Hamburg. Hamburger Unternehmen will in Zukunft frecher und provokanter werden. Das Marketingbudget wird verdoppelt.

Kunden können grausam sein. Als die Chefs von Tom Tailor vor Kurzem wissen wollten, was Passanten mit der Hamburger Modemarke verbinden, da waren die Antworten eher einsilbig. „Die haben kein Image, das heraussticht“, sagte eine Dame. „Nicht besonders viel, ich hatte mal ein Hemd von denen“, meinte ein junger Mann. „Gute Qualität“ war noch die netteste Antwort.

Die Statements sind Teil eines kurzen Films, den Marketingchef Maik Kleinschmidt in der vergangenen Woche in der Tom-Tailor-Zentrale am Garstedter Weg vorspielte. Sie illustrieren sehr gut, was das Problem der kriselnden Modekette ist: Im Haifischbecken zwischen Esprit, Zara oder H&M ist Tom Tailor nur eine Marke unter vielen. „Die meisten Kunden kennen uns zwar. Die Frage ist aber, wofür wir eigentlich stehen“, sagt Kleinschmidt. „Es fehlt die emotionale Bindung.“

Marke neu positionieren

Das wollen die Hamburger nun ändern und ihre wichtigste Marke neu positionieren. Das bisher eher in homöopathischer Dosis vorhandene Marketingbudget wird verdoppelt und soll sich in den kommenden zwei Jahren in Richtung von drei bis fünf Prozent des Umsatzes bewegen. Gemessen an den Zahlen aus dem Jahr 2016 wären das zwischen 30 und 50 Millionen Euro. Erstmals haben die Hanseaten ein internationales Topmodel verpflichtet, das eine Kollektion für Tom Tailor designt. Der Vertrag ist noch nicht endgültig unter Dach und Fach, der Name soll aber in den kommenden Tagen bekannt gegeben werden.

„Tom Tailor muss mutiger und auch ein Stück provokanter werden“, sagt Marketingchef Kleinschmidt. Daher taucht in der neuen Kampagne, die Ende August an den Start geht, auch schon mal der Spruch „Are you ready to kick ass?“ auf, übersetzt etwa: „Bist du bereit, jemandem in den Hintern zu treten?“ In Szenevierteln will Kleinschmidt teils wild plakatieren lassen, zudem soll es unangekündigte Spontanaktionen geben. Eine gab es schon im vergangenen Jahr, da ließ Tom Tailor Models im Inneren von durchsichtigen Riesenbällen über die Binnenalster laufen. Guerilla-Marketing nennt sich das.

In den neuen Onlinespots tanzen nun junge Frauen in Tom-Tailor-Mänteln über einen herbstlich-grauen Strand. Das soll positive Energie ausstrahlen. „Die Bilder übertragen sofort die Emotionalität von Happiness“, meint Kleinschmidt im besten Werber-Denglisch. Die kommende Herbst-Winter-Kollektion bietet einen Hauch mehr Farben als früher. Bei den Frauen werden Röcke mit bedruckten Sweatern, roten Pudelmützen und derben Stiefeln kombiniert. Die Männer bekommen kräftig rot und grün gestreifte Pullis verpasst. Sonst unterscheiden sich Anoraks und Mäntel eher marginal von den Modellen der Vorsaison.

Das ist die Krux beim neuen Markenauftritt von Tom Tailor: Die Macher wollen neue Zielgruppen mit modischerer Kleidung ansprechen, ohne dabei die Stammkunden zu vergrätzen, die für 80 Prozent der Umsätze stehen. Der klassische Tom-Tailor-Kunde ist im Schnitt 41 Jahre alt, wenig modeaffin und verlangt von seiner Kleidung einen „maskulinen Touch“. Die Stammkundin ist etwas experimentierfreudiger, trägt aber auch nur, was sie zuvor bei einer Freundin oder auf der Straße gesehen hat.

Tief in den roten Zahlen

Trotz des schwierigen Spagats – viele Fehler in den Kollektionen können sich die Designer bei Tom Tailor nicht leisten. Das Unternehmen steckt tief in den roten Zahlen. 2016 wurde unter dem Strich ein Verlust von 73 Millionen Euro erwirtschaftet, der Umsatz erhöhte sich nur leicht um 1,3 Prozent auf 968,5 Millionen Euro. Im ersten Quartal dieses Jahres sah es kaum besser aus.

Der neue Markenauftritt ist Teil jenes Konzepts, mit dem Vorstandschef Heiko Schäfer Tom Tailor wieder nach vorn bringen will. Der frühere Adidas-Manager führt die Hamburger Kette seit September vergangenen Jahres. Da hatte der Aufsichtsrat die Reißleine gezogen und sich von dem langjährigen Chef Dieter Holzer getrennt. Der war zuvor eher durch ein hohes Gehalt denn durch gute Geschäftszahlen aufgefallen.

Umstrukturierung ist nur eine der Baustellen

Die Umstrukturierung der Marke Tom Tailor ist nur eine der Baustellen, die Holzer seinem Nachfolger durch eine überzogene Expansion hinterlassen hat. Fast 260 von 300 unrentablen Filialen wurden geschlossen, viele gehörten zur 2012 zugekauften Marke Bonita. In Hamburg machten unter anderem die Geschäfte im Ottenser Einkaufszen­trum Mercado und am Flughafen dicht. Zudem ist die EDV in der Zentrale veraltet. Auch das Onlinegeschäft hinkt hinter dem der Konkurrenz zurück.

Um all diese Projekte auch finanziell stemmen zu können, hat Tom Tailor gerade eine Kapitalerhöhung gestartet. 61,2 Millionen Euro will Vorstandschef Schäfer durch die Ausgabe von 9,87 Millionen neuen Aktien einsammeln. Derzeit ist der Chef auf Roadshow, um die Papiere den Anlegern anzupreisen. Man gehe fest davon aus, alle neuen Aktien bis Ende dieser Woche an den Mann bringen zu können, heißt es aus dem Unternehmen.