Hamburg. Erregung öffentlichen Ärgernisses: Nur ein mutmaßlicher Mittäter zeigte sich vor Gericht. Der Bademeister muss jetzt aufklären.
Seine drei Mitangeklagten sind gar nicht erst erschienen. Fred G. (75) nicht, Norbert L. (63) nicht, Victor H. (59) nicht. Sie kommen jeweils mit Strafbefehlen über eine „Verwarnung mit Strafvorbehalt“ und mit einer Geldauflage von 300 Euro davon. Ingo R., der nicht gekniffen hat, muss den öffentlichen Prozess um eine Sex-Sause in der Alster-Schwimmhalle alleine durchstehen. Ohne Verteidiger sitzt der 75 Jahre alte Mann mit den sauber gescheitelten Haaren vor dem Amtsrichter in St. Georg und klingt aufrichtig empört. Mit der Sache habe er jedenfalls nichts zu tun, sagt Ingo R. „Ich war das nicht!“
Die "Sache" spielte sich am 22. Februar 2016 in einer Sauna der Alsterschwimmhalle ab, und sie mündete in einer Anklage wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“. In der 70 Grad heißen Duftsauna, wo es so schön nach Eukalyptus riecht, sollen die vier älteren Männer bei einem Stelldichein mächtig ins Schwitzen gekommen sein. Was mit den hohen Temperaturen in der Kabine nur am Rande, ganz wesentlich aber mit dem enormen Kräfteverschleiß zu tun hatte. Das Schäferstündchen wäre wohl unentdeckt geblieben, hätte das Quartett nicht einen stummen und nach kurzer Beobachtung völlig perplexen Zeugen gehabt.
Zeuge: Ältere Männer müssten doch Vorbild sein
Yunis K. (54), Voyeur wider Willen, kam gerade vom Schwimmen und wollte sich in der Eukalpytus-Sauna aufwärmen, als er durch die Glastür sah, wie sich drei Männer selbst und gegenseitig befriedigten, mit der Hand und oral. „Ich dachte nur: Was ist das für eine Scheiße? Das sind ältere Männer, die müssten doch ein Vorbild sein.“ Geschockt von der bizarren Szene, entfernte sich der 54-Jährige, wartete fünf Minuten und kehrte dann zurück – in der Hoffnung, dass der Spuk vorbei ist.
Doch inzwischen hatte sich noch ein weiterer Mann dazugesellt, und aus der Ménage á trois war eine Ménage á quatre geworden. „Da waren plötzlich vier Männer“, sagt Yunis K. „So ein kleiner kniete vor einem großen Mann und die anderen haben Hand an sich gelegt.“ Er habe den Bademeister verständigt, der den semi-öffentlichen Ringelpiez kurz und knapp mit den Worten „diese Schweine“ kommentiert und sodann die Polizei alarmiert habe. Wenig später, als die Beamten am Tatort eintrafen, saßen die Männer entspannt am Tresen und plauderten miteinander.
Angeklagter verneint Teilnahme am Gruppensex
Ingo R. hingegen beteuert seine Unschuld. „Ich kam von der Sonnenterrasse, sah die Polizisten am Tresen. Als ich fragte, was denn los sei, sagte mir einer: Sie waren auch dabei“, so der Angeklagte. „Dabei war ich seit zehn Jahren nicht mehr in der Eukalyptus-Sauna, von den Dämpfen brennen meine Augen immer.“ Auf Nachfrage habe er erfahren, dass ein Zeuge ihn belastet hatte. „Als ich dann Anzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung erstatten wollte, hieß es nur: Machen wir nicht.“ Stattdessen sei ihm ein Hausverbot erteilt worden.
Um den Fall aufzuklären, sollen noch ein Polizeibeamter und der Bademeister vernommen werden. Fortgesetzt wird der Prozess am 6. März.