Altstadt. Flüchtlingsheim – Andreas Dressel setzte sich massiv für teuren Mietvertrag ein. Harsche Kritik der Opposition

Gut gemeint ist das Gegenteil von gut. So geht eine Volksweisheit, und der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Andreas Dressel, wird sich dieser Tage fragen (müssen), ob er in Volksdorf bei der Suche nach einem Grundstück für ein Flüchtlingsheim am Ende zwar etwas Gutes erreicht, dabei aber die Grenzen des Erlaubten zumindest gedehnt hat.

Worum geht es? Die faire Verteilung von Flüchtlingen über Hamburg ist ein Kernelement der im vergangenen Sommer geschlossenen Bürgerverträge. Was Stadt und Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ vereinbarten, bedeutet für die Politik(er) vor Ort nicht selten eine komplizierte Suche nach einem geeigneten Standort.

Dabei sind Ressentiments von Anwohnern oft nicht das Problem. Vielmehr verlangt selbst ein kleines Flüchtlingsheim gewisse organisatorische Vor­aussetzungen. Wie ist die Fläche geschaffen, auf der es errichtet werden soll? Kann die Stadt die Fläche kaufen, oder muss sie eine Miete zahlen? Gibt es Schulen und medizinische Einrichtungen in der Nähe? Wie ist das Grundstück an den Nahverkehr angebunden?

Im konkreten Fall geht es um den Teil eines Ackers an der Eulenkrugstraße. Dort plant das städtische Unternehmen „Fördern & Wohnen“ (f&w) die Errichtung eines Dorfes für 260 Flüchtlinge, das 15 Jahre bestehen soll. Das Unternehmen unterschrieb im Dezember einen Mietvertrag, demzufolge letzten Endes jährlich 90.000 Euro bezahlt werden müssen. Die örtliche Bürgerinitiative „Lebenswerter Buchenkamp“ und Naturschützer signalisierten Zustimmung.

Nun hat die NDR-Sendung „Panorama“ berichtet, dass es bei der Einigung über die Miete, in die Fraktionschef Dressel eingebunden war, womöglich nicht ganz koscher zugegangen sei. Der von den Eigentümern geforderte Mietpreis stieß nämlich beim Zentralen Flüchtlingskoordinator (ZKF) zunächst auf Widerstand. So zitiert ­„Panorama“ aus einer im April 2016 erstellten Einschätzung eines städtischen Immobilienexperten, der empfahl, das Angebot als utopisch abzulehnen. Noch im Juni vergangenen Jahres schrieben – so „Panorama“ weiter – ZKF-Mitarbeiter an Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), die seinerzeit geforderten 94.000 Euro jährlicher Miete lägen rund 70.000 Euro über dem, was die Stadt maximal zahlen sollte. Dennoch kam am Ende der Deal mit marginalen Korrekturen zustande. Die CDU-Fraktion verlangt jetzt die Herausgabe sämtlicher Akten zu diesem Vorgang. In einem Antrag für die Bürgerschaft verweist sie auf „umfangreiche Bedenken der Hamburger Verwaltung bezüglich der Konditionen, Inhalte und Vertragspartner des Mietvertrages“. Vor allem aber hat sie den SPD-Fraktionschef im Visier. „Offenbar hat Andreas Dressel massiv von der Verwaltung verlangt, einen fragwürdigen Vertrag zu überhöhten Mieten abzuschließen“, sagt der CDU-Abgeordnete Thilo Kleibauer.

CDU-Fraktionsvize Karin Prien fragt ergänzend: „Wie kann es passieren, dass auf Betreiben eines SPD-Wahlkreisabgeordneten der Senat alle Grundsätze ordnungsgemäßen Haushaltens über Bord schmeißt und trotz Untreueverdachts und massiver Widerstände der Beamten völlig überteuert das Grundstück pachtet?“

Andreas Dressel ist für die CDU ein lohnenswertes Ziel

Dressel ist für die Christdemokaten ein lohnenswertes Ziel. Als Chef der größten Regierungsfraktion gilt er nach Bürgermeister Olaf Scholz als Nummer zwei in der Machthierarchie der SPD. Wer ihn beschädigt, trifft zudem auch den Senatschef. Ferner dürfte der Fraktionsvorsitzende Scholz’ Nachfolger werden, sollte dieser einmal sein Amt als Erster Bürgermeister aufgeben.

Allerdings hat Dressel auch in eigenen Reihen mit Widerstand zu kämpfen. Nachdem der Senat Flüchtlinge ursprünglich in wenigen Großsiedlungen unterbringen wollte, gehörte der Politiker zusammen mit Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks zu dem sogenannten „A-Team“, das mit der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ die Verteilung der Flüchtlingsheime über der ganzen Stadt vereinbarte.

Nicht jeder bei den Sozialdemokraten, in den Behörden und in den Bezirksämtern war glücklich über die Verständigung. Dass ein Beamtenapparat verzögern kann, ist allgemein bekannt. Womöglich erklärt behördliche Hinhaltetaktik das ungeduldige Nachfragen Dressels bei Sozialsenatorin Melanie Leonhard. „Panorama“ zitiert jedenfalls aus mehreren drängenden Mails des Fraktionschef an die Senatorin. Womit man bei der Bewertung des Vorgangs ist. In der Sache ist Dressel nichts vorzuwerfen. Volksdorf eignet sich gut für die Integration von Flüchtlingen. Jeder weiß allerdings, dass die Grundstückspreise dort hoch sind. Und was die 90.000 Euro Miete angeht: Allein 2016 zahlte Hamburg bei der Flüchtlingsunterbringung für Mieten und Pacht fast 77 Millionen Euro.

Zudem ist es legitim, wenn sich ein Wahlkreisabgeordneter bei Behörden für die Umsetzung einer sinnvollen politischen Vereinbarung starkmacht – auch wenn die Union zu Recht die Frage aufwirft, ob der SPD-Fraktionschef zu weit gegangen ist. Allerdings: Was wäre gewesen, wenn Dressel mit Verweis auf die hohe Miete eine Flüchtlingsunterkunft in seinem Wahlkreis verhindert hätte?

Eine grundsätzliche Frage stellt sich allerdings: Wie erpressbar ist die Stadt bei der Suche nach Grundstücken für Flüchtlingsheime? Im Falle des Volksdorfer Grundstücks hätte man sicher auch eine Enteignung der Besitzer in Betracht ziehen können.