Hamburg. Die Mehrheit in Hamburg lebender türkischer Wähler hat für die Einführung des umstrittenen Präsidialsystems Erdogans gestimmt.

Am Ende haben nur wenige Hunderttausend Stimmen den Ausschlag gegeben. Das denkbar knappe Ergebnis beim Referendum über die umstrittene Verfassungsänderung in der Türkei hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan nicht davon abgehalten, noch am Sonntagabend von einer "historischen Entscheidung" zu sprechen, die sein Volk nun getroffen habe. Erst Stunden später hat die türkische Wahlkommission das "Ja"-Lager schließlich zum Sieger des Referendums erklärt. Nach inoffiziellen Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu haben nach Auszählung von 99,23 Prozent aller Wahlurnen 51,3 Prozent der Wähler für die Einführung eines Präsidialsystems gestimmt, das Erdogan mächtiger machen wird denn je.

In Hamburg sind Menschen in kleinen Autokorsos durch die Straßen gefahren
In Hamburg sind Menschen in kleinen Autokorsos durch die Straßen gefahren © HA | Michael Arning

Während sich der Präsident und Parteiangehörige der AKP in Istanbul von begeisterten Anhängern bejubeln ließen, zogen auch in deutschen Großstädten Feiernde zu den zentralen Plätzen. In Hamburg hallte durch die Straßen das Gehupe kleiner Autokorsos, die mit Türkei-Flaggen geschmückt waren. Eine zunächst angestrebte Versammlung vor dem türkischen Generalkonsulat an der Ecke Tesdorpfstraße/Mittelweg unweit des Dammtorbahnhofs kam aber nicht zustande. "Wir haben das vor Ort überprüft und nur wenige Personen angetroffen", sagte ein Sprecher des polizeilichen Lagediensts. Die Beamten mussten sich stattdessen auf die Sternschanze konzentrieren.

200 Vermummte ziehen durch die Schanze

Ab der Weidenallee sollen nach Angaben des Lagediensts ab 22.15 Uhr bis zu 200 Vermummte durch die Straßen gezogen sein und mit Steinen Fenster an Häusern und Autos eingeworfen haben. "Da ist der Teufel los", sagte der Sprecher weiter. Die Polizei hat umgehend die Alarmreserve aus den anderen Stadtteilen zusammengerufen und sich im Bereich der Sternschanze mit zahlreichen mit Schutzkleidung ausgerüsteten Kräften positioniert. Der Aufzug Randalierender hat sich in der Zwischenzeit offenbar aufgelöst.

Unklar sei, ob es sich bei den Vermummten um Linksextreme oder Zugehörige anderer Lager handelt, sagte der Sprecher. Dies werde nun ermittelt. Dass der Aufzug in Zusammenhang mit dem Ergebnis des türkischen Referendums steht, ist jedoch mehr als wahrscheinlich.

Türken in Hamburg stimmten für "Ja"

Im Ausland lebende Türken waren bereits in der Vorwoche aufgerufen, über die Verfassungsänderung abzustimmen. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, haben mehr als 63 Prozent der in Deutschland registrierten türkischen Wähler für das Präsidialsystem und damit gegen das parlamentarische Regierungssystem gestimmt. Bis zum 9. April gaben den inoffiziellen Angaben nach 48,73 Prozent oder 696.863 der 1.430.127 der Wahlberechtigten hierzulande ihre Stimme ab.

Ähnlich stellen sich demzufolge die Verhältnisse in Hamburg dar. In der Hansestadt sollen 61,1 Prozent für Erdogans Verfassungsänderung gestimmt haben. Insgesamt hat auch hier etwa die Hälfte (50,3 Prozent) der 83.852 Wahlberechtigten an der Abstimmung über die grundlegende Verfassungsänderung teilgenommen.

Bis zum Sonntag waren etwa 55,3 Millionen Wahlberechtigte in der Türkei aufgerufen, über die Einführung eines Präsidialsystems zu entscheiden. Im Inland soll die Wahlbeteiligung bei rund 87 Prozent gelegen haben. Angesichts des knappen Ergebnisses wollte die Opposition eine Niederlage nicht einräumen, monierte großflächige Unregelmäßigkeiten bei der Wahl und kündigte Proteste gegen das Ergebnis an.

Die Geschehnisse des Abends zum Nachlesen im News-Blog: