Harvestehude. Schule evakuiert. Verdächtige Häufung von Pfefferspray-Attacken in jüngster Zeit
Solche Fälle werden für die Feuerwehr und die Polizei allmählich traurige Routine: Schon wieder ist Reizgas in einer Schule versprüht worden. Am Montagmittag rückte die Feuerwehr mit einem Großaufgebot zum Wilhelm-Gymnasium am Klosterstieg aus. Ein bisher unbekannter Täter hatte im Bereich des Lehrerzimmers Pfefferspray versprüht. Nachdem zunächst zwei Lehrer über einen starken Hustenreiz geklagt hatten, ließ die Schulleitung das Gymnasium aus Sicherheitsgründen komplett räumen.
Die Feuerwehr hatte um 12.45 Uhr den Alarm „Massenanfall von Verletzten“ ausgelöst, sechs Rettungswagen und ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) rasten zum Wilhelm-Gymnasium, 30 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Nach Angaben von Feuerwehrsprecher Jan Ole Unger klagten wenigstens zwei Lehrer über Atembeschwerden und Augenreizungen. Insgesamt seien drei Personen untersucht und behandelt worden. Allerdings habe niemand ins Krankenhaus befördert werden müssen.
Gleichzeitig nahm ein Umweltzug der Feuerwehr Messungen vor, konnte aber keine gefährdenden Stoffe mehr in der Raumluft feststellen. Nach Belüftung der Gebäude konnte der Unterricht von der siebten Stunde an planmäßig fortgesetzt werden. In einem Brief an die Eltern und das Kollegium kündigte die Schulleitung an, Strafanzeige zu erstatten. Die Polizei hat bereits die Ermittlungen aufgenommen.
Gemessen an den Folgen für die Betroffenen und die Einsatzkräfte ist das Versprühen von Reizgas mitnichten ein Dumme-Jungen-Streich. In den vergangenen Wochen hatten Reizgas-Alarme mehrere Großeinsätze ausgelöst. Am 11. Januar waren durch eine mutmaßliche Pfefferspray-Attacke im Luisen-Gymnasium (Bergedorf) acht Schüler und ein Lehrer verletzt worden. Zwei Tage später klagten im Gymnasium Rahlstedt 13 Schüler über Beschwerden, nachdem sie im Bereich der Toiletten einen stechenden, ätzenden Geruch wahrgenommen hatten. Am 20. Dezember waren fast gleichzeitig die Berufsschule am Göhlbachtal in Eißendorf und die Stadtteilschule am Heidberg betroffen. 56 Schüler mussten rettungsdienstlich versorgt, elf mit Atemwegs- und Augenreizungen ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Pfefferspray kann praktisch jeder kaufen: Wenn es als Tierabwehrspray gekennzeichnet ist, wie bei den handelsüblichen Modellen der Fall, gibt es keine Altersbeschränkung. Zuletzt kritisierte die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien Schulsenator Ties Rabe (SPD) für dessen „laxen Umgang“ mit dem Thema. So würden Reizgas-Vorfälle weder statistisch erfasst, noch gebe es eine Meldepflicht oder eine Pflichtinformation an die Eltern.