Hamburg/Kiel. Der Welttag der vermissten Kinder soll Betroffenen helfen. Doch trotz großer öffentlicher Anteilnahme haben es Hilfsinitiativen schwer.
Als Hilal 1999 verschwand, zahlte man in der EU noch mit nationalen Währungen. Eine D-Mark hatte Hilal bekommen, um sich in einem Hamburger Einkaufszentrum für ein gutes Zeugnis zu belohnen. Sie kehrte nie zurück.
Mehr als 100.000 Kinder und Jugendliche werden nach Angaben der Hamburger „Initiative Vermisste Kinder“ jährlich in Deutschland als vermisst gemeldet. Die meisten tauchen wieder auf. Die Hälfte der Fälle klärt sich laut Bundeskriminalamt innerhalb der ersten Woche auf, nach einem Monat sind 80 Prozent gelöst. Nur etwa drei Prozent der Vermissten sind nach einem Jahr noch verschwunden. Seit 1983 soll der Welttag der vermissten Kinder, eingeführt vom damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, am 25. Mai auf das Schicksal Betroffener aufmerksam machen.
Öffentlichkeit nimmt großen Anteil
Obwohl das öffentliche Interesse am Thema groß ist, stoßen Organisationen, die sich in der Suche nach vermissten Kindern engagieren wollen, auf viele Hemmnisse. Davon kann auch Daniel Kroll berichten, Sprecher der Hamburger „Initiative Vermisste Kinder“.
Im vergangenen Jahr hat der Verein die europaweite Plattform #missingkidsEU geschaffen. Auf einer Internetseite und unter einer europaweiten Hotline (116.000) können Vermisstenmeldungen aufgegeben werden. Ziel ist eine europaweite Datenbank, die das Wissen von Kinderschützern, Ermittlern und Initiativen zusammenbringen soll.
Die Datenlage ist unübersichtlich
„Um eine solch große Thematik anzugehen, braucht es ein Engagement aller Stellen auf europäischer Ebene“, sagt Kroll und berichtet von Lerneffekten, aber auch von Ernüchterung, die er im vergangenen Jahr erlebt habe: „Mit den uns als Privatinitiative zur Verfügung stehenden Mitteln, können wird uns nur für Einzelfälle einsetzen. Und die Situation ist leider nicht überschaubarer geworden.“
Europäische Ermittlungsbehörden tauschen sich nach dem Schengener Abkommen zwar aus, wenn Vermisstenfälle mehr als ein Land berühren oder zu Kriminalfällen werden. Menschen, nach denen gefahndet wird, werden im Schengen Informationssystem (SIS) erfasst, Fingerabdrücke, Kfz- oder DNA-Daten geteilt. Kriminalakten oder Ermittlungsstände sind aber nicht einsehbar. Öffentlich zugänglich sind die Daten auch nicht.
Hilal und die vermissten Flüchtlinge
In der Hansestadt sei Hilal derzeit der einzige aktuelle Vermisstenfall, teilt das LKA Hamburg mit. Über die Zahl der in Hamburg vermissten minderjährigen Flüchtlinge macht das Kriminalamt zunächst keine Angaben. Dass es aber vor allem sie sind, die in Deutschland vermisst werden, zeigen die Daten aus dem Nachbarland Schleswig-Holstein. Dort listete das LKA am 22. Mai insgesamt 128 Vermisstmeldungen für Flüchtlinge, die zum Zeitpunkt ihres Verschwindens minderjährig waren. Weitere 115 Einträge finden sich in einer Statistik für Langzeitvermisste.
Deutschlandweit lagen den Behörden zum 1. April fast 1000 Vermisstmeldungen für geflüchtete Kinder vor - und mehr als 6000 für Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren, wie das Bundeskriminalamt mitteilt. Viele Fälle erklärten sich dadurch, dass Asylsuchende Unterkünfte verließen, ohne sich abzumelden, sagt eine Sprecherin. Das macht es schwerer, kritische Fälle zu identifizieren.
Menschenhändler eine große Gefahr
Das ist auch aus Sicht des Flüchtlingsrats ein Problem: „Wird unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nicht der ihnen vom Gesetz zustehende Schutz zuteil, laufen sie große Gefahr, Opfer von Menschenhandel zu werden“, heißt es beim Vormundschaftsverein des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein. Eine Befürchtung, die man bei der „Initiative Vermisste Kinder“ teilt: „Die Gefahr, in den Händen von Organhändlern, Menschenhändlern oder im Drogenmilieu zu landen, ist groß.“
Von den Problemen bei der Suche nach Vermissten wollen sich Kroll und seine Mistreiter nicht entmutigen lassen: „Jedes Kind, das vermisst und nicht gefunden wird, ist eins zu viel.“ Das gilt auch für Hilal. „Der Fall ist nicht abgeschlossen“, heißt es beim LKA Hamburg.