hamburg. Nach demokratiefeindlichen Äußerungen aus dem Umfeld der islamischen Religionsgemeinschaft Ditib geht der Senat in die Offensive
Vor dem Tor steht eine Trauergemeinde. Zwei Särge stehen auf dem Boden, Imame schütteln Hände und spenden Trost, hinter ihnen leuchtet eine neue Elbkinder-Kita aus hellem Holz neben einer Kirche. Die türkische Muradiye-Moschee wirkt am Dienstagnachmittag von außen wie ein perfekt integrierter Teil von Wilhelmsburg. Ein krasser Gegensatz zu der Mitteilung, die die Behörde von Innensenator Andy Grote (SPD) kurz zuvor verbreitet hat. „Muradiye-Moschee: Verfassungsschutz prüft mögliche extremistische Strukturen“, ist sie überschrieben.
Erstmals nehmen die Sicherheitsbehörden eine Moschee der von der Türkei kontrollierten Religionsgemeinschaft Ditib in Hamburg offiziell ins Visier. Den Anlass gaben Einträge von
Ishak Kocaman, dem Vorsitzenden des Trägervereins, bei Facebook. „Demokratie ist für uns nicht bindend. Uns bindet Allahs Buch, der Koran“, hatte Kocaman geschrieben. Er spucke „auf das Gesicht der Türken und Kurden, die nicht den Islam leben“. Kocaman distanzierte sich von den Äußerungen, er habe lediglich fremde Aussagen zitiert. Dennoch trat er als Vorsitzender des Vereins zurück.
Der Verfassungsschutz sicherte die Beiträge, bevor sie im Internet gelöscht wurden. Das galt auch für die Facebook-Seite „eines Jugendlichen aus dem Umfeld der Wilhelmsburger Ditib-Jugendarbeit“, so die Innenbehörde, der den türkischen Präsident Erdogan aufgefordert hatte: „Mein Führer, gib uns den Befehl, und wir zerschlagen Deutschland.“ Schließlich fiel die Entscheidung, die Moschee zu überprüfen. „Unser Verfassungsschutz hat bereits in den vergangenen Jahren kritische Einzelfälle im Umfeld dieser Moschee festgestellt“, sagte Innensenator Grote. „Die jüngsten demokratiefeindlichen Äußerungen sind ein weiterer Anhaltspunkt und bedeuten eine neue Qualität.“ Der Staat müsse äußerst wachsam sein, wenn Extremisten versuchten, in Moscheen an Einfluss zu gewinnen.
Die Prüfung ist auch als Warnschuss für Ditib als Betreiber vieler Moscheen in Hamburg und als Partner eines Staatsvertrags mit der Stadt zu verstehen. Im Bezug auf die Muradiye-Moschee spricht Grote von einem „problematischen Gesamtbild“, das langfristig zu einer teilweisen oder umfänglichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz führen könnte. Zwar begrüßte der Senat, dass die Ditib-Landesspitze sich am Freitag von antidemokratischen Äußerungen scharf distanziert habe. Aber bereits die Verbreitung von weihnachtsfeindlichen Karikaturen und bundesweite Berichte über Bespitzelungen von mutmaßlichen türkischen Oppositionellen durch Ditib-Imame hatten auch die Hamburger Verfassungsschützer alarmiert.
Die Vorwürfe gegen Ditib sind am Mittwoch auch Thema in der Bürgerschaft, haben aber bereits am Dienstag eine Debatte ausgelöst: „Nachdem sich Rot-Grün eine Woche gesträubt und die Vorwürfe verharmlost hat, wird der Senat endlich tätig“, sagte CDU-Fraktionschef André Trepoll. Er erwarte, dass die Gesamtstrukturen von Ditib Nord vom Verfassungsschutz unter die Lupe genommen werden. Auch die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Anna von Treuenfels-Frowein sprach von einem überfälligen Schritt: „Offenbar handelt der rot-grüne Senat immer erst dann, wenn der öffentliche Druck zu groß wird.“ AfD-Fraktionschef Jörn Kruse brachte es so auf den Punkt. „Besser spät als nie.“ Aus seiner Sicht handele es nicht um einen Einzelfall, sondern um ein strukturelles Problem bei Ditib.
Die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Andreas Dressel und Anjes Tjarks, betonten, dass Rot-Grün keine Nachhilfe benötige: „Ein guter und notwendiger interreligiöser Dialog hält uns nicht davon ab, bei antidemokratischen Tendenzen genau hinzuschauen. Auf diesem Weg werden wir konsequent weitergehen.“