Hamburg. CDU fordert scharfe Maßnahmen gegen mutmaßliche Demokratiefeinde. Hamburger Senat setzt dagegen weiterhin auf Dialog

Die demokratie- und deutschlandfeindlichen Äußerungen aus dem Umfeld der Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) sowie die geplante Aufführung des nationalistischen Theaterstücks „Letzte Festung Türkei“ am Sonntag in Hamburg haben eine heftige politische Debatte ausgelöst.

Nachdem CDU-Fraktionschef ­André Trepoll in den vergangenen Tagen bereits die Aussetzung des 2012 geschlossenen Staatsvertrags mit Ditib gefordert hatte, ging er am Donnerstag noch weiter: Es müsse geprüft werden, ob Ditib noch als Religionsgemeinschaft einzustufen sei. Der Verband müsse sich dem Einfluss des türkischen Staats entziehen, der rot-grüne Senat solle im Verfassungsausschuss der Bürgerschaft über seine Gespräche mit Ditib berichten, und die Staatsanwaltschaft solle prüfen, ob die vor allem in sozialen Netzwerken getätigten Äußerungen den Straftatbestand der Volksverhetzung oder der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole erfüllten.

Wie berichtet, hatte der Vorsitzende einer Wilhelmsburger Ditib-Moscheegemeinde auf Facebook geschrieben: „Demokratie ist für uns nicht bindend, bindend ist Allahs Buch, der Koran.“ In einem weiteren Eintrag hieß es, er „spucke auf das Gesicht der Türken und Kurden, die nicht islamisch leben“. Vom NDR-Magazin „Panorama 3“, das zuerst über die Posts berichtet hatte, angesprochen, sagte der Mann, er sei halt „ein bisschen emotional, das ist normal“. Der TV-Bericht hatte zudem das Video eines jungen Mannes gezeigt, der für Ditib in der Jugendarbeit aktiv sein soll und den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan offen bittet: „Mein Führer, gib uns den Befehl, und wir zerschlagen Deutschland.“

Diese Abkoppelung von unserer Gesellschaft „wird vom türkischen Staat bewusst forciert“, kritisierte Trepoll. „Das sollten wir in Hamburg nicht tolerieren.“ Das gelte auch für die „sogenannte Theateraufführung“ am Sonntag in Wilhelmsburg, so Trepoll: „Das ist ein stark nationalistisch geprägtes Stück. Der Senat sollte versuchen, es zu unterbinden.“ Wie berichtet, hatte die Stadt Erlensee in Hessen die Aufführung, in der es um den Putschversuch im Juli 2016 in der Türkei geht und in der Erdogan verherrlicht und der Westen übel verunglimpft wird, untersagt. Offiziell wurde dabei zwar mit dem Mietrecht argumentiert, doch Erlensees Bürgermeister Stefan Erb (SPD) hatte keine Zweifel daran gelassen, dass diese Aufführung unerwünscht war: „Hass, Häme, Gewalt und Nationalismus – auch wenn sie als Theater getarnt sind – haben in unserer Stadt keinen Platz.“ Auch andere Städte wie Augsburg hatten sich scharf von der Aufführung distanziert und sie als „menschenverachtend“ bezeichnet.

Cansu Özdemir, Fraktionschefin der Linkspartei in der Bürgerschaft, hatte sich daher „schockiert“ gezeigt, dass das Stück in Hamburg aufgeführt werden darf. Auf ihre Kleine Anfrage hatte der Senat geantwortet, die Veranstaltung sei zwar bekannt, Erkenntnisse zum Veranstalter lägen aber nicht vor. Im Übrigen wurde auf die Kunstfreiheit verwiesen. Polizeisprecher Timo Zill sagte: „Dem Staatsschutz liegen keine Störungshinweise vor.“

Die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein zeigte sich schockiert von den Hass-Postings: „Damit ist noch einmal deutlich geworden, wie weit Teile der Ditib als Vertragspartner der Stadt Hamburg sich von unseren Verfassungswerten entfernt haben.“ Der Senat müsse dazu Stellung beziehen. In einer gemeinsamen Stellungnahme fanden auch der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland, Ali Ertan Toprak, und der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg, Stefan Hensel, deutliche Worte: „Wer wie die Ditib nachweislich Andersdenkende und Andersgläubige zur Feindbildern macht, hat den Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen. Sie gehört vom Verfassungsschutz beobachtet und nicht vom Staat zum Vertragspartner gemacht.“

Rot-Grün in Hamburg setzt hingegen weiterhin auf Dialog: „Reden statt kündigen ist weiter das Gebot der Stunde“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. „Ditib ist in der Pflicht.“ Gerade jetzt seien die Verträge als Fundament für Gespräche wichtig: „In diese Richtung müssen jetzt normverdeutlichende Gespräche geführt werden.“ Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks äußerte sich ähnlich: „Die Verträge mit religiösen Gemeinschaften schließt man nicht für die guten, sondern für die schwierigen Zeiten. Klar ist aber auch: Ditib muss nun liefern. Wir erwarten, dass Ditib sich von den aktuellen Vorfällen distanziert.“

Bis Donnerstagabend hatte sich Ditib trotz mehrfacher Nachfrage noch gar nicht zu den Vorwürfen geäußert.

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