Hamburg. Angespannte Stimmung in der Hamburger AfD: Nicole Jordan kündigt Kampfkandidatur für Bundestagswahl via Facebook an.
Die Stimmung in der Bürgerschaftsfraktion der AfD ist, gelinde gesagt, derzeit ziemlich angespannt. An diesem Sonntag will die Partei die Landesliste für die Bundestagswahl am 24. September aufstellen. Und die beiden, die für den derzeit als einzig sicher geltenden Listenplatz eins gegeneinander antreten, arbeiten gewissermaßen Tür an Tür und begegnen sich ständig auf dem Flur.
Dass der Ko-Fraktionsvorsitzende Bernd Baumann, der zugleich auch AfD-Landeschef ist, nach Berlin strebt, ist nicht weiter überraschend. Baumann kennt die AfD-Akteure auf Bundesebene und ist gut vernetzt. Doch seine Herausforderin ist ausgerechnet eine seiner Mitarbeiterinnen: Nicole Jordan, im Ehrenamt auch Landesschatzmeisterin der AfD, ist als Fraktionsassistentin tätig. Es tritt die Angestellte gegen ihren Chef an. Nun gehören Kampfkandidaturen zur Normalität in Parteien, so jungen wie der AfD allemal.
Doch dieser Fall ist noch aus anderem Grund etwas spezieller: Jordan hat ihre Bewerbung um das Bundestagsmandat via Facebook angekündigt und nicht etwa zuerst ihrem Landesvorsitzenden direkt mitgeteilt. Das ist bei manchen Parteigrößen, denen bürgerliche Umgangsformen wichtig sind – Baumann eingeschlossen –, nicht besonders gut angekommen.
Bernd Baumann muss um die Spitzenkandidatur bangen
Natürlich sind das nur Förmlichkeiten, die letztlich nicht mehr zählen werden. Hinter der Kulissen wird der Wahlkampf jedoch mit harten Bandagen geführt. Beide Seiten versuchen, ihre Getreuen zu mobilisieren. In der AfD entscheidet eine Mitgliederversammlung über die Bundestagskandidaten. Jedes der rund 600 Mitglieder hat Stimmrecht, er oder sie muss eben nur kommen. Insider gehen davon aus, dass die Wahl kein Selbstgänger für Baumann wird. Je mehr AfDler teilnehmen, desto größer würden Baumanns Chancen, heißt es. Kommen weniger, dann steigen Jordans Aktien.
Die Lage wird dadurch komplizierter, dass möglicherweise weitere Bewerber um Platz eins erwartet werden. So hat Jens Eckleben, Vorsitzender der AfD Nord, auf einer internen Versammlung angekündigt, ebenfalls antreten zu wollen. Eckleben gehörte bis 2011 der als rechtspopulistisch geltenden Partei „Die Freiheit“ an, deren Landesvorsitzender er zuletzt war. Die Partei wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
Jordan und möglicherweise auch Eckleben versuchen, sich eine Anti-Stimmung in Teilen der Parteibasis zunutze zu machen. Nicht wenige AfDler sehen die Arbeit von Parteispitze und Fraktion sehr kritisch. „Die da oben“ machten zu wenig Krawall, lautet ein Vorwurf. Die AfD agiere in der Bürgerschaft zu angepasst, lasse sich zu sehr auf die parlamentarischen Arbeitsweisen und Gepflogenheiten ein. Das richtet sich neben Fraktionschef Jörn Kruse nicht zuletzt gegen Baumann. Manch extremer gestimmter Parteifreund sieht den Landesverband schon auf dem Weg zu einer bloß etwas rechteren CDU oder einer Art national orientierten FDP.
Umgang mit Rechtsaußen Ludwig Flocken spaltet Partei
Dabei spielt die Diskussion über den wegen Rechtsaußen-Meinungen und extremen Anti-Islam-Positionen aus der Fraktion ausgeschlossenen Abgeordneten Ludwig Flocken, der aber nach wie vor der Partei angehört, eine wichtige Rolle. Rechte Gruppierungen in der AfD werfen dem Landesvorstand vor, nach wie vor ein Parteiausschlussverfahren gegen Flocken zu betreiben. Und kritisch wird auch gesehen, dass die Fraktion nicht scharf gegen den Ausschluss Flockens von der Bürgerschaftssitzung Anfang März protestiert hat. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit hatte den Orthopäden aus Bergedorf aus dem Plenarsaal verwiesen, nachdem er in einer Rede Kanzlerin Angela Merkel vorgeworfen hatte, sie empfinde „Ekel“ vor der Deutschland-Fahne.
Flocken geht es immer um das Nationale: Er ist Unterzeichner der Erfurter Resolution, die der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke angestoßen hatte. Nun ist Flocken nicht unbedingt ein Sympathieträger innerhalb der AfD, aber er ist seit dem Rauswurf in eine Art Märtyrerrolle hineingewachsen.
Die verbreitete Stimmung gegen das Establishment von Partei und Fraktion versucht Jordan auf ihre Mühlen zu lenken, obwohl sie selbst ja Teil der Parteiführung ist. Aber: Gegensätzlicher als Baumann und Jordan können Kandidaten kaum sein. Hier der bürgerlich geprägte Akademiker und frühere Manager. Dort die Ex-Betriebsratsvorsitzende, die früher in der SPD war, in Wilhelmsburg wohnt und sich nicht zu schade war, mit ihrer Familie in der RTL-Sendung „Der Trödeltrupp“ aufzutreten – einem Format, in dem Menschen unter anderem geholfen wird, aus alten Sachen Geld zu machen. Jordan ist in der AfD nicht zuletzt dadurch bekannt geworden, dass mehrfach Farbanschläge aus dem linksextremen Spektrum auf ihr Haus verübt wurden.
Die Unterstützer Baumanns halten Jordan ihre fehlende parlamentarische Erfahrung vor. Sie hätte es demnach schwer, sich in Berlin als Abgeordnete durchzusetzen. Doch wird kaum jemand die Kampagnenfähigkeit der resoluten Schatzmeisterin unterschätzen: Jordan war im vergangenen Jahr auf Landesparteitagen der schleswig-holsteinischen AfD gegen Julian Flak zu Felde gezogen, um dessen Bundestagskandidatur zu vereiteln. Flak, der Mitglied des Bundesvorstands ist, stammt wie Jordan aus der AfD Mitte, lebt aber mittlerweile in Schleswig-Holstein.
Gerangel gibt es bei der AfD auch um Platz zwei
Auch Platz zwei der AfD-Liste für die Bundestagswahl wird umkämpft sein. Hier wird unter anderem mit einer Kandidatur von Delphine Thiermann gerechnet, der stellvertretenden Vorsitzenden der „Jungen Alternative“, der auch gute Kontakte zur „Identitären Bewegung“ nachgesagt werden. Allerdings müsste die AfD bei der Bundestagswahl rund 14 Prozent in Hamburg holen, was Parteistrategen in der jetzigen Lage als ziemlich unwahrscheinlich ansehen.