Hamburg. Mehr als 20 Organisationen distanzieren sich von den Zielen. Dabei geht es auch um zwei umstrittene Redebeiträge.
Brücken sollen gebaut werden am Sonnabend, Menschen sollen zusammengeführt und das Gemeinsame betont werden. So ist es auf der Homepage des Hamburger Frauen- und MigrantInnenmarschs zu lesen, der um 14 Uhr auf dem Rathausmarkt beginnt. Doch vor der Premiere hat ein Streit um die Ziele die ursprünglich breite Basis der Unterstützergruppen entzweit.
Bis Freitagmittag haben 23 Organisationen eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich von der Veranstaltung distanzieren. In der Erklärung werfen sie Initiatorin Hourvash Pourkian vom Verein Kulturbrücke Hamburg vor, die „Philosophie der Veranstaltung in eine Haltung verdreht“ zu haben, „mit der wir uns eindeutig nicht identifizieren können und die zudem klar unseren Prinzipien widerspricht“.
Anstoß nehmen die Vereine und Interessenverbände vor allem an einer Passage, die auf der Homepage des Frauen- und MigrantInnenmarschs als „Idee“ hinzugefügt und mittlerweile wieder entfernt worden ist. Darin wurde als Ziel propagiert, „Frauen, die aus Angst ein Kopftuch tragen, aufzuklären“. Verschleierung als Symbol der Ausgrenzung sei mit Emanzipation und Feminismus nicht vereinbar und auch nichts Islamisches, sondern „ein historisches Produkt der patriarchalen Gesellschaft, um Frauen zu kontrollieren“.
Offizielle Redebeiträge gestrichen
Damit, so die Kritik, würden Kopftuch tragende Frauen „in einem bevormundenden und belehrenden Ton“ entmündigt und stigmatisiert. Diese Haltung widerspreche dem Gedanken eines toleranten Miteinanders in einer offenen, zugewandten Gesellschaft. Anstoß nehmen die Unterzeichner auch an den geplanten Auftritten der Soziogin Necla Kelek („eine prominente Vertreterin von anti-islamischen Weltanschauungen“) und von Zana Ramadani, Autorin des Buchs „Die verschleierte Gewalt“.
Verfasst wurde das Statement von den Organisationen Sisters’ March und der Schura, dem Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg. Unter den Unterzeichnern finden sich auch so islamferne Organisationen wie die Jüdische Gemeinde Pinneberg und der Paritätische Wohlfahrtsverband.
„Darüber war ich total perplex“, sagte Frauenmarsch-Initiatorin Pourkian. Dass der Protestzug hinter ihrem Rücken sabotiert werde, sei nicht solidarisch. Sie wolle niemanden ausgrenzen, ganz im Gegenteil: „Wir treten mit der Veranstaltung für demokratische Strukturen ein und breiten für alle die Arme aus. Gerade für Frauen und Mädchen, die aufgrund ihres Kopftuchs die Erfahrung machen, ausgegrenzt zu werden, ist es eine Chance, miteinander in den Dialog zu treten und auch Freundschaften zu schließen.“ Dazu gebe es im Anschluss an den Marsch um die Alster zwischen 17 und 20 Uhr auf dem Rathausmarkt ausreichend Gelegenheit.
Kelek und Ramadani wollen trotzdem kommen
Pourkian war den Kritikern insoweit entgegengekommen, als sie die Kopftuchpassage von der Homepage gelöscht und alle offiziellen Redebeiträge gestrichen hat. Vor allem im Fall Keleks sei das auch für sie ein Anliegen. Die in der Türkei geborene Soziologin und Publizistin hatte einst die umstrittenen Einwanderungsthesen des ehemaligen SPD-Politikers und Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin gegen Kritik verteidigt. „Sarrazin ist auch für mich ein rotes Tuch“, sagt Pourkian, die 1958 in der iranischen Hauptstadt Teheran geboren wurde und 1974 nach Hamburg kam.
Allerdings hätten Kelek wie auch Ramadani ihre Teilnahme am Frauenmarsch zugesagt. „Und wir werden spontan entscheiden, ob es nicht doch einen Redebeitrag gibt.“ Ihre eigene Haltung zur Verschleierung von Frauen und vor allem Mädchen will die Unternehmerin und Autorin Pourkian als „persönliche Meinung“ verstanden wissen – von der sie inhaltlich aber auch nicht abrücke. Im Übrigen erwarte sie am Sonnabend auch viele Kopftuch tragende Frauen am Rathausmarkt.
Zum ganz breiten gesellschaftlichen Austausch aber wird es wohl diesmal nicht kommen. Er soll bald nachgeholt werden. Pourkian will die abtrünnigen Interessengruppen in zwei Wochen zum Dialog einladen.
Korrektur: In der ursprünglichen Version des Artikels hatten wir zunächst die Angabe übernommen, dass die Jüdische Gemeinde in Hamburg zu den Unterzeichnern der Erklärung gehört. Dies hat sich als Fehler herausgestellt. Tatsächlich hat nicht die Jüdische Gemeinde in Hamburg, sondern die Jüdische Gemeinde Pinneberg diese Erklärung unterzeichnet. Wir bitten um Entschuldigung! Die Redaktion.