Fünfter Teil der Serie: Auf dem Gelände in der Feldmark wird eine weitere große Klinik gebaut – das spätere UKE.

Wer heute über das Gelände des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) geht, sieht hier und da alte Gebäude, die noch aus der Gründungszeit des Krankenhauses stammen. Die Geschichte des Universitätsklinikums beginnt mit Heinrich Cursch­mann, der 1879 die Leitung des Allgemeinen Krankenhauses in St. Georg übernahm. Schnell stellte er fest, dass es für die Situation in dem Krankenhaus , das ständig überfüllt war, aber nur eine Lösung gab: den Bau eines zweiten Städtischen Krankenhauses. Zwar gab es auch schon private Kliniken und konfessionelle Krankenhäuser, wie zum Beispiel das Marienkrankenhaus, doch anscheinend reichte das nicht, um den Bedarf zu decken.

Ein Jahr später lagen schon die ersten Pläne vor. 1884 konnte endlich mit dem Bau in der Eppendorfer Feldmark begonnen werden, unter den wachsamen Augen von Curschmann, der fast täglich die Baustelle besuchte. Auf dem Gelände entstand eine Klinik mit 55 Pavillons, die sofort nach der Fertigstellung belegt wurden. „Die Pavillonbauweise hat Cursch­mann durchgesetzt. In preußischen Kliniken gab es sie bereits, aber für Hamburg war das etwas völlig Neues. Diese Bauweise sollte auch verhindern, dass Infektionen weitergetragen wurden“, sagt Prof. Philipp Osten, kommissarischer Leiter des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin am UKE.

Erikaschwestern übernahmen die Pflege

1889 wurde das Neue Allgemeine Krankenhaus mit 1340 Betten eröffnet. Cursch­mann war aber schon ein Jahr vorher einem Ruf auf einen Lehrstuhl in Leipzig gefolgt. Über die Gründe kann man nur spekulieren: „Damals waren Universitätsprofessoren diejenigen, die mit Abstand die höchsten Einkünfte hatten. Die Entlohnung lag weit über dem, was man als städtischer Beamter verdiente“, sagt Osten. Überliefert ist auch, dass Curschmann zwar an der wissenschaftlichen Eröffnung des Krankenhauses teilnahm, der Veranstaltung mit Vertretern der Stadt aber wegen „Unwohlseins“ fernblieb, möglicherweise ein Ergebnis der jahrelangen, oft zähen Verhandlungen über medizinische Neuerungen, die er in Hamburg umsetzte.

Denn das neue Krankenhaus hatte eine ganz andere Struktur als das in St. Georg. „Es gab eine eigene Versorgung mit Elektrizität und eine zentrale Heizanlage“, sagt Osten. Die Pavillons waren streng systematisch angeordnet: Zuerst kamen die chirurgischen Pavillons, dann die für die innere Medizin und dann die Seuchenbaracken, das Delirantenhaus und der Bereich für Haut- und Geschlechtskrankheiten. Zudem waren die Pavillons klar nach Geschlecht getrennt.

Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Chirurgie durch die Entdeckung der Desinfektion einen steilen Aufstieg. „Das Verwandeln der Operationssäle in nach Karbolspray und Jod stinkende Orte und das Arbeiten unter beißendem Des­infektionsgeruch erwiesen sich als erfolgreich“, sagt Osten. Zudem etablierten sich im Krankenhaus strikte Hygienevorschriften, zum Beispiel den Kittel zu wechseln, wenn man von einem Pavillon in den nächsten ging.

Auch in der Pflege ging die Klinik neue Wege. Wärterinnen und Wärter, die überwiegend zur Arbeiterklasse gehörten, wurden durch ausgebildete Krankenschwestern aus den gehobenen Gesellschaftsschichten ersetzt. „Als die Oberin Hedwig von Schlichting mit ihren Erikaschwestern die Pflege übernahm, haben die Wärter, die ihnen unterstellt waren, in Scharen gekündigt. Das sorgte erst für Probleme, führte aber dann dazu, dass die Schwesternschaft enormen Zuwachs hatte. Das lag auch daran, dass es für bürgerliche Frauen in dieser Zeit so gut wie keine anderen Berufe gab“, sagt Osten.

Ein maßgeblicher Unterschied zu St. Georg war: St. Georg war noch klassisch ein Krankenhaus, in dem Armenfürsorge und Krankenbehandlung ineinandergriffen. Das Krankenhaus in Eppendorf war nur für die Kranken da und von Beginn an so organisiert, dass es unter ärztlicher Leitung stand und nicht unter der eines Verwaltungsdirektors“, sagt Osten.

Von einer Universitätsklinik war das Krankenhaus aber noch weit entfernt. Die Idee, hier eine medizinische Fakultät einzurichten, hatte erstmals Rudolf Brauer, der 1911 die Leitung des Krankenhauses übernahm. Ihm schwebte allerdings die Einrichtung von Instituten vor, an denen nur geforscht wurde. „Auf die Lehre, die er als lästig empfand, wollte er verzichten.“

Universitätsklinik wurde Krankenhaus 1934

Als 1919 die Hamburger Universität gegründet wurde, gehörte dazu auch eine medizinische Fakultät „Und als Brauer aus englischer Gefangenschaft zurückkehrte, fand er dort den Lehrbetrieb vor, den er so gern vermeiden wollte“, sagt Osten. Für den Lehrbetrieb wurden aber auch die Krankenhäuser St. Georg, die Psychiatrie in Friedrichsberg und das Tropeninstitut herangezogen. „Derjenige in der Stadt, der das größte wissenschaftliche Renommee hatte, wurde zum außerordentlichen Professor ernannt und erhielt damit die Lehrbefugnis“, sagt Osten. Schon im ersten Semester lag der Frauenanteil unter den Studierenden bei 20 Prozent. „Das ist für die Zeit ungewöhnlich hoch, besonders wenn man bedenkt, dass Frauen erst seit 1908 zum Studium zugelassen wurden“, sagt Osten.

Zum Universitätsklinikum wurde das Krankenhaus aber erst 1934. Im Nationalsozialismus begann das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Klinik: Beispiele sind die Zwangssterilisierungen, die in der Chirurgie durchgeführt wurden, und die Menschenversuche des Arztes Heinrich Berning. Er ließ Lagerinsassen hungern und untersuchte, welche Folgen das hatte. Nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von 1934 wurden alle jüdischen Ärzte entlassen. Zum Gedenken an diese Zeit eröffnet im Medizinhistorischen Museum Hamburg im November dieses Jahres eine Dauerausstellung „Medizinverbrechen im Nationalsozialismus“.

Im Laufe der Zeit wurde das UKE immer wieder modernisiert, doch die Anfänge vor 128 Jahren sind nicht vergessen: Zurzeit entsteht für knapp 70 Millionen Euro eine neue Kinder­klinik – das Herzstück im Innenhof ist eine Buche, die 1890 gepflanzt wurde.

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