Hamburg. Der Containerriese wird nicht der letzte Gigant der Meere in Hamburg sein. Auf den Hafen kommen immense Herausforderungen zu.

Die Hansestadt war gut vorbereitet: Die Marketinggesellschaft des Hafens lud Journalisten und Honoratioren zu einer Barkassenfahrt zum Containerterminal Burchardkai ein. Der Terminalbetreiber HHLA hatte im Hafenbecken weithin sichtbar Container zur Zahl 20.000 gestapelt. Am Kai selbst lag fest vertäut der eigentliche Anlass für den ganzen Aufwand: die „MOL Triumph“, das derzeit zweitgrößte Containerschiff der Welt – und vor allem das größte, das jemals im Hamburger Hafen abgefertigt wurde. Der Riesenfrachter war das erste Schiff, das mehr als 20.000 Container (TEU) laden konnte – 20.170 sind es exakt. Mittlerweile wurde der Frachter von der „Madrid Maersk“ überholt, die 20.568 TEU aufnehmen kann.

Bereits am Montagabend war die 400 Meter lange „MOL Triumph“ von Southampton kommend die Elbe hinaufgefahren, vor Övelgönne hatte das Schiff gestoppt, und mit Schlepperhilfe parkte es rückwärts in den Hafen ein – sicher und sogar ein paar Minuten eher als angekündigt. Es war ein reibungsloser Erstanlauf und für Hamburg eine Zäsur, aber definitiv kein einmaliges Ereignis.

Im Auge der "MOL Triumph" im Hamburger Hafen

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    Dem Mega-Frachter werden zahlreiche weitere folgen. Für Juli hat sich bereits das baugleiche Schwesterschiff „MOL Trust“ im Hamburger Hafen angemeldet. Insgesamt hat die japanische Reederei Mitsui O.S.K. Lines (MOL) sechs Frachter dieser Größenordnung bestellt, die bis Januar 2018 abgeliefert werden. Auch sie sollen im Rahmen eines regelmäßigen Liniendienstes zwischen China, Südostasien und Nordeuropa Hamburg anlaufen. Hinzu kommen sechs Schiffe der arabischen Reederei United Arab Shipping Company (UASC) mit einer Kapazität von 18.800 TEU. Alle werden im wöchentlichen Wechsel die Hansestadt besuchen. Der Anblick der Containerriesen dürfte also bald für die Hamburger zur Normalität werden.

    Horch wirbt für Elbvertiefung

    „Für unseren Hafen bricht ein neues Zeitalter an“, sagt Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). Galten noch vor einigen Jahren Schiffe mit einer Ladekapazität von 8000 Standardcontainern als gigantisch, sind sie heute vergleichsweise klein. Laut Thomas Wybierek, Schifffahrtsanalyst der Nord LB, werden in diesem Jahr weitere 21 Frachter, die 18.000 Container oder mehr laden können, auf Jungfernfahrt gehen. Im kommenden Jahr dürften es dann sogar weitere 26 Giganten der Meere sein. „Der Einsatz großer Schiffe wird durch die konjunkturelle Krise noch verstärkt“, sagt Horch voraus. Denn Größe bringt letztlich Kostenvorteile.

    „Auf den Hauptlinien zwischen Asien, Europa und Amerika erleben wir derzeit als primäre Reaktion auf geringere Ladungsvolumina die Herausnahme der kleineren Schiffe. Die Ladung wird, soweit es geht, auf die großen und modernsten Schiffe verlegt“, so der Wirtschaftssenator. Deswegen sei die Anpassung der Elbe an die Tiefgänge der großen Schiffe dringend geboten, warb Horch zugleich für die Elbvertiefung.

    Weil diese noch nicht vollzogen werden konnte, ist derzeit jeder größere Schiffsanlauf eine komplizierte Rechenaufgabe, wie auch das Beispiel der „MOL Triumph“ zeigt. „Das Schiff ist mit einem Tiefgang von 13,90 Metern in Hamburg eingelaufen, und es wird den Hafen mit einem Tiefgang von 12,40 Metern wieder verlassen“, sagt der Nordeuropa-Geschäftsführer der japanischen Reederei MOL, Jan Holst. „Damit reizen wir den derzeit maximal verfügbaren Tiefgang auf der Elbe voll aus.“ Holst sagt aber auch: „Das Schiff ist nur mit 10.500 TEU beladen nach Hamburg gekommen. Mit Elbvertiefung könnten wir wohl 1000 bis 2000 Boxen mehr laden.“ Eine noch imposantere Rechnung macht der operative Vorstand der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Jens Hansen, auf: „Wir werden bei diesem Schiffsanlauf rund 10.000 TEU umschlagen. Mit der Fahrrinnenanpassung wären schließlich 15.000 TEU möglich.“

    Neue Containerbrücken für Riesenschiffe

    Bereits vor Monaten haben sich Vertreter der Reederei MOL und der Hafenbehörde zusammengesetzt, um den Erstanlauf der „Triumph“ zu planen. „Das ist bei allen – Lotsen, Schleppern, Hafenbehörden und Terminal – hervorragend vorbereitet worden“, sagt Jochen Veldmann von MOL: „Das zeigt die Qualität dieses Hafens. Wenn andere Länder die deutsche Wertarbeit schätzen, dann gilt das auf dem maritimen Sektor für den Hamburger Hafen.“ Und was der Ex-Nordeuropa-Chef und jetzige Chef-Berater von MOL sagt, hat am Ende doppelt Gewicht, sein Wohnsitz ist nämlich in Rotterdam, also dort, wo Hamburgs größter Konkurrenzhafen liegt.

    Er und Holst stehen stolz auf der Barkasse und präsentieren den Gästen ihr Riesenschiff. Viele lehnen mit ihren Fotoapparaten an der Reling und wissen gar nicht, wie sie den Stahlrumpf in voller Größe auf das Bild bekommen sollen. Denn der Frachter ist so lang, dass er am Ende sogar zwei Liegeplätze am Burchardkai blockiert.

    Dreistellige Millionenbeträge hat die HHLA in den Ausbau des Containerterminals investiert. Da die Schiffe nicht nur länger, sondern auch höher und breiter werden, musste der Hafenkonzern sogar neue Containerbrücken anschaffen, die über die gesamte Breite der Mega-Schiffe reichen. Zudem erhöhte die HHLA ihre Lagerkapazitäten und beschleunigte den Ablauf. Denn die neuen Großschiffe bringen bei einer einzigen Ankunft so viel Ladung wie zwei kleinere über mehrere Tage verteilt. „Die HHLA hat sich in den vergangenen Jahren durch Investitionen in neue Brückentechnik und Lagerkapazitäten zielgerichtet auf die Abfertigung von Großschiffen wie die ,MOL Triumph‘ vorbereitet“, sagt Hansen.

    470 Arbeiter für Abfertigung bereitgestellt

    Auch das Personal am Burchardkai musste sich darauf einstellen. Die Mega-Schiffe kommen seltener als die etwas kleineren, bringen punktuell aber deutlich mehr Ladung. Das fordert auch mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten. In sieben Schichten von jeweils acht Stunden werden die Terminalmitarbeiter der HHLA nahezu durchgehend an der „MOL Triumph“ arbeiten, bevor sie Donnerstagfrüh um 4.00 Uhr wieder den Hafen verlässt. Insgesamt 470 Mitarbeiter hat die HHLA für die Abfertigung des Schiffes bereitgestellt.

    Schließlich musste auch die Hinterlandanbindung ausgebaut werden. Bei einem Großschiff der 20.000-TEU-Klasse werden nach einer Studie der Marketingorganisation des Hafens, in Hamburg bis zu 14.500 TEU umgeschlagen. Davon gehen 5410 TEU mit kleineren Schiffen sofort wieder auf See. Die restlichen 9090 TEU müssen ins Hinterland gebracht werden. Rund 3200 Lkw-Fahrten, Dutzende Züge und zwei Binnenschiffe benötigt man dafür. Ein Kraftakt für den Hamburger Hafen.