Hamburg. Im Allee Theater gab es das Doppel „Das Medium“ und „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“. Ein berührender Abend.

Wer wagt, gewinnt. So heißt es. Ein Wagnis war es allemal, dass Birgit Scherzer, die Ex-Intendantin des Allee Theaters in dieser Spielzeit zwei Originalwerke des 20. Jahrhunderts aufs Programm setzte. In der Hamburger Kammeroper, wo sonst Bearbeitungen von Opernklassikern gegeben werden, gingen am Freitag „Das Medium“ von Peter Maxwell Davies und Michael Nymans „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ über die Bühne. Künstlerisch war die Doppel-Premiere ein voller Erfolg. Schade nur, dass ihr Mut zu Wagnissen Scherzer inzwischen ihr Amt gekostet hat. Nach internen Auseinandersetzungen hatte sie ­gekündigt und war dann kurzfristig freigestellt worden,

Davies’ „Das Medium“ ist ein extremes Stück. Ein 50-Minuten-Monolog, der von einer Sängerin alleine, ohne ­jede Begleitung bestritten wird. Man folgt der Protagonistin in die Abgründe ihres Wahnsinns. Ein Kind ist verschwunden. Hat sie es ermordet? Oder ist es ihr eigenes Schicksal, das sie erzählt? Das Medium fantasiert sich in verschiedenste Rollen hinein, sie ist mal arme Sünderin, mal Hausherrin, Dienstmagd, Lustobjekt oder Mordopfer.

Stück zieht die Zuschauer in seinen Bann

Für die Sopranistin Kristin Ebner wird „Das Medium“ vermutlich eine ihrer Paraderollen. Mit vollem Körper- und Stimmeinsatz schaffte sie es, das Publikum in die Welt dieser armen Irren hineinzuziehen. Das konnte beklemmend und bisweilen fast schmerzlich intim sein. Vor allem war es intensiv. Wie sehr einen diese Geschichte in ihren Bann schlug, merkte man nach gut einer Stunde beim Blick auf die Uhr. Was, schon vorbei?

Nymans „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ könnte lustig sein, wenn es nicht so traurig ­wäre. Der Protagonist, Dr. P., stolpert durch eine Welt, die er nicht versteht. Er kann Worte, Namen, Gesichter und Erfahrungen nicht mehr zuordnen. Die Freude am Leben aber lässt Dr. P. sich nicht nehmen. Titus Witt verkörperte auf charmante Art den ehemaligen Konzertsänger, der neben der Spur und trotzdem glücklich ist. Seine Liedeinlage mit Schumanns „Ich grolle nicht“ war einer der emotionalen Höhepunkte des Abends. Natascha Dwulecki und Ansgar Matthes überzeugten darstellerisch und sängerisch als Ehefrau und Neurologe des Dr. P. Die Musik aus dem Orchestergraben bildete zu diesem ­Geschehen einen Klanghintergrund. Michael Nymans Minimal Music ist stets harmonisch, aber voller nervöser, treibender Bewegung. Und obwohl im Graben nur sieben Musiker saßen, musste Dirigent Ettore Prandi doch Acht geben, dass die Sänger in diesem Klangstrom nicht untergingen.

Ein berührender Musiktheaterabend

Sollte es im Publikum Skeptiker ­gegeben haben, die zweifelten, ob Werke des 20. Jahrhunderts wirklich ihr Fall sind, so waren die, dem Applaus nach zu urteilen, am Ende des Abends von dem Erlebten restlos überzeugt. Auch dank der sensiblen Personenführung von ­Regisseurin Ini Gerath war dies ein berührender Musiktheaterabend.

„Das Medium“/„Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“ weitere Vorstellungen ab 19.5., das Stück läuft bis zum 25.6., Infos und Karten: www.alleetheater.de