Hamburg. Hello-Designerin Susanne Gröhnke hat die Trends für dieses Jahr unter die Lupe genommen – viel Tüll und Pailletten.

Dieses Kleid, das auch einer Barbiepuppe hervorragend stehen würde, wollen alle Mädchen haben: bodenlanger rosa Tüll, dazu eine Korsage mit bunten Perlen. „Darin sieht jede aus wie eine Prinzessin“, strahlt Saskia Hillermann. Die Verkäuferin in der Abendmode-Abteilung des Kaufhauses Peek & Cloppenburg an der Mönckebergstraße ist selbst Fan der Robe, die mit zig Kleidern von Mint über Koralle bis Schwarz konkurriert. „Rosa ist der große Trend bei Abiturientinnen in diesem Jahr, ganz dicht gefolgt von Dunkelblau. Und lang müssen die Abiballkleider sein.“

Modedesignerin Susanne Gröhnke (53) vom Label Hello in Eimsbüttel und Ottensen, die mit dem Abendblatt auf Stilkritik in Sachen Abiball-Mode unterwegs ist, fallen die vielen Perlen, Pailletten und verschieden farbigen Schmucksteine bei den Oberteilen auf. „Ein bisschen Glitzer wird gerne genommen“, so Saskia Hillermann, die durchaus Einflüsse aus Amerika sieht, etwa durch Preisverleihungen wie den Oscars, wo Schauspielerinnen neue Trends setzen. Ginge es nach Susanne Gröhnke, könnten die Mädchen ruhig mehr wagen als rosafarbene Prinzessinnenkleider – und vielleicht lieber einen Hosenanzug, einen sogenannten Jumpsuit, in Silber wählen wie aus ihrer Abendkollektion. „So ein Teil ist edel und cool zugleich.“

200 bis 300 Euro kostet ein Kleid im Schnitt

Hillermanns Kundinnen aber setzen lieber auf Abendkleider – und zeigen gern viel Haut. „Wenn schon, denn schon“, laute die Devise. Sehr beliebt bei den Hamburger Abiturientinnen: im Nacken zusammengebundene Tops, Zweiteiler, schulterfreie Modelle oder Kleider mit einem tiefen Rückenausschnitt von Marken wie Luxuar Limited oder Marie Lund, der Eigenmarke von P&C. „Da haben aber oft die Väter etwas dagegen“, sagt Saskia Hillermann und lacht.

Da die Eltern zahlen, haben sie auch Mitspracherecht. Durchschnittlich 200 bis 300 Euro würden pro Modell ausgegeben. „Das ist nur möglich, indem man künstliche Materialien wie Polyester und Viskose verwendet“, sagt Susanne Gröhnke. „Wenn wir ein Abendkleid aus Seide anfertigen, kostet es fast das Dreifache.“ Dennoch: Den Abiball zu besuchen, ist heute ein teurer Spaß. Zum Outfit (manchmal auch der Eltern und Geschwister) kommen Eintrittskarten, Blumen, Geschenke.

Die Feiern werden minutiös und pompös geplant

Abiball ist nicht mehr nur Abiball. Es gibt Veranstaltungskomitees, die die Feier ebenso minutiös wie pompös planen. urch die Show führt ein Moderator, der besondere Leistungen der Schüler ehrt. Ebenso wie bei Taufen und Kindergeburtstagen wird heute auch mehr Tamtam um das feierliche Ende der Schulzeit gemacht – der Abiball als gesellschaftliches Event, gerne mit ein bisschen Glamour à la Hollywood.

Nur folgerichtig, dass die Abiturienten, die beim Herrenausstatter Policke in Begleitung ihrer Eltern auf der Matte stehen, aussehen wollen wie Justin Timberlake oder Elyas M’Barek: festlich ja, aber auch cool. „Häufig zeigen sie Fotos, die sie sich aus dem Internet ausgedruckt haben“, sagt Verkäufer Lukas Wenzel (23). Da seien dann Smokings mit Strickjacken zu sehen, dazu schwarze Lackschuhe oder weiße Sneakers ohne Socken.

Smoking und weiße Turnschuhe sind verpönt

„Unsere Aufgabe ist es dann, die Kunden zum passenden Outfit zu beraten.“ Dazu gehört, dass ein Smoking ebenso wenig auf einem Abiball zu suche habe wie ein weißes Paar Turnschuhe. Letztlich ist es dann doch ein dunkelblauer Anzug aus Wollgemisch von Digel oder dem Lüneburger Hersteller Roy Robson für rund 200 Euro, mit dem 99 Prozent der jungen Männer den Laden an der Böckmannstraße verlassen würden.

Dunkelblau hat den Klassiker Schwarz längst abgehängt. Mehr als 2000 Abitur-Anzüge verkauft das seit 1931 in Hamburg ansässige Traditionsgeschäft jedes Jahr. „Auffällig ist, dass die Schnitte schmaler und die Hosen kürzer geworden sind. Früher hatten wir einen schmalen Anzug, heute sind es vier verschiedene Modelle“, sagt Claus Burchard, seit 17 Jahren Inhaber. War die Mode in den 80er- und 90er-Jahren bauschig mit Bügelfalten und breiten Schultern, ist die Silhouette heute sportlich-schmal.

Das Höchste der Gefühle: beige Hose zum blauen Sakko

Modedesignerin Susanne Gröhnke hat ihren Favoriten mitgebracht: Ein Foto zeigt den jungen David Bowie in einem senfgelben Anzug. „Die jungen Leute könnten sich doch ruhig mal was trauen. Haben Sie solche Modelle auch im Angebot?“, will Susanne Gröhnke wissen. Lukas Wenzel muss lachen: „So etwas würde heute kein Abiturient tragen“, sagt er. „Die jungen Männer wollen nicht so auffallen.“ Ein grafisches Fantasiemuster auf blauem Untergrund sei schon mutig. Das Höchste der Gefühle: eine beige Hose, kombiniert zum blauen Sakko. „Das hatte ich auf meiner Abiturfeier an“, sagt Wenzel. Sein Chef ergänzt: „Ich beobachte, dass sich Männer mehr schmücken. Mit Manschettenknöpfen, Einstecktüchern und Krawatten werden schlichte Outfits aufgepeppt.“

Gegenüber vom Anzug-Geschäft verkauft Claus Burchard Hemden, Schuhe und Accessoires. „Schmale Krawatten und Fliegen in Blau, aber auch Silber, Creme und Rot werden gerne zum Abiball getragen.“

Paare kommen häufig gemeinsam zum Einkaufen

Bei Saskia Hillermann kaufen häufig Paare ein, die gemeinsam zum Ball gehen wollen. Ihnen rät sie, Einstecktuch und Krawatte des Mannes auf die Farbe des Kleides abzustimmen. „Wenn dann der Tanzpartner doch noch spontan wechseln sollte, können die Damen die Kleider natürlich innerhalb von vier Wochen tauschen. Ist alles schon vorgekommen!“