Japan, China und Vietnam
CDU-Fraktionschef André Trepoll hat Scholz vor einigen Tagen in typisch oppositioneller Gehässigkeit vorgehalten, dass er beim G20-Gipfel nur für das Partnerprogramm zuständig sei, während seine, Trepolls, Parteifreundin große Politik mache. Das stimmt insoweit, als Scholz am Sonnabendmittag die vom Kanzlergatten Prof. Joachim Sauer angeführte Gruppe der Ehefrauen und in selteneren Fällen Ehemänner der Staats- und Regierungschefs im Rathaus empfangen wird.
Der Bürgermeister wird die Gäste, wie es das ungeschriebene Gesetz verlangt, auf dem Spiegel vor dem Senatsgehege in der ersten Etage begrüßen. So werden Melania Trump, wenn sie denn kommt, und Brigitte Macron die prachtvolle Treppe allein hinaufgehen müssen – Barrierefreiheit ist in dem denkmalgeschützten Bau ein Fremdwort. Scholz wird den hochrangigen Besuchern die Schätze des Rathauses persönlich zeigen und anschließend zu einem Senatsfrühstück – bekanntlich ein stattliches Mittagessen – in den Kaisersaal bitten.
Noch am Nachmittag wird es wieder politisch, wenn der japanische Premier Shinzo Abe zum Gespräch vorbeischaut. Hamburg und Japan blicken auf lange gefestigte Beziehungen zurück. Fest eingeplant ist auch der wichtigste Termin für Scholz: ein Treffen mit dem chinesischen Premier Xi. Allerdings hat der Chinese kurzfristig entschieden, dass er den Gipfel dazu nutzen will, um den erst am 10. Mai ins Amt gekommenen Kollegen aus Südkorea, Moon Jae-in, in einem persönlichen Gespräch kennenzulernen. Nun wird die freie Zeit knapp, sodass Scholz möglicherweise relativ spontan im Hotel Grand Elysée vorbeischaut, in dem Xi absteigen wird.
Den voraussichtlichen Abschluss der Gesprächsreihe rund um den Gipfel wird eine Begegnung mit dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri am Sonntagmorgen bilden. Die beiden kennen sich: Macri hatte Scholz noch als Bürgermeister von Buenos Aires in Hamburg besucht. Da sieht man einmal, was aus Bürgermeistern politisch noch werden kann ...