Hamburg. Firmen aus der Metropolregion Hamburg bringen viele Innovationen auf den Markt. Wir erzählen die Geschichte dahinter. Heute: Ali Cola.
Hilft es, einen alkoholfreien Softdrink mit einem gehörigen Schuss Antirassismus aufzuladen? Aydin Umutlu tut das. Mehr oder weniger erfolgreich. Gut 100.000 Drittelliterflaschen seiner Ali Cola hat der Hamburger mit türkischen Wurzeln 2016 verkauft. Leben und seine Familie komplett finanzieren kann der 43-Jährige davon nicht. „Leider“, sagt Umutlu, denn natürlich geht es ihm auch darum, Geld zu verdienen. Aber dass er das Getränk vor gut vier Jahren mit einem türkisch-arabisch und in jedem Fall fremdländisch klingenden Namen auf den Markt brachte, soll ein politisches Statement sein.
Ein trinkbares Manifest für Toleranz, eine ironische Antwort auf Vorurteile und Klischees, eine dunkle Brause als Reaktion auf und Protest gegen Thilo Sarrazin, der seinerzeit gerade durch das Herstellen eines kausalen Zusammenhangs zwischen Erbgut und Intelligenz ganz weit ins politisch rechte Abseits abgedriftet war. „Das hat mich so aufgeregt, dass ich antworten wollte, dass ich etwas dagegen setzen wollte.“ Eine neue Cola. Das ist Aydin Umutlus Idee. Immer noch.
Ali Cola gibt es in sechs Farben
In Zeiten des erstarkenden Populismus in Europa und eines US-Präsidenten Donald Trump hat Umutlu seine Idee weiterentwickelt, seine Produktpalette auch. Ali Cola gibt es seit Kurzem in sechs unterschiedlichen Farben. „2017 wird wieder ein Rechtsruck spürbar – und Ali Cola deshalb noch vielfältiger“, sagt Umutlu. Zu Schwarz sind fünf weitere „Hautfarben“ hinzugekommen. Ali Cola, so will es der Mann hinter dem Produkt, ist eine Cola mit Botschaft. Nämlich: Egal wie es nach außen scheint und was die Farbe signalisiert – im Inneren ist alles gleich. Der Mensch und die Ali Cola.
Tatsächlich unterscheiden sich die sechs Ali Colas in den Farbtönen milchig-weiß bis tiefschwarz allein durch die Menge des Lebensmittel-Farbstoffs Zuckercouleur, ansonsten sind alle Zutaten und ihre Menge identisch. Wer das nicht weiß, lässt sich leicht täuschen, ergab der Abendblatt-Geschmackstest: Sechs Kollegen verkosteten gemeinsam die sechs Colas – und diskutierten dabei ausgiebig, ob etwa der mittelhelle Farbton Nummer drei womöglich „orangiger“ und „mezzo-mixiger“ sei als die pechschwarze Nummer sechs oder ob Nummer fünf „zimtiger“ sei als Nummer zwei.
Keine Unterschiede bei Blindverkostung
„Das muss ein psychologischer Effekt sein“, sagt Aydin Umutlu überrascht, „bei einer Blindverkostung würde man sicher keine Unterschiede herausschmecken.“ Schließlich sei es ja die Idee, dass sich die beim Husumer Mineralbrunnen produzierte und abgefüllte Brause wirklich nur im Farbton voneinander abhebt. „Alles andere wäre ja auch Unsinn“, findet er.
50.000 Flaschen – die Hälfte des Jahresabsatzes 2016 – hat Umutlu in Nordfriesland produzieren lassen. Damit die Farbtöne gut zur Geltung kommen, klebt nur ein kleines Etikett am Hals der Flasche mit dem Kronkorken. Seine erste Ali Cola hatte noch das übliche große Etikett. Und auf dem war die Zeichnung eines „Klischee-Türken“, wie Umutlu sagt. Volles Gesicht, fetter Schnauzbart. Das war ironisch gemeint, wurde aber nicht von allen verstanden. „Es gab Hass-Mails aus der ganz rechten Ecke: ,Du Muselmann, geh dahin, wo du herkommst‘ so in diesem Stil. Aber auch ein, zwei Reaktionen von der anderen Fraktion. Da wurde mir vorgeworfen, ich würde türkische Mitbürger verunglimpfen“, erinnert sich Umutlu.
Ausgeliefert wird die Cola im Sechserpack
Ausgeliefert wird die „Hautfarben“-Cola in einem Sechserpack, der sämtliche Farbtöne enthält, oder in einem Kasten mit vier Sechserpacks. Das erfordert viel Flaschensortiererei per Hand beim Produzenten. In Husum untergebrachte Flüchtlinge erledigen das, „damit sie sich ein bisschen Geld verdienen können. Mein Traum ist, diesen Leuten irgendwann regelmäßige Einkünfte zu ermöglichen.“ Die größte Herausforderung für den Ein-Mann-Betrieb ist der Vertrieb. Umutlu putzt Klinken in Gastronomie und Handel.
Gut 80 Prozent seiner Ali Cola setzt er derzeit in Hamburg ab, den Rest in Berlin. Kioske und Kneipen in Szenestadtteilen, Shisha-Bars, der eine oder andere Edeka- oder Getränkemarkt, sein eigener Internetshop (www.alicola.de) – der Cola-Macher schätzt, dass es sein politisch korrektes Getränk zurzeit an 50 bis 60 Verkaufsstellen gibt. Hamburg sei „ein schwieriges Pflaster“, sagt Umutlu, der nicht selten den eigenen Kombi für eine Auslieferungstour in der Hansestadt vollpackt. Auf dem Berliner Markt will er jetzt angreifen, einen Vertriebspartner gibt es bereits.
Aydin Umutlu arbeitet auch noch als Kurierfahrer
Vielleicht ist es gerade eine gute Zeit, das Marketing für einen Softdrink mit einem gehörigen Schuss Antirassismus aufzuladen. Und vielleicht ist Donald Trump hilfreicher dabei als Thilo Sarrazin. Einstweilen braucht Aydin Umutlu noch seinen Zweitjob als Kurierfahrer in Hamburg.
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